Spruch:
Der Handelsvertreter ist nicht ermächtigt, zu Stornoerklärungen eines Kunden namens des Unternehmers Stellung zu nehmen und die vom Dritten geltend gemachten Rechte anzuerkennen
Entscheidung vom 15. Dezember 1966, 5 Ob 344/66
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien
Text
Die Klägerin begehrte die Feststellung, daß der zwischen ihr und der beklagten Partei am 14. Juli 1965 abgeschlossene Kaufvertrag bezüglich 1000 kg Zwiebel hinsichtlich der noch nicht von der beklagten Partei abgerufenen restlichen 796 kg Zwiebel aufrecht bestehe.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung mit der Behauptung, daß der Handelsvertreter N. N., der sich als Beauftragter der Klägerin ausgegeben und von dem er angenommen habe, daß er auch zur Entgegennahme eines Stornos berechtigt sei, den Auftrag im Namen der Klägerin storniert habe.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest:
Eines Tages im Juli 1965 erschien der Vertreter Edmund R. beim Beklagten und fragte wegen Erteilung eines Auftrages zur Lieferung von Röstzwiebeln an. Der Beklagte erteilte dem R. mündlich den Auftrag zur Lieferung von 1000 kg solcher Zwiebel, lieferbar innerhalb eines Jahres in Teilmengen nach Abruf. Über diese Bestellung erhielt der Beklagte in der Folge ein Schreiben der Klägerin vom 14. Juli 1965, in dem sie den Abschluß bestätigte.
Bald darauf lieferte die Klägerin an den Beklagten auf Grund dieser Bestellung 204 kg solcher Zwiebel aus. Da den Kunden des Beklagten der Geruch der Zwiebel aber nicht zusagte, erklärte der Beklagte dem Vertreter R., als dieser einige Tage nach der Lieferung zum Inkasso erschien, er möchte die Restlieferung stornieren. R. erwiderte, daß er nicht stornieren könne, dazu müsse er erst rückfragen. In der Folge versuchte er, den Gatten der Klägerin, mit dem er seinen Vertretervertrag abgeschlossen hatte, zu erreichen, was ihm aber nicht gelang. R. erreichte im Betrieb der Klägerin nur einen gewissen Jakob L. Dieser führte im Betrieb der Klägerin die technischen Angelegenheiten, war aber nicht Gesellschafter. R. sah ihn aber als Teilhaber der klagenden Partei an. L. erklärte nun dem R., daß er dringend Geld benötige. Nun begab sich R. wieder zum Beklagten und sagte diesem, um wenigstens die Bezahlung der gelieferten Ware zu erhalten, er storniere das Geschäft, soweit die Ware noch nicht ausgeliefert sei. Daraufhin bezahlte der Beklagte dem R. die ausgelieferte Ware und R. schrieb quer über die von der Klägerin seinerzeit unterfertigte Auftragsbestätigung vom 14. Juli 1965:
"Storno 28. 7. 1965" und setzte dieser Erklärung sein Handzeichen bei. Einige Tage später trafen R. und der Beklagte einander zufällig. Der Beklagte fragte den R., ob er tatsächlich berechtigt gewesen sei, das Storno entgegenzunehmen. R. bejahte diese Frage infolge der an L. gemachten Mitteilung, gegen die dieser einen Einspruch nicht erhoben habe. Der Klägerin bzw. deren Gatten machte R. von dem Storno keine Mitteilung. Als die Klägerin am 7. Oktober 1965 beim Beklagten anfragte, wann sie den nächsten Teil der Bestellung ausliefern solle, antwortete der Beklagte überhaupt nicht. Als später ein neuer Vertreter der Klägerin den Beklagten aufsuchte und dieselbe Frage stellte, erklärte der Beklagte, der Auftrag sei bereits storniert. Erst jetzt erfuhr die Klägerin von dem Storno. Sie schrieb unverzüglich an den Beklagten, daß R. ihr von dem Storno nie etwas mitgeteilt habe, zur Entgegennahme desselben nicht berechtigt gewesen sei und sie es jedenfalls nicht anerkenne. Sie forderte den Beklagten auf, bis 6. Dezember 1965 zu erklären, ob er sich zu dem Abschluß noch bekenne. Auf die Erklärung des Beklagten, er sehe das von R. durchgeführte Storno als bindend an, brachte die Klägerin am 27. Dezember 1965 die gegenständliche Feststellungsklage ein.
