OGH 6Ob396/66

OGH6Ob396/6630.12.1966

SZ 39/223

Normen

ABGB §863
ABGB §1486 Z1
HGB §376
ABGB §863
ABGB §1486 Z1
HGB §376

 

Spruch:

Aus dem Nichtdrängen des Verkäufers auf Abruf während sehr langer Zeit kann sich ein Verlust des Erfüllungsanspruches des Verkäufers ergeben

Entscheidung vom 30. Dezember 1966, 6 Ob 396/66

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Der Beklagte kaufte von der Klägerin nach dem Bestellschein vom 31. Oktober 1957 je 200 Kartons Würfelzucker der Sorte E 1 und E 2, wovon ihm je vier Kartons sofort nach der Fertigstellung der näher bezeichneten Etiketten auf der Umhüllung der Zuckerwürfel und der Rest auf Abruf innerhalb von zwei bis drei Jahren zu liefern waren. In der Folge rief der Beklagte nur einen Teil des Zuckers ab. 140 Kartons der Sorte E 1 und 128 der Sorte E2 wurden noch nicht abgerufen. Die auf der Rückseite des Bestellscheines abgedruckten Lieferbedingungen besagen u. a.: "Unsere Verkaufspreise ... basieren auf der Preisbestimraung Z. 404.500-15/62 des Bundesministeriums für Inneres, Sektion Volksernährung. Im Falle einer Veränderung des Zuckergrundpreises oder der Sortenzuschläge erhöht oder ermäßigt sich der Lieferpreis entsprechend."

In der am 4. April 1966 eingebrachten Klage führte die Klägerin aus, sie habe den Beklagten wiederholt aufgefordert, seiner Abnahmepflicht nachzukommen. Nach den maßgeblichen Preisbestimmungen betrage der Kaufpreis je Karton der Sorte E 1 320 S und der Sorte E 2 290 S. Sie beantragt daher Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des noch aushaftenden Betrages von 81.920 S s. A. Das Erstgericht erkannte im Sinne dieses Klagebegehrens.

Es führte rechtlich aus, es handle sich um einen Sukzessivlieferungsvertrag. Die mit zwei bis drei Jahren vereinbarte Frist habe nicht solches Gewicht, daß nach ihrem Ablauf der Vertragszustand enden sollte. Es bleibt daher auch die Umstandsklausel außer Betracht; den Umstand, daß der Beklagte wegen der Schwerpunktverlagerung vom altherkömmlichen Kaffeehausbetrieb zum Espresso nur mehr geringere Zuckermengen benötige, könne er nicht der Klägerin entgegenhalten, zumal auch zu berücksichtigen sei, daß die Kosten der für ihn hergestellten Etiketten im vereinbarten Kaufpreis enthalten seien, diese Etiketten aber für sie, wenn der Beklagte nicht erfülle, wertlos wären. Darin, daß die Klägerin den Beklagten lediglich um Wiederaufnahme des Zuckerbezuges ersucht, ihn jedoch nicht kategorisch aufgefordert habe, könne auch ein Verzicht auf Erfüllung nicht erblickt werden. Da für die von der Klägerin zu erbringenden Teillieferungen jegliche Zeitbestimmung fehle und für die Gesamtleistung nur unbestimmt von zwei bis drei Jahren die Rede gewesen sei, könne die Vereinbarung nicht als Fixgeschäft aufgefaßt werden.

Schließlich sei auch die Einwendung des Beklagten der Verjährung nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil, soweit es aussprach, daß das Klagebegehren dem Gründe nach zu Recht bestehe, als Zwischenurteil. Im übrigen dagegen hob es das Urteil auf. Es fand, was den Grund des Anspruches betrifft, die Mängelrüge nicht berechtigt und billigte auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.

Was die Höhe des Anspruches betreffe, habe ihn die Klägerin mit 320 S bzw. 290 S pro Karton behauptet. Da der Beklagte dies aber bestritten habe, bedürfe es der entsprechenden Feststellungen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Beklagte vermeint zunächst, im Hinblick auf die im Vertrag der Streitteile vom 13. Oktober 1957 vereinbarte Lieferung innehalb von zwei bis drei Jahren, wonach er also bis längstens 13. Oktober 1960 den gekauften Zucker hätte abnehmen sollen, liege ein Fixgeschäft im Sinne des § 376 HGB. vor. Darin kann ihm aber nicht gefolgt werden. Ein solches Geschäft ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, daß eine außerhalb der bestimmten Zeit oder Frist erbrachte Leistung nicht mehr als Erfüllung des Vertrages angesehen werden soll. Selbst eine Einigung auf eine bestimmte Erfüllungszeit reicht für sich allein noch nicht hin, um ein Fixgeschäft zu begrunden, wenn nicht auch, sei es ausdrücklich oder konkludent, die weitere Vereinbarung getroffen wurde, daß die Einhaltung dieser Erfüllungszeit nach Absicht der Vertragsteile derart wesentlich ist, daß eine spätere Leistung nicht mehr als Erfüllung gelten soll (ZBl. 1915 Nr. 515, HS. I 231, HS. 1755, 5 Ob 189/63, 5 Ob 239/63, 7 Ob 351/64). Eine solche Absicht der Streitteile wurde aber nicht festgestellt. Damit ist den bezüglichen Ausführungen der Revision der Boden entzogen.

