OGH 8Ob326/66

OGH8Ob326/6613.12.1966

SZ 39/212

Normen

ABGB §297
Rechtsüberleitung im Burgenland (Verordnung vom 29) Mai 1922, BGBl. Nr. 315, §1
Rechtsüberleitung im Burgenland (Verordnung vom 29) Mai 1922, BGBl. Nr. 315, §4
ABGB §297
Rechtsüberleitung im Burgenland (Verordnung vom 29) Mai 1922, BGBl. Nr. 315, §1
Rechtsüberleitung im Burgenland (Verordnung vom 29) Mai 1922, BGBl. Nr. 315, §4

 

Spruch:

Zum Keller- und Stockwerkseigentum im Burgenland

Entscheidung vom 13. Dezember 1966, 8 Ob 326/66

I. Instanz: Bezirksgericht Mattersburg; II. Instanz: Landesgericht Eisenstadt

Text

Der den Gegenstand des Rechtsstreites bildende Keller ist ein Teil des ehemaligen "Kirchenkellers", der unterhalb des sogenannten "M.- Hofes" mit den Häusern Nr. 3 (Grundstücknummer 252, Eigentümer Georg und Barbara H.), Nr. 5 und Nr. 7 (Grundstücknummer 253 und 256, Eigentümer die Beklagte) und Nr. 9 (Grundstücknummer 257, Eigentümer Johann S. u. a.) verläuft. Die Klägerin besitzt einen Kellerabgang auf dem ihr gehörigen Grundstück Nr. 266 EZ. 808 KG. M., das dem Grundstück der Beklagten Nr. 253 der EZ. 2583 KG. M. benachbart ist.

Das Straßenniveau entlang der Häuserzeile M. Nr. 3 bis Nr. 9 steigt vom Grundstück Nr. 252 (Haus Nr. 3) zum Grundstück Nr. 257 (Hausnummer 9) in der Weise an, daß sich die ursprünglich oberirdischen Kellerdecken auf der Höhe des Hauses der Beklagten (Nr. 5) mit dem Straßenniveau kreuzen und dann unter diesem erstrecken. Der unter dem Hause der Beklagten gelegene Kellerteil hebt sich durch etwa zwei Drittel der Hausfrontlänge über das Straßenniveau ab. Letzteres ist vor 1938 ungefähr 50 cm tiefer als heute gewesen. Bei dem Bau des Hauses haben die Mauern des daruntergelegenen Kellers als Fundament gedient. Der Keller selbst ist vor etwa 600 Jahren errichtet worden.

Der unter dem Grundstück Nr. 252 (Ehegatten H.) gelegene Keller ist in drei Abteilungen errichtet. Das erste Abteil benützen die Eheleute H. über den ursprünglich ersten und einzigen Eingang (Kellerraum Nr. 1), das zweite Kellerabteil (Kellerraum Nr. 2) die Beklagte über einen nachträglich errichteten Abgang. Das dritte Abteil (Kellerraum 3 a bis 3 d), das, baulich nicht sichtbar, an den streitigen Raum unter dem Haus Nr. 5 der Beklagten (Grundstücknummer 253) anschließt und sich dann noch unter dem Haus Nr. 7 weiter erstreckt, wird von der Klägerin über einen Abgang von dem Grundstück Nr. 266 benützt (Kellereingang III). Unter dem Grundstück Nr. 257 schließt an den Keller das sogenannte Preßhaus an. Die Trennmauern der Häuser Nr. 3 und 5 sind auf dem Kellergewölbe aufgesetzt.

Die gesamte Kelleranlage ist ehemals von Johann S. erworben worden; die unter den Grundstücken Nr. 253 und 256 befindlichen Räume sind jedoch um das Jahr 1916 an den Großvater der Klägerin verkauft worden. Dieser hat von dem Grundstück Nr. 266 her einen neuen Zugang angelegt. An der Grenze zwischen den Grundstücken Nr. 256 und 257 ist eine Trennmauer errichtet worden. Die Geschwister G. - damalige Eigentümer des Hauses Nr. 5 (Grundstücknummer 253) - haben dieses Haus im Jahre 1923 dem Vater der Beklagten verkauft. Einen Zugang zu dem daruntergelegenen Keller haben die Verkäufer nicht besessen; dieser Keller ist vielmehr von den Rechtsvorgängern der Klägerin benützt worden. Die Streitteile benützen auch heute nur die oben bezeichneten Kellerabteile. Die Beklagte hat einen den Gegenstand dieses Rechtsstreites bildenden Kellerteil nie benützt.

