OGH 1Ob242/66

OGH1Ob242/6610.11.1966

SZ 39/191

Normen

ABGB §46
ABGB §869
ABGB §1295
ABGB §46
ABGB §869
ABGB §1295

 

Spruch:

Schadenersatzpflicht aus einer nur zum Scherz abgegebenen Verlöbniserklärung

Entscheidung vom 10. November 1966, 1 Ob 242/66

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz

Text

Im Jahre 1961 hat die damals 27 Jahre alte Beklagte gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Julius F. ein Gasthaus in Graz gepachtet; dort lernte sie der damals 57 Jahre alten Kläger kennen. Im Oktober oder November 1961 stellte ihm die Beklagte ihren Lebensgefährten F. als ihren Vater vor und erwähnte, sie bekomme 500.000 S Mitgift. Der Kläger erklärte, er habe 30.000 S bis 40.000 S erspart, möchte ein Gasthaus pachten und suche eine Frau. Die Beklagte beantwortete zustimmend die Frage des Klägers, ob sie sich mit ihm verloben wolle; darauf wurde am 29. November 1961 in einem Nebenzimmer des Gasthauses für sechs bis acht Gäste eine Verlobungsfeier arrangiert, deren Zeche von 1300 S der Kläger bezahlte. Ihm war nicht erkennbar, daß die Beklagte bei ihrer Zustimmung nur einen Scherz machte. Im Laufe des Jahres 1961 bis Februar 1962 kam der Kläger noch einige Male von E., wo er als Bergmann arbeitete, in das Gasthaus der Beklagten nach Graz. Da er gern sang und Gefallen daran hatte, wenn ihm die Gäste Beifall spendeten, trug er bei jeder Gelegenheit zur Unterhaltung der Besucher bei und zahlte deren Zeche, jeweils 300 bis 800 S. Im November und Dezember 1961 übersandte der Kläger zweimal 300 S, die er schuldig geblieben war, weil er nicht genug Geld bei sich hatte, mit der Post an die Beklagte. Als der Kläger 1962 den Plan äußerte, das Gasthaus einer gewissen Frau P. in P. zu pachten, sagte die Beklagte, sie werde mit nach P. ziehen, der Kläger werde aus dem Gasthaus ein schönes Einkommen haben, jedoch machte sie auch diese Äußerungen nur im Scherz. Am 22. März 1962 beendete der Kläger seine Tätigkeit als Bergmann und übersiedelte nach P. Er übergab der Frau P. 28.000 S als Kaution und Zinsvorauszahlung. Kurz darauf wurde der Pachtvertrag infolge Versteigerung der Liegenschaft, auf der sich das Gasthaus befand, aufgelöst. Frau P. zahlte die 28.000 S in Monatsraten von 800 S zurück. Der Kläger kam anfangs April nach Graz und erhielt auf seine Bitte Unterkunft, Verpflegung und einen Raum zum Abstellen seiner Möbel gegen Arbeitsleistung in der von F. gepachteten Landwirtschaft. Erst zu Pfingsten 1962 erfaßte der Kläger, daß die Beklagte die Lebensgefährtin F.'s sei, auf dessen Entfernung er drang; auch erinnerte er sie an das Verlöbnis. Die Beklagte wies seine Annäherungsversuche ab und erklärte, der Kläger müsse warten, bis sie mit F. Schluß mache. Im Herbst 1962 bat die Beklagte den Kläger, zu der Umgestaltung ihrer früheren Gasthausküche in ein Wohnzimmer beizusteuern, damit sie beide dort wohnen könnten; ab September 1962 gab ihr der Kläger in den sechs folgenden Monaten je 800 S, wurde aber als Mitbewohner nicht zugelassen und blieb bis Ende November 1963 bei F. Im Herbst (1962) übergab der Kläger der Beklagten, die er als seine Braut betrachtete, 2000 S zum Ankauf eines Pelzmantels. Im Sommer 1963 erklärte die Beklagte eindeutig, sie denke nicht daran, den Kläger zu heiraten, er hoffte bis März 1964 auf eine Versöhnung und verlangte dann erst den Ersatz seiner Aufwendungen.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger von der Beklagten wegen "Nichteinhaltung ihres Heiratsversprechens sowie Verlöbnisbruches" folgende Beträge:

Zeche der Verlöbnisfeier ................................... S

1.300.- Verschiedene andere Zechen von Jänner 1962 bis Sommer 1963

S 12.949.- Beitrag zur Umgestaltung der Küche (siebenmal 800 S)

