OGH 5Ob187/66

OGH5Ob187/666.10.1966

SZ 39/162

Normen

ABGB §1017
Betriebsrätegesetz §24 (2)
WechselG Art8
ZPO §557 (2)
ABGB §1017
Betriebsrätegesetz §24 (2)
WechselG Art8
ZPO §557 (2)

 

Spruch:

Die Frage der Haftung des Wechselschuldners aus einem durch seinen Vertreter unterfertigten Wechsel ist nach bürgerlichem Recht zu beurteilen

Die Haftung des Vertretenen ist auch dann gegeben, wenn der Wechsel nur von einem kollektivzeichnungsberechtigten Vertreter mit Zustimmung der übrigen unterfertigt ist. Diese Genehmigung kann auch nachträglich und durch schlüssige Handlungen erklärt werden

Wurde der Wechsel vom gesetzlichen Vertreter des Wechselschuldners (vom vertretungsbefugten Organ einer juristischen Person) in dessen (deren) Namen unterfertigt, bedarf es zur Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages keines urkundlichen Nachweises der Vollmacht, sofern kein Zweifel darüber besteht, daß dem Vertreter die entsprechende Funktion zukommt

Entscheidung vom 6. Oktober 1966, 5 Ob 187/66

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz

Text

Unter Vorlage eines protestierten Wechsels vom 3. August 1965 beantragte die klagende Partei mit der als "Wechselklage mit Protest" überschriebenen Eingabe vom 15. Oktober 1965 die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages, mit welchem dem Wechselaussteller und dem Betriebsratsfonds der Fabrik X-AG. als Akzeptant zur ungeteilten Hand die Bezahlung der Wechselsumme von 90.000 S samt Zinsen und Spesen oder die Einbringung von Einwendungen dagegen aufgetragen werde.

Das Erstgericht erließ den beantragten Wechselzahlungsauftrag.

Dagegen erhob nur der Betriebsratsfonds der Fabrik X-AG. rechtzeitig materielle und formelle Einwendungen. Letztere sind auf die Behauptung gestützt, daß die aus dem Wechsel als Annehmer ersichtliche beklagte Partei durch die Unterfertigung des Wechsels seitens des damaligen Betriebsratsobmannes Ernst K. nicht wechselrechtlich verpflichtet worden sei, weil bei der Fabrik X-AG. zwei Betriebsräte, nämlich ein Arbeiter- und ein Angestelltenbetriebsrat, bestunden und die gesetzliche Vertretung des Betriebsratsfonds nur beiden Betriebsratsobmännern oder deren Stellvertretern gemeinsam obliege. Überdies bedürfe die Anweisung zu Leistungen aus dem Betriebsratsfonds bei getrennten Betriebsräten neben der Zeichnung der beiden Obmänner auch der Gegenzeichnung des oder der Kassenverwalter. Der vorliegende Wechsel sei jedoch nur von Ernst K. unterfertigt.

Demgegenüber brachte die klagende Partei u. a. vor, daß Ernst K. zusammen mit den anderen Betriebsräten noch vor Ausstellung des gegenständlichen (Prolongations-)Wechsels ausdrücklich bestätigt habe, zur Ausstellung des ursprünglichen Wechsels allein vertretungsberechtigt gewesen zu sein, da nach interner Abmachung hinsichtlich der auf den Arbeiterbetriebsrat entfallenden Umlagen dem Angestelltenbetriebsrat kein Mitspracherecht zustehe. Deshalb habe die beklagte Partei auch in der Folge ein für sie von Ernst K. als Betriebsratsobmann gefertigtes anderes Akzept eingelöst. Emst K. habe bei der Unterfertigung des dem Wechselzahlungsauftrag zugrunde liegenden Wechsels im Einvernehmen mit dem Betriebsrat gehandelt, und der äußere Tatbestand spreche dafür, daß er seine Unterschrift namens der beklagten Partei abgegeben habe. Zumindest sei seine Unterschriftsleistung nachträglich saniert worden.

Mit dem Urteil vom 9. Dezember 1965 hob das Erstgericht seinen Wechselzahlungsauffrag auf. Es stellte fest, daß im Betrieb der Fabrik X-AG. getrennte Betriebsräte der Arbeiter und Angestellten zu wählen sind und daß tatsächlich ein Betriebsrat der Arbeiter und ein solcher der Angestellten gewählt wurde. Ferner stellte das Erstgericht fest, daß sich aus dem von der Klägerin zum Nachweis für die Berechtigung des Ernst K., namens der beklagten Partei zu fertigen, vorgelegten Schreiben eine solche Zeichnungsberechtigung nicht ergebe. Darin werde lediglich bestätigt, daß Ernst K. für den Arbeiterbetriebsrat zeichnungsberechtigt sei.

In rechtlicher Beziehung schloß sich das Erstgericht der Ansicht der beklagten Partei an, wonach die Verwaltung des Betriebsratsfonds bei getrennten Betriebsräten der Arbeiter und der Angestellten beiden Betriebsratsobmännern bzw. deren Stellvertretern gemeinsam obliege und nur beide Obmänner gemeinsam die gesetzlichen Vertreter des Fonds seien. Der von Ernst K. allein unterfertigte Wechsel erzeuge daher keine Wechselverbindlichkeit der beklagten Partei.