Das Erstgericht gab der Klage statt.
Das Berufungsgericht bestätigte und sprach gemäß § 500 (2) ZPO. aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision behauptet, aus § 4 HVG. ergebe sich, daß der Handelsvertreter sehr wohl berechtigt sei, Erklärungen entgegenzunehmen, daß eine Ware zur Verfügung gestellt werde. Storno eines Rechtsgeschäftes bedeute ja nichts anderes als die Zurverfügungstellung der vertragsgegenständlichen Ware. Jedenfalls sei aber der Handelsvertreter auch Bevollmächtigter im Sinne der §§ 1029 - 1031 ABGB. Auch aus diesem Gründe sei anzunehmen, daß dem Handelsvertreter R. das Recht zustand, mit Rechtsverbindlichkeit für den Beklagten und die Klägerin ein Storno entgegenzunehmen. Das Berufungsgericht sei der irrigen Ansicht, daß das "Vertrauen auf den äußeren Tatbestand" unmittelbar vom anderen Vertragspartner hervorgerufen sein müsse. Richtig sei aber, daß auch der Vertreter und daher auch der Handelsvertreter beim Vertragspartner das Vertrauen auf den äußeren Tatbestand so erwecken könne, daß der Auftraggeber daraus verpflichtet werde, die Befugnisse des Handelsvertreters sind in den §§ 3, 4 HVG, umschrieben. Nach § 4 (4) HVG. können die Anzeige von Mängeln einer Ware, die Erklärung, daß eine Ware zur Verfügung gestellt wird, und andere Erklärungen, durch welche die Kundschaft ihre Rechte wahrt, auch dem Handelsvertreter gegenüber abgegeben werden. Die Zurückziehung eines Auftrages (Storno) kann jedoch als contrarius actus nur mit Zustimmung des anderen Vertragspartners rechtswirksam sein. Der Handelsvertreter ist keinesfalls ermächtigt, zu solchen Erklärungen namens des Unternehmers Stellung zu nehmen und die vom Dritten geltend gemachten Rechte anzuerkennen.
Es ist aber auch der Standpunkt der Revision nicht zutreffend, daß der Handelsvertreter selbst beim Vertragspartner das Vertrauen auf einen äußeren Tatbestand erwecken könne, der gegen den Geschäftsherrn wirke. Es ist im Gegenteil ständige Rechtsprechung, daß ein den Geschäftsherrn verpflichtendes Vertrauen des Gegners auf den äußeren Tatbestand nur dann in Frage kommt, wenn dieser äußere Tatbestand mit Zutun des Geschäftsherrn geschaffen wurde (z. B. EvBl. 1957 Nr. 129 und 303). Gerade die von der Revision herangezogene Entscheidung GlUNF. 4879 bestätigt dies, denn die mißbräuchliche Verwendung der Geschäftsstampiglie durch einen Angestellten wurde dem Unternehmer gegenüber deshalb als verbindlich angesehen, weil er diesen Mißbrauch durch Gestaltung der Verwendung der Stampiglie ermöglicht hatte. Im vorliegenden Fall kann jedoch keine Rede davon sein, daß der Kläger etwas dazu beigetragen hätte, daß beim Beklagten der Anschein erweckt wurde, als wäre die Stornierung vom Kläger gutgeheißen worden. Es ist vielmehr erwiesen, daß er nichts davon wußte und daß der Vertreter R. eigenmächtig gehandelt hat. Wenn aber der Beklagte darauf hinweist, daß seine späteren Zweifel an der Ermächtigung des R. zur Stornierung von diesem zerstreut wurden, so ist damit für den Beklagten deshalb nichts gewonnen, weil sich ja aus seinem eigenen Vorbringen ergibt, daß die klagende Partei selbst an der Beseitigung seiner Zweifel nicht mitgewirkt hat. Nur dann, wenn die klagende Partei irgendwie daran mitgewirkt hätte, könnte von einem von ihr geschaffenen äußeren Tatbestand gesprochen werden. Dies war aber hier nicht der Fall.
Da demnach die beklagte Partei aus ihren Vertragspflichten nicht wirksam entlassen wurde, haben die Untergerichte mit Recht dem Klagebegehren stattgegeben.
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