OGH 5Ob207/66 (5Ob208/66)

OGH5Ob207/66 (5Ob208/66)13.10.1966

SZ 39/167

Normen

AO §23 Z1
AO §24 (2)
AO §53a
AO §23 Z1
AO §24 (2)
AO §53a

 

Spruch:

Für bevorrechtete Forderungen nach § 23 Z. 1 AO. gilt die Vorschrift des § 53a (1) AO. nicht

Dies gilt auch für Forderungen, die bloß gemäß § 24 (2) AO. als bevorrechtete Forderungen anzusehen sind

Entscheidung vom 13. Oktober 1966, 5 Ob 207, 208/66

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Mit der vorliegenden Klage begehrte die klagende Speditionsfirma die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihr einen Betrag von 140.061.44 S samt 12% Zinsen seit 13. Oktober 1964 zu bezahlen. Das Begehren wurde auf die Behauptung gestützt, daß die Erstbeklagte, deren persönlich haftende Gesellschafter der Zweit- und der Drittbeklagte seien, ihr am 12. Oktober 1964, dem Tag der Ausgleichseröffnung zu Sa .../64 des Handelsgerichtes W., einen Betrag von 164.979.93 S für auftragsgemäß erbrachte Speditionsleistungen geschuldet habe. Von diesem Betrag seien 140.061.44 S auf Zollvorlagen, somit auf eine bevorrechtete Forderung entfallen. Der Betrag der bevorrechteten Forderung sei von der Ausgleichsschuldnerin und dem Ausgleichsverwalter in dieser Höhe anerkannt worden. Bei der Tagsatzung vom 11. Jänner 1965 sei der Ausgleich zustande gekommen, demgemäß die bevorrechteten Forderungen im Sinne der §§ 23 und 46 AO. durch den Ausgleich nicht berührt würden. Die Bestätigung dieses Ausgleiches sei mit Beschluß vom 30. März 1965 für rechtskräftig erklärt worden. Die Klägerin begehre von der als bevorrechtet anerkannten Forderung auch die vereinbarten und nach dem Speditionstarif gebührenden Zinsen.

Die Beklagten wendeten ein, daß der Drittbeklagte nicht mehr Gesellschafter der erstbeklagten Partei sei. Sie bestritten ferner, daß der Klägerin noch eine Forderung von 140.061.44 S zustehe, weil die Erstbeklagte an die Klägerin Waren im Wert von 60.000 S verkauft habe, um welchen Betrag sich die eingeklagte Forderung infolge Aufrechnung verringere. Im übrigen wurde das Klagsvorbringen als richtig zugegeben und außer Streit gestellt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme unter Hinweis auf die Vorschrift des § 53a (1) AO. ab. Die Klägerin besitze nach ihren eigenen Behauptungen für die eingeklagte Forderung einen Exekutionstitel, weshalb ihr das Rechtsschutzinteresse für das Klagebegehren fehle.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstrichters hinsichtlich eines Betrages von 80.061.44 S samt 12% Zinsen seit 13. Oktober 1964 als Teilurteil dahin ab, daß es der Klage in diesem Umfang stattgab. Im übrigen, also hinsichtlich der restlichen Forderung von 60.000 S s. A., hob das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes ohne Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache insoweit an das Erstgericht zur Fortsetzung des Verfahrens und neuerlichen Urteilsfällung zurück. Das Teilurteil des Berufungsgerichtes grundet sich auf die Überlegung, daß nach § 53a

(2) AO. nur für die im § 23 Z. 2 bis 5 AO. genannten bevorrechteten Forderungen durch die Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis, insoweit sie weder vom Schuldner noch vom Ausgleichsverwalter bestritten würden, nach rechtskräftiger Bestätigung des Ausgleiches ein Exekutionstitel geschaffen werde, während für andere bevorrechtete Forderungen die Bestimmung des § 53a (1) AO. nicht gelte. Für diese zuletzt erwähnten Forderungen bedürfe es der Schaffung eines Titels im Klagewege. Die Klagsforderung betreffe die Vorlage von Zollbeträgen. Zollbeträge seien nach § 23 Z. 1 AO, bevorrechtete Forderungen. Nach § 24 (2) AO. komme der Ersatzforderung des Gläubigers für eine solche, für den Schuldner bezahlte bevorrechtete Forderung die gleiche Qualifikation zu. Durch die Aufnahme und Anerkennung der Ersatzforderung für die Zollvorlagen der Klägerin in das Anmeldungsverzeichnis sei daher kein Exekutionstitel geschaffen worden. Da der Zweit- und Drittbeklagte für die Forderungen gegen die Erstbeklagte gemäß § 128 bzw. §§ 128, 159 HGB. haften, sei daher das Urteil hinsichtlich des unstrittig noch nicht bezahlten Betrages von 80.061.44 S s. A. in Klagsstattgebung abzuändern.