Über Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das Urteil erster Instanz unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Das Berufungsgericht trat der Auffassung des Erstgerichtes bei, daß Ernst K. als Obmann des Arbeiterbetriebsrates allein die beklagte Partei nicht wechselmäßig verpflichten könne. Die Sache sei aber noch nicht spruchreif, weil das Erstgericht zur Behauptung der Klägerin, daß Ernst K. bei der Annahme des Wechsels im Einvernehmen mit dem Betriebsrat gehandelt habe und daß seine Unterschriftsleistung nachträglich saniert worden sei, weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Beziehung Stellung genommen habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen erhobenen Rekurs der beklagten Partei nicht Folge,

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Frage, ob und mit welcher Wirkung die Vertretung bei der Wechselzeichnung zulässig ist, also der Vertretene wechselmäßig zu haften hat, mangels einer entsprechenden Vorschrift im Wechselgesetz nach bürgerlichem Recht zu beurteilen (Stranz, Wechselgesetz[14] S. 70, 13. Aufl. S. 128, Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, S. 41, SZ. XXIX 42). Ebenso stimmen Lehre und Rechtsprechung darüber überein, daß im Falle der freiwilligen oder notwendigen Vertretung einer Person durch mehrere nur kollektivzeichnungsberechtigte Vertreter eine wechselmäßige Verbindlichkeit des Vertretenen auch dann eintritt, wenn der Wechsel formgerecht nur von einem von ihnen unterzeichnet ist, die übrigen Vertreter aber - sei es formell, sei es formlos - einwilligen oder genehmigen. Die Genehmigung kann auch nachträglich und durch schlüssige Handlungen erklärt werden (Jakobi, Wechsel- und Scheckrecht, S. 242, Stanzl, a. a. O. S. 40, Stranz[14] S. 71, 13. Aufl. S. 133, SZ. XXV 114, JBl. 1965 S. 371, AC. 2098, Rechtsprechung 1927 Nr. 95, Rechtsprechung 1934 Nr. 225, Zentralblatt 1918 Nr. 154, RG. Band 118 S. 168). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß die beklagte Partei - für die nach den Feststellungen des Erstgerichtes getrennte Betriebsräte der Arbeiter und Angestellten zu wählen sind und die daher nach dem Gesetz (§ 24

(2) BRG.) allerdings durch die Obmänner (Stellvertreter) beider Betriebsräte vertreten wird - wechselmäßig auch durch die Unterschrift des Obmannes des Betriebsrates der Arbeiter allein verpflichtet wurde, wenn der Obmann des Betriebsrates der Angestellten im vorhinein oder nachträglich, formell oder durch schlüssige Handlungen, seine Genehmigung dazu erteilte. Bei dieser allfälligen Genehmigung handelt es sich nicht um eine Bevollmächtigung des einen allein aufgetretenen Vertreters durch die beklagte Partei. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob eine solche dem Gesetz widersprechende Bevollmächtigung überhaupt möglich gewesen wäre. Nur eine derartige Bevollmächtigung müßte aber im Sinne des § 557 (2) ZZPO. urkundlich nachgewiesen werden, um einen Wechselzahlungsauftrag gegen die beklagte Partei zu erwirken. Zum Unterschied von der freiwilligen Vertretung handelt der gesetzliche Vertreter nicht als Machthaber des Geschäftsherrn auf Grund einer Vollmacht desselben, wenn auch in beiden Fällen der Vertreter im Namen des Vertretenen tätig wird. Bestimmt das Gesetz unmittelbar den Vertreter (z. B. ehelicher Vater, Amtsvormundschaft bei unehelichen Kindern) oder ist dem Gesetz zu entnehmen, wer das vertretungsbefugte Organ einer juristischen Person ist, so bedarf es nach § 557 (2) ZPO. keiner Vollmacht des Vertreters, um einen Wechselzahlungsauftrag gegen den Vertretenen zu erwirken, allenfalls ist jedoch ein entsprechender urkundlicher Nachweis dafür erforderlich, daß der als Vertreter auftretenden Person die entsprechende Funktion zukommt. Da im vorliegenden Fall in den Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag des Erstgerichtes gar nicht vorgebracht worden war, daß der auf dem Wechsel namens der beklagten Partei aufscheinende Ernst K. zur kritischen Zeit nicht ordnungsgemäß gewählter Obmann des Betriebsrates gewesen sei, es also nicht strittig war, daß ihm die Organstellung eines wenn auch bloß kollektivzeichnungsberechtigten Vertreters der beklagten Partei zukam, war die Frage der urkundlichen "Vollmacht" des Ernst K. auch im Verfahren über die Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag nicht zu erörtern.

Das Schicksal des Wechselzahlungsauftrages ist somit, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, davon abhängig, ob die beklagte Partei die Annahme des Wechsels billigte, d. h. ob der Obmann des Angestelltenbetriebsrates oder sein Stellvertreter im vorhinein oder nachträglich die Zustimmung erteilte, daß der Obmann des Arbeiterbetriebsrates allein den gegenständlichen Wechsel namens der beklagten Partei unterzeichnete. Deshalb sind die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin zu prüfen. Da darüber Feststellungen des Erstgerichtes fehlen, hat das Berufungsgericht mit Recht das Urteil der ersten Instanz aufgehoben.

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