Nach dem derzeitigen Grundbuchstand gehört zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ. 808 der KG. M. das Grundstück Nr. 266, Haus Nr. 428, Hof und Scheune. Dieses Grundstück hat ursprünglich die Grundstücksnummer 266/2 gehabt. Es ist jedoch auf Grund des Anmeldungsbogens Nr. 46/33 mit dem unter Grundstücknummer 266/1 ausgewiesenen Keller zum Grundstück Nr. 266 vereinigt worden. Die EZ. 808 hat vor der Grundbuchsanlegung die Einlagezahl 1005 getragen. Diese Einlagezahl wies in ihrem Gutsbestand ebenfalls die Grundstücke 266/1 (Keller) und 266/2 auf, wobei als Eigentümer dieser Einlage Josef und Maria K., die Großeltern der Klägerin, eingetragen waren. Nach der Eintragung im Eigentumsblatt grundete sich das Eigentumsrecht auf den Rechtstitel des Kaufes und in Ansehung des Grundstückes Nr. 266/1 (Keller) überdies auf den tatsächlichen Besitz. Die Katastermappe aus dem Jahre 1910 weist als nachträgliche Änderung an der Grenze des Grundstückes Nr. 266 zur Grenze des Grundstückes Nr. 253 eine Signatur "strichlierter Halbkreis" auf. Diese Signatur kennzeichnet in der ungarischen Mappe einen Kellereingang, ohne daß das Flächenausmaß des Kellers und dessen genaue Lage näher festgehalten ist. Im Jahre 1914 ist die Stammparzelle Nr. 266 in die Grundstücke Nr. 266/1 und 266/2 unterteilt worden, wobei das Grundstück Nr. 266/1 als "unterirdischer Keller" aufgenommen wurde.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, das Eigentumsrecht - in eventu das Servitutsrecht - der Klägerin an dem unter dem Hause der Beklagten Konskriptionsnummer 513 in der Parzelle 253 der EZ. 2538 des Grundbuches M. gelegenen Keller anzuerkennen und in die Einverleibung des Eigentumsrechtes - Servitutsrechtes - der Klägerin an diesen Keller einzuwilligen.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig einzuwilligen, daß für den unter dem der beklagten Partei gehörigen Grundstück Nr. 253 gelegenen Keller eine neue Grundbuchseinlage eröffnet und in dieser Einlage das Eigentumsrecht für die Klägerin einverleibt werde.

Das Erstgericht zog den rechtlichen Schluß, die Klägerin habe nachweisen können, daß der Keller im Jahre 1911 von ihren Rechtsvorgängern gekauft und seither ununterbrochen benützt worden sei. Der Keller sei auch bis 1935 im Grundbuch als eigenes Grundstück verbüchert gewesen. Auf Grund dieser Feststellungen und Erwägungen gelangte das Erstgericht zur Stattgebung des Klagebegehrens (Hauptbegehrens).

Das Berufungsgericht befaßte sich mit der Mängel- und Beweisrüge der Berufung nicht, weil es bereits auf Grund der Rechtsrüge zu einer Abweisung des Haupt- und Eventualbegehrens gelangte. Ungeachtet des Umstandes, daß der von der Klägerin benützte Keller in seiner Gesamtheit unter den Grundstücken Nr. 252, 253 und 256 verlaufe, gehe das Klagebegehren lediglich dahin, daß das Eigentumsrecht der Klägerin an dem unter dem Grundstück Nr. 253 liegenden Keller einverleibt werde. Es solle also das Kellerrecht nur in Ansehung von Raumteilen des eine bauliche Einheit bildenden Kellers begrundet werden. Dies sei aber unzulässig. Die Klage auf Einverleibung des Eigentumsrechtes könne nur in Ansehung des gesamten Kellerraumes erhoben werden, müsse sich diese Klage gegen alle Eigentümer aller jener Grundstücke richten, unter denen sich der Keller befinde, also auch gegen die Eigentümer des Grundstückes Nr. 252 Georg und Barbara H., die mit der beklagten Partei eine einheitliche Streitpartei zu bilden hätten. Das streitige Rechtsverhältnis könne nämlich nur gegen alle Eigentümer der Grundstücke 252, 253 und 256 festgestellt werden.