Der Oberste Gerichtshof gab der gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der beklagten Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagten stehen nach wie vor auf dem Rechtsstandpunkt, daß der Klägerin hinsichtlich des mit Urteil des Berufungsgerichtes zugesprochenen Betrages bereits auf Grund der Anmeldung im Ausgleich über das Vermögen der erstbeklagten Partei ein Exekutionstitel zur Verfügung stehe und daß die Klägerin deshalb nicht berechtigt sei, den Betrag neuerlich einzuklagen. § 53a (2) AO. sei aus der Absicht des Gesetzgebers dahin zu verstehen, daß nur solche Forderungen, für die im Verwaltungsverfahren jederzeit ein Exekutionstitel geschaffen werden könne, von der Vorschrift des § 53a (1) AO, ausgenommen seien. Dies ist jedoch unrichtig.

Nach der zutreffenden Auffassung Pollaks dürfen und können im Ausgleichsverfahren nur für die Forderungen einzelner Gläubiger Exekutionstitel geschaffen werden, und zwar kraft der erschöpfenden gesetzlichen Norm nur für die Forderungen von Ausgleichsgläubigern und für jene von den im § 23 Z. 2 bis 5 AO. genannten bevorrechteten Gläubigern (Bartsch - Pollak: Ausgleichsordnung, Anfechtungsordnung, Einführungsverordnung, Geschäftsaufsichtsgesetz, 1937 II S. 8 Anm. 7 zur Einleitung). Im Ausgleichsverfahren werden daher keine Exekutionstitel für Forderungen geschaffen, die überhaupt nicht zu den Ausgleichsforderungen zählen, ebensowenig aber auch für sämtliche bevorrechtete Forderungen im Sinne des § 23 Z. 1 AO., ohne Rücksicht darauf, ob sie im Ausgleich angemeldet und anerkannt wurden. "Der scharfe Gesetzesbefehl im § 53 (2) AO. ("finden ... keine Anwendung") schließt es aus, durch Auslegung die Vorschrift des § 53a (1) AO. auch auf andere als im Abs. 2 genannte Forderungen anzuwenden" (Pollak a. a. O. S. 448, Anm. 10 zu § 53a AO.). Der von der Revision bekämpften Auffassung des Berufungsgerichtes haftet daher kein Rechtsirrtum an.

Da die Beklagten die Behauptung der Klägerin, daß die Klagsforderung aus einer Zollvorlage resultiere, nicht bestritten und ihr Rechtsstandpunkt nur aus der Auffassung verständlich ist, daß es sich bei der Forderung der Klägerin um eine bevorrechtete Ausgleichsforderung im Sinne des § 23 Z. 1 AO. in Verbindung mit § 24 (2) AO. handle, erübrigte sich eine weitere Erörterung und Feststellung darüber, welches Rechtsverhältnis zur Erstbeklagten dem Rückforderungsanspruch der Klägerin zugrunde lag (vgl. SZ. VIII 235, SZ. XVI 119, EvBl. 1960 Nr. 29).

Obwohl das Erstgericht keine Feststellungen über den Zeitpunkt des behaupteten Ausscheidens des Drittbeklagten als Gesellschafter der erstbeklagten Partei traf, bekämpft die Revision die Auffassung des Berufungsgerichtes nicht, daß hinsichtlich des Drittbeklagten die Voraussetzungen seiner Haftung gemäß §§ 128, 159 HGB. gegeben seien. Es ist daher davon auszugehen, daß die tatsächlichen Voraussetzungen für diese Annahme des Berufungsgerichtes gegeben sind. Deshalb sind auch in diesem Belange keine Feststellungsmängel anzunehmen.

Somit erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichtes als der Sach- und Rechtslage gemäß, weshalb der Revision der Erfolg zu versagen war.

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