....... S 5.600.- Anschaffung eines Wintermantels

............................ S 2.000.- ------------ Zusammen ... S

21.849.-

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und bestritt, mit dem Kläger jemals verlobt gewesen zu sein. Dieser habe ihre Gäste freigehalten, um sich bei ihnen beliebt zu machen, der Kläger habe sein ganzes Geld für das Gasthaus P. verwendet und sei deshalb gar nicht in der Lage gewesen, die behaupteten Aufwendungen zu machen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nur hinsichtlich 6800 S (sechsmal 800 S für den Küchenumbau und 2000 S für den Pelzmantel) Folge und wies das auf 15.049 S gerichtete Mehrbegehren ab. Ein ernsthaftes Verlöbnis der Streitteile habe zwar nicht bestanden, doch müsse die Beklagte den Schaden des Klägers, den sie durch ihre Scherzerklärung verursacht habe, ersetzen. Die verschiedenen für Zechen ausgelegten Beträge habe die Beklagte nicht zu ersetzen, weil der Kläger auf sie den bestmöglichen Eindruck habe machen wollen, er sei auch bestrebt gewesen, vor den Gästen als Sänger und freigebiger Gastgeber dazustehen; die Beklagte habe die Gegenleistung an Getränken erbracht, es sei ihr nur ein geringer Gewinn zugeflossen. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen den Zechen und dem Verlöbnis bzw. der Weigerung der Beklagten, den Kläger zu ehelichen.

Die Berufung der Beklagten gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils blieb erfolglos.

Der Kläger ließ die Abweisung seines auf 800 S (7. Monatsbeitrag zum Küchenumbau) gerichteten Begehrens unangefochten und erhob Berufung wegen der Abweisung von 14.249 S (Kosten der Verlöbnisfeier und andere Zechereien).

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, sprach ihm weitere 1300 S (Kosten der Verlöbnisfeier) zu und bestätigte die Abweisung seines noch verbleibenden Mehrbegehrens von

13.749 S. Die Kosten der Verlöbnisfeier seien als verlorener Aufwand anzusehen, der dem Kläger zu ersetzen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es steht fest, daß der Kläger die Zustimmung der Beklagten zur Verlobung nicht als scherzhafte Willenserklärung erkannt hat. Der Meinung der Untergerichte, daß die dem Kläger fehlende Einsicht erheblich sei, ist beizupflichten. Reine Tatfrage ist, ob eine Willenserklärung als ernstlich aufzufassen ist (RiZ 1961 S. 13; 6 Ob 312/62 u. a.) und ob die mangelnde Ernstlichkeit vom Erklärungsempfänger erkannt wurde. Der Oberste Gerichtshof hat also diesbezüglich von den Feststellungen der Untergerichte auszugehen. Rechtsprechung und Lehre stimmen überein, daß Scherzerklärungen dann nicht ungültig sind, wenn der Mangel der Ernstlichkeit aus der Art der Äußerung und den Begleitumständen objektiv, insbesondere aber dem Erklärungsempfänger nicht erkennbar war oder von ihm nicht erkannt wurde. Es ist angemessen, dem unter Ausnützung seiner Einfalt Düpierten den Ersatz seines Schadens zuzusprechen. Hatte der Erklärende fälschlich gemeint, die fehlende Ernstlichkeit seiner Erklärung sei objektiv oder doch wenigstens dem Empfänger erkennbar, während beides nicht der Fall war, so gilt die Erklärung (Gschnitzer in Klang[2] IV/1 99 zu § 869; EvBl. 1955 Nr. 325 und 1958 Nr. 235 u. a.). Nur der Vollständigkeit halber sei noch festgehalten, daß die Beklagte selbst den Kläger wiederholt zuletzt noch in der Revision als beschränkt bezeichnete, was die Berechtigung der Annahme der Untergerichte, dem Kläger sei die Absicht der Beklagten, nur eine Scherzerklärung abzugeben, verborgen geblieben, als er die ihm zugesprochenen Ausgaben gemacht hatte, noch unterstreicht.

Die Revision ist insofern gesetzwidrig ausgeführt, als sie davon ausgeht, dem Kläger sei die Lebensgemeinschaft der Beklagten mit F. bereits am 29. November 1961 bekannt gewesen, während er nach den untergerichtlichen Feststellungen diese Tatsache erst zu Pfingsten 1962 erfaßte, dann aber in seiner offenkundigen Primitivität von der Beklagten weiter hingehalten wurde.

Der unbegrundeten Revision war daher nicht Folge zu geben.

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