OGH 2Ob302/66

OGH2Ob302/6615.12.1966

SZ 39/214

Normen

ABGB §1295
ABGB §1297
StVO §92 (1)
ABGB §1295
ABGB §1297
StVO §92 (1)

 

Spruch:

Das Verbot des Ausgießens von Wasser auf die Bundesstraße bei Gefahr der Eisbildung stellt eine unteilbare Verpflichtung der Miteigentümer eines Hauses dar. Wenn das Wasser durch eine schadhafte oder nichtfunktionierende Dachrinne auf die Straße fließt, ist dies dem Ausgießen gleichzuhalten

Entscheidung vom 15. Dezember 1966, 2 Ob 302/66

I. Instanz: Bezirksgericht Reutte; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck

Text

Am 21. Februar 1965 ereignete sich auf der Lechtaler Bundesstraße in H. im Lechtal beim Haus Nr. X ein Verkehrsunfall. Durch das aus der Dachrinne des Hauses abfließende Wasser hatte sich auf der Bundesstraße ein Eishügel gebildet, der zirka 30 bis 50 cm hoch war und zirka 1.50 m in die Fahrbahn hineinragte. Der Kläger fuhr mit seinem PKW durch H., versuchte diesem Eishügel auszuweichen, kam dadurch über die Straßenmitte und stieß mit einem entgegenkommenden PKW zusammen. Der Kraftwagen des Klägers wurde beschädigt. Im Strafverfahren wurde der Kläger freigesprochen.

Mit der vorliegenden Klage machte der Kläger Schadenersatz gegen den Beklagten in der oben angeführten Höhe mit der Behauptung geltend, daß dieser als Eigentümer des Hauses Nr. X zu 50% für den Schaden hafte, weil er seiner Verpflichtung nach § 93 (2) StVO. 1960, Eisbildungen, die den Straßenverkehr gefährden könnten, zu entfernen, nicht nachgekommen sei.

Der Beklagte bestritt, begehrte Klagsabweisung und wendete ein, daß er nicht der alleinige Eigentümer des Hauses und daher nicht allein verpflichtet sei, der Vorschrift der bezogenen Gesetzesstelle zu entsprechen. Richtig sei, daß aus der Dachrinne des Hauses mehrmals Wasser heruntertropfe und daß sich dadurch teils auf dem Gehsteig, teils auf der Straße Eis bilde. Auf dem zum Haus gehörigen Grund entferne er selbst diese Eisbildungen. Auf der Bundesstraße werde das Eis vom zuständigen Straßenwärter entfernt. Der Eishügel sei am Unfallstag nicht so groß gewesen, daß ihm der Kläger nicht hätte ausweichen können. Der Kläger hätte auch darüber fahren können, ohne sich und andere zu gefährden. Er hätte neben dem Eishügel ausreichend Platz zur Vorbeifahrt gehabt, ohne den Gegenverkehr zu behindern. Schließlich hätte er vor dem Hindernis anhalten müssen. Der Kläger sei allein an dem Unfall schuld.

