Spruch:
Der Anspruch des Miteigentümers auf Herausgabe eines aliquoten Teiles der vom anderen Miteigentümer bezogenen Nutzungen gehört auf den Rechtsweg
Entscheidung vom 11. Oktober 1966, 8 Ob 296/66
I. Instanz: Bezirksgericht Liesing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von 7000 S s. A. als ihr gebührenden Anteil an den Zinseinnahmen, die der Beklagte durch Vermietung von Räumlichkeiten eines den beiden Streitteilen je zur Hälfte gehörigen Hauses bezogen und zur Gänze für sich behalten habe.
Der Beklagte wendete u. a. ein, daß ein Anspruch wie der klagsgegenständliche nur im Außerstreitverfahren geltend gemacht werden könne.
Der Erstrichter schloß sich der Ansicht des Beklagten an und wies die Klage nach abgesonderter Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede zurück.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge. Es hob den Beschluß der ersten Instanz auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Gegenstand der Klage sei der nach § 839 ABGB. zu beurteilende Anspruch auf Herausgabe des auf die Klägerin entfallenden Anteiles an den Erträgnissen, die der Beklagte durch eigenmächtige Vermietung mehrerer nicht von der Benützungsvereinbarung vom 13. Oktober 1948 betroffenen Räumlichkeiten des gemeinsamen Hauses bezogen habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs ist zulässig.
Mit der in die Form eines Aufhebungsbeschlusses gekleideten Entscheidung des Rekursgerichtes wurde der Beschluß der ersten Instanz dahin abgeändert, daß die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten zurückgewiesen wurde. Auf eine derartige nach Durchführung einer abgesonderten Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede ergangene Entscheidung des Rekursgerichtes findet die Bestimmung des § 527 (2) ZPO. keine Anwendung.
Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Die Meinung des Beklagten, das Klagebegehren laufe auf die Leistung eines Ausgleichsbetrages hinaus, den der Beklagte dafür zu zahlen habe, daß er nach der Behauptung der Klägerin einen größeren Teil des gemeinsamen Hauses benütze, als ihm nach den Miteigentumsanteilen zustehe, trifft nicht zu. Die Leistung einer Ausgleichszahlung hat eine gleichzeitig ergehende oder bereits bestehende Benützungsregelung zur Voraussetzung. Die Ausgleichszahlung soll einen Ausgleich dafür schaffen, daß einer der Miteigentümer berechtigterweise einen größeren Teil der gemeinsamen Sache benützt, als ihm auf Grund seines Miteigentumsanteiles zusteht. Eine Ausgleichszahlung ist also nur auf dem Boden einer Benützungsregelung denkbar. Im vorliegenden Fall besteht aber nach dem in diesem Belange übereinstimmenden Vorbringen der Parteien hinsichtlich der klagsgegenständlichen Räume keine Benützungsvereinbarung. Es wird auch nicht etwa mit der Klage eine Benützungsregelung durch das Gericht angestrebt. Die Klägerin begehrt vielmehr vom Beklagten die Herausgabe des auf sie entfallenden Anteiles an den Nutzungen mehrerer Räumlichkeiten des gemeinsamen Hauses, die von der bestehenden Benützungsvereinbarung nicht erfaßt seien. Die Geltendmachung eines derartigen Anspruches ist durch keine gesetzliche Bestimmung dem Rechtsweg entzogen.
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