Da der Keller überdies zum Teil über die Oberfläche der Grundstücke hinausrage, sei auch aus diesem Gründe eine Verbücherung des Kellerrechtes im Sinne des Hauptbegehrens nicht möglich.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist herrschende Lehre und Rechtsprechung, daß Keller, die sich unter fremdem Grund befinden, als selbständige Rechtsobjekte neben der Grundfläche, unter der sie sich befinden, anzusehen sind, eigene Grundbuchskörper bilden und Grundbuchseinlagen erhalten können (JBl. 1934 S. 189). Im vorliegenden Fall wurde aber der Keller nicht etwa unter der Grundoberfläche errichtet, er ragte vielmehr über diese hinaus und diente gleichzeitig den Häusern Nr. 3, 5 und 7 als Fundament. Dessenungeachtet befand er sich nicht im Eigentum der Eigentümer dieser Häuser, sondern im Eigentum der Rechtsvorgänger der Klägerin. Dieses Eigentumsverhältnis kam dadurch zum Ausdruck, daß im Gutsbestandsblatt der EZ. 1005 der Keller unter der Grundstücksbezeichnung 266/1 aufschien und derselbe Gutsbestand in die an die Stelle der EZ. 1005 getretene EZ. 808 nach der Grundbuchsanlegung übertragen wurde. Es handelt sich hier in Wahrheit um ein nach Geschossen geteiltes Eigentum. Solche Eigentumsverhältnisse waren zur Zeit der Begründung des Eigentums am Keller vor dem Jahre 1922 im Burgenland, wo das ungarische Privatrecht damals in Geltung stand, zulässig (vgl. Almasi, Ungarisches Privatrecht, 1923, II. Band, S. 17, Fußnote 2). Das Gesetz vom 30. März 1879, RGBl. Nr. 50, das die Begründung von Eigentum an materiellen Teilen eines Gebäudes untersagte, ist im Burgenland erst mit dem Inkrafttreten der Verordnung vom 29. Mai 1922, BGBl. Nr. 315, wirksam geworden (vgl. §§ 1 und 4 der Verordnung). Im Zeitpunkte des Inkrafttretens der Verordnung bereits begrundete Rechtsverhältnisse blieben in ihrem Bestand unberührt (§ 2 der Verordnung und Abs. 5 des Kundmachungspatentes zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch vom 1. Juni 1811). Da nach den Feststellungen des Erstgerichtes das Eigentum der Rechtsvorgänger der Klägerin an dem unter den Häusern Nr. 3, 5 und 7 befindlichen Keller bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 30. März 1879, RGBl. Nr. 50, im Burgenland begrundet war, ist es durch die irrtümliche Vereinigung des Grundstückes 266/1 (Keller) mit dem Grundstück 266/2 zum Grundstück 266 (Haus) zufolge Beschlusses des Bezirksgerichtes Mattersburg vom 16. Februar 1935 nicht erloschen. Es wäre daher der Anspruch der Klägerin auf Anerkennung ihres Eigentumsrechtes am Keller und auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes ob der für den Keller zu bildenden Grundbuchseinlage gegeben. Das Berufungsgericht ist aber insofern im Recht, als es die materielle Teilung des Kellers nunmehr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 30. März 1879, RGBl. 50, im Burgenland (1922) ablehnt. Dennoch könnte das Klagebegehren ungeachtet dessen, daß es nur von einem unter dem Hause der Beklagten Konskriptionsnummer 513 in der Parzelle 253 gelegenen Keller spricht, zum Erfolg führen, wenn die Klägerin in der Lage ist, einverleibungsfähige Urkunden beizubringen, in denen auch die Eigentümer des Grundstückes 252 Georg und Barbara H. das Eigentum der Klägerin an dem auf ihrem Grundstück 252 befindlichen Keller anerkennen und in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin an diesem Keller einwilligen. In diesem Fall könnte das beantragte Urteil, das allerdings auch zum Ausdruck bringen müßte, daß der Keller nicht nur auf dem Grundstück 253, sondern auch auf dem Grundstück 256 der Beklagten errichtet ist, im Zusammenhang mit den urkundlich niedergelegten Erklärungen der Gründeigentümer Georg und Barbara H. die Grundlage zur Bildung eines Grundbuchskörpers für den Keller der Klägerin bilden. Es ist also nicht notwendig, die Klage unter allen Umständen gegen alle Eigentümer zu richten, auf deren Grund der klagsgegenständliche Keller errichtet ist. Da aber mit Rücksicht auf den oben wiedergegebenen Rechtsstandpunkt des Obersten Gerichtshofes das Verfahren in erster Instanz noch einer Erörterung mit den Parteien bedarf, waren die Urteile der Untergerichte aufzuheben und war die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Abschließend sei nochmals darauf hingewiesen, daß die Begründung von Eigentum an Kellerabteilen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 30. März 1879, RGBl. Nr. 50, nicht mehr zulässig ist. Es konnten daher solche Eigentumsverhältnisse wirksam auch durch die Vereinbarung vom 21. April 1964 nicht begrundet werden, abgesehen davon, daß diese Urkunde nicht den Bestimmungen des Grundbuchsrechtes über die Verbücherung dinglicher Rechte entspricht. Die erwähnte Vereinbarung konnte überdies ebensowenig wie die mit der Revision vorgelegte Anerkenntnis- und Aufsandungserklärung vom 13. Oktober 1966 wegen des im Revisionsverfahren geltenden Neuerungsverbotes (§ 504 (2) ZPO.) beachtet werden.

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