Das Erstgericht erkannte den Sachdenersatzanspruch dem Gründe nach als nicht zu Recht bestehend und erklärte für den Fall der Rechtskraft dieses Zwischenurteils das Klagebegehren als abgewiesen. Es stellte fest, daß der Beklagte zur Hälfte, Sophie H., seine Tante, zu einem Viertel und Martha C. ebenfalls zu einem Viertel Miteigentümer des Hauses seien. Der Beklagte und Sophie H. wohnen im Hause. Das Wasser vom Dach werde durch eine Regenrinne abgeleitet, die oben zu einem rechteckigen Blechkasten erweitert sei. Dieser Blechkasten rage etwa 70 cm in die Fahrbahn hinein. Im Winter komme es vor, daß das Wasser im Kasten oder in der Abflußrinne einfriere, sodaß das Schmelzwasser vom Dach nicht mehr ordnungsgemäß abrinnen könne, sondern über den Rand des Blechkastens auf die Straße tropfe. Auf diese Weise habe sich auch am Unfallstag ein Eishügel gebildet, auf den der Kläger aufgefahren sei. Das Eis werde vom Beklagten und auch von dem zuständigen Straßenwärter entfernt. Das Eis bilde sich aber je nach den Witterungsverhältnissen manchmal schon nach Stunden wieder neu. Dieser Zustand bestehe seit Jahren. Das Erstgericht war der Meinung, daß diese Eisbildung den im § 93 (2) StVO. 1960 genannten überhängenden Schneewächten oder Eisbildungen, die von den Eigentümern der Liegenschaften zu entfernen sind, nicht gleichgehalten werden könne und daß daher der Beklagte nicht gegen diese Vorschrift verstoßen habe, wenn er diese Eisbildung nicht entfernt habe. Der Beklagte wäre gemäß § 93 (1) StVO. 1960 zur Gehsteigreinigung verpflichtet gewesen. Diese Unterlassung stehe aber mit dem Unfall nicht im Zusammenhang. Das Eis auf der Bundesstraße hätte durch die Bundesstraßenverwaltung entfernt werden müssen. Bei dieser Eisbildung handle es sich um eine Immission nach § 364 ABGB., die die Straßenverwaltung nicht zu dulden brauche. Der Kläger müsse sich gemäß § 11 BStG. an die Straßenverwaltung halten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es zu Recht erkannte, der Schadenersatzanspruch des Klägers bestehe dem Gründe nach zu 50% zu Recht (dabei hat das Berufungsgericht übersehen, daß der Kläger nur die Hälfte seines Schadens eingeklagt hatte und daher bei einer Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 auszusprechen gewesen wäre, daß sein Klagsanspruch dem Gründe nach zu Recht bestehe). Das Berufungsgericht war der Meinung, daß der Beklagte gemäß § 1297 ABGB. verpflichtet gewesen wäre, alles vorzukehren, um das Abtropfen des Wassers aus dem Blechkasten auf die Fahrbahn der Bundesstraße und die Eisbildung und damit eine für ihn erkennbare Gefahr für den Straßenverkehr abzuwenden. Die Unterlassung berge eine Widerrechtlichkeit in sich und begrunde ein Verschulden des Beklagten. Derartige Vorkehrungen habe er auch als Miteigentümer des Hauses zu treffen und er hafte für diese Unterlassung. Den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil er mit einer für die damaligen Verhältnisse zu hohen Geschwindigkeit gefahren sei. Er hätte so fahren müssen, daß er vor dem Eishügel, der ein Hindernis bildete, anhalten hätte können. Es sei eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 vorzunehmen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hat das Verschulden des Beklagten nicht darin erblickt, daß er an diesem Tag den Eishügel nicht entfernte, sondern darin, daß sich dieser Eishügel wegen der nicht ordnungsgemäß funktionierenden Abflußvorrichtung überhaupt bilden konnte und der Beklagte keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat. Wenn der Beklagte darauf hinweist, daß sich das Eis auf der Bundesstraße gebildet habe, die Entfernung durch die Bundesstraßenverwaltung vorzunehmen gewesen wäre und er damit habe rechnen können, so kann ihn dies nicht entlasten. Der Beklagte hat gegen die Vorschrift des § 92 (1) StVO. 1960 verstoßen. Danach ist das Ausgießen von Flüssigkeiten bei der Gefahr einer Glatteisbildung auf die Straße für jedermann verboten. Der Beklagte ist als Miteigentümer des Hauses für das gefahrlose Abfließen des Wassers vom Dach des Hauses verantwortlich. Es steht fest, daß die Eisbildung auf der Straße durch das Überfließen des Wassers aus der Dachrinne entstanden ist. Dies kommt einem Ausgießen des Wassers auf die Straße im Sinne der zitierten Gesetzesstelle gleich, § 92 (1) StVO. 1960 ist eine Schutzvorschrift zur Vermeidung von Gefahren auf der Straße im Sinne des § 1311 ABGB. Diese Schutzvorschrift betrifft eine unteilbare Verpflichtung der Miteigentümer des Hauses. Der Beklagte hätte nachweisen müssen, daß sich der Unfall auch dann ereignet hätte, wenn das Abfließen des Wassers durch die Dachrinne ordnungsgemäß vor sich gegangen wäre. Einen solchen Beweis hat der Beklagte nicht erbracht. Seine Haftung für die Folgen des Verkehrsunfalles ist daher vom Berufungsgericht mit Recht angenommen worden. Der Beklagte haftet für den Schaden zufolge der Unterlassung in bezug auf die erwähnte unteilbare Verpflichtung ohne Rücksicht auf seinen Miteigentumsanteil am Haus zur ungeteilten Hand mit den anderen Miteigentümern. Es wird Sache des Beklagten sein, sich mit den anderen Miteigentümern auf Grund des Miteigentumsverhältnisses auseinanderzusetzen. Ob auch die Bundesstraßenverwaltung hafte, ist hier nicht zu erörtern. Der Kläger konnte den Beklagten in Anspruch nehmen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1, die nicht besonders bekämpft wurde, entspricht dem festgestellten Sachverhalt.

Wie schon oben dargestellt wurde, ist das angefochtene Urteil dahin zu verstehen, daß damit die Teilung des Gesamtschadens im Verhältnis 1 : 1 zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß aber der Schadenersatzanspruch des Klägers, der nur zur Hälfte geltend gemacht worden war, ganz zu Recht besteht. Eine Anfechtung in dieser Hinsicht seitens des Klägers ist unterblieben, sodaß es beim Spruch der Berufungsinstanz zu bleiben hat. Über die Höhe wird nunmehr zu entscheiden sein.

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