Ihre Auffassung, allein aus der Vereinbarung, der Beklagte habe innerhalb von zwei bis drei Jahren den gekauften Zucker abzurufen, folge, daß es sich um ein Fixgeschäft handle, ist schon deswegen abzulehnen, weil in irgendeiner Weise die Erfüllungszeit wohl immer bestimmt sein wird und dies daher zur Folge haben müßte, daß praktisch jedes Geschäft auch ein Fixgeschäft wäre.

Derartiges wurde auch in der von der Revision bezogenen Entscheidung ZBl. 1917 Nr. 127 nicht ausgesprochen. Diese befaßte sich vielmehr nur mit der Frage des maßgeblichen Zeitpunktes für die Berechnung des Schadenersatzes aus der Verweigerung einer sukzessive nach Abruf zu bewirkenden Lieferung und der Art der Schadensberechnung.

Da der Beklagte innerhalb der vereinbarten Frist nicht die gesamte Zuckermenge abgerufen hat, ist er in Annahmeverzug geraten (SZ. V 309, HS. I 205). Durch den Annahmeverzug wird das Schuldverhältnis keineswegs aufgehoben (JBl. 1954 S. 395), der Annahmeverzug des Gläubigers befreit den Schuldner nicht von der Erfüllung (RiZ. 1961 S. 67). Dem Verkäufer steht in diesem Falle zumindest grundsätzlich ein Klagerecht auf Empfangnahme der gekauften Sache nicht zu, wie die Revision unter Hinweis auf JB. 179 (alt) zutreffend ausführt; dieser Standpunkt wurde auch in der Entscheidung RiZ. 1955 S. 76 vertreten. Darum handelt es sich aber im gegebenen Falle nicht, da die Klägerin einen solchen Anspruch gar nicht geltend macht. Sie beantragt vielmehr die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des restlichen Kaufpreises.

Gegen dieses Begehren kann der Beklagte auch nicht Verjährung einwenden. Was die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 1486 Z. 1 ABGB. - die allein in Betracht kommen könnte - betrifft, geht das Gesetz davon aus, daß die Lieferung, für welche die Zahlung begehrt wird, tatsächlich erfolgte, sodaß die kürzere Verjährungsfrist nicht früher zu laufen beginnen kann als geliefert oder geleistet wurde (Klang[2] VI S. 623, Ehrenzweig I/1 S. 312, EvBl. 1960 Nr. 319). Zur Lieferung der Klägerin konnte es aber, was die restliche Zuckermenge betrifft, für welche sie ihre Kaufpreisforderung geltend macht, wegen des Annahmeverzuges des Beklagten nicht kommen. Mangels einer kürzeren Verjährungsfrist erlischt das Recht aus dem Vertrag aber in 30 Jahren (SZ. X 18, Rspr. 1929 Nr. 374). Unerheblich ist, daß die Klägerin neben der Lieferung des Zuckers auch die Etiketten dafür herzustellen hat.

Das für diese Nebenleistungen gebührende Entgelt kann keiner besonderen Verjährung unterliegen, der primäre Anspruch der Klägerin aber ist, wie ausgeführt, nicht verjährt.

Im übrigen fehlt es aber, da das Erstgericht, abgesehen von der Einsicht in den Bestellschein vom 31. Oktober 1957, Beweisaufnahmen unterlassen hat, an der Erörterung der näheren Umstände, aus denen, falls die Behauptungen des Beklagten wahr sind, allenfalls auf einen Verzicht der Klägerin geschlossen werden könnte. Nach dem vorliegenden Bestellschein sollte die vereinbarte Zuckermenge innerhalb von zwei bis drei Jahren, also bis längstens 13. Oktober 1960, durch den Beklagten abgerufen werden. Er wendet gegen den Anspruch der Klägerin u. a. auch ein, sie habe in den langen Jahren bis zur Klagseinbringung am 4. April 1966 nichts unternommen, um ihn zur Zuhaltung der Vereinbarung zu veranlassen, sondern lediglich fünf Jahre später ein Ersuchen an ihn gerichtet, wieder Zuckermengen abzunehmen. Sollte dies richtig sein, könnte daraus aber, zumal beide Teile Kaufleute sind, gemäß § 863 ABGB. der Schluß gezogen werden, daß die Klägerin auf weiteren Abruf und damit auf weitere Lieferungen der in der Bestellung bezeichneten Zuckermenge verzichtet habe. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann mit Rücksicht auf die Verkehrssitte aus dem Nichtdrängen des Verkäufers auf Abruf während sehr langer Zeit sich ein Verlust des Erfüllungsanspruches des Verkäufers ergeben (Reichsgerichtsrätekommentar[2] IV S. 365 Anm. 147). Die Klägerin hat die Behauptungen des Beklagten jedoch bestritten und geltend gemacht, ihn wiederholt durch Zusendungen von Abrufkarten und Schreiben aufgefordert zu haben, seiner Vertragspflicht nachzukommen. Diese widersprechenden Parteibehauptungen wären daher zu prüfen gewesen, und insbesondere hätte es auch der Kenntnis des Inhaltes der angeblich an den Beklagten gerichteten Schreiben bedurft, um beurteilen zu können, ob es sich um eine Aufforderung zur Erfüllung des gegenständlichen Vertrages handelte, wie das Erstgericht annahm, oder nur um ein ohne Geltendmachung eines Rechtsanspruches an der Beklagten gerichtetes Ersuchen, wieder Zuckerwaren abzunehmen.

Da somit noch nicht alle für die erschöpfende rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen getroffen wurden, mußten die Urteile der Untergerichte aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandung und neuen Entscheidung an das Prozeßgericht zurückverwiesen werden.

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