Normen
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §7
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §15
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §7
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §15
Spruch:
"Verbreitung" im Sinne des § 7 UWG. liegt auch dann vor, wenn die behaupteten, das Unternehmen herabsetzenden Tatsachen auch nur einer vom Verbreiter und vom Verletzten verschiedenen Personen mitgeteilt wurden. Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch (§ 15 UWG.)
Entscheidung vom 19. Juli 1966, 4 Ob 330/66
I. Instanz: Landes- als Handelsgericht Salzburg; II. Instanz:
Oberlandesgericht Linz
Text
Die Untergerichte haben festgestellt: Der Kläger hat bis September 1964 Haushaltswaren vertrieben, wobei der Bund der Landesverbände der Gehörlosenvereine in Österreich am Erlös beteiligt war. Der Beklagte betrieb einen Handel mit Waren aller Art, insbesondere auch mit Erzeugnissen, die von Kriegsversehrten hergestellt werden. Der Bund der Landesverbände der Gehörlosenvereine in Österreich richtete an den Beklagten am 4. Februar 1965 ein Schreiben laut Punkt 1 des Urteilspruches. Der Beklagte ließ davon wenigstens vier Lichtpausen herstellen und legte sie in seinem Büro auf, um seine Kundenvertreter vom Inhalt dieses Schreibens in Kenntnis zu setzen. Mehrere Vertreter nahmen je eine solche Lichtpause an sich. Sie hatten vom Beklagten keinen ausdrücklichen Auftrag, die Lichtpausen den besuchten Kunden zur Einsicht zu geben, und sie haben dies auch nicht getan. Die Vertreter F. und G. folgten diese Lichtpausen dem Kläger aus, während der Vertreter E. sie einem Vertreter des Klägers namens D. gab, der sie dem Kläger ausfolgte. Der Bund der Landesverbände der Gehörlosenvereine in Österreich hat seinen Vertrag mit dem Kläger Ende September 1964 aufgelöst und dies durch eine Zeitungsanzeige bekanntgegeben. Der Beklagte wies seine Vertreter an, diesen Umstand den Gemeinden und Gendarmeriedienststellen zur Kenntnis zu bringen, damit sich nicht weiter Vertreter des Klägers auf die Beteiligung des Bundes der Landesverbände der Gehörlosenvereine in Österreich am Erlös der verkauften Ware bei der Werbung für diesen Verkauf berufen können.
Das Erstgericht hat das gesamte aus den Punkten 1 und 2 des Urteilsspruches ersichtliche Klagebegehren abgewiesen. Es nahm an, daß zwischen den Streitteilen ein Wettbewerbsverhältnis bestand. Die im Brief vom 4. Februar 1965 enthaltenen Behauptungen seien geeignet, den Betrieb des Klägers und seinen Kredit zu schädigen, sie seien aber nicht vom Beklagten, sondern vom Bund der Landesverbände der Gehörlosenvereine in Österreich aufgestellt worden. Der Beklagte habe diese Behauptungen auch nicht verbreitet, weil er den Brief nur vier Vertretern zugänglich gemacht habe, diese Vertreter aber zu seinem Betrieb gehörten. Der Tatbestand nach § 7 UWG. liege daher nicht vor. Der Sachverhalt sei auch nicht § 1 UWG. zu unterstellen, weil der Beklagte auf die Richtigkeit der ihm zugekommenen Mitteilung vertrauen durfte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und verurteilte den Beklagten sowohl zur Unterlassung der Verbreitung des Briefes vom 4. Februar 1965, als auch zur Vernichtung der in seinem Besitz befindlichen Lichtpausen dieses Schreibens und zur Einziehung der bereits an seine Vertreter ausgegebenen und noch bei diesen befindlichen Lichtpausen. Das Berufungsgericht ist bei der rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen, daß die Streitteile in einem Wettbewerbsverhältnis stunden und daß der Beklagte in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe. Ob auch eine Schädigungsabsicht gegeben war oder ob den Beklagten ein Verschulden an der Verbreitung dieser Behauptungen trifft, sei nicht maßgebend. Durch das Auflegen dieser Lichtpausen und die Mitteilung des Inhaltes dieses Schreibens an seine Vertreter habe der Beklagte die darin enthaltenen Behauptungen verbreitet. Unter "verbreiten" sei die Weitergabe des von anderer Seite Gehörten oder sonst zur Kenntnis Gekommenen ohne Rücksicht auf die Form der Weitergabe zu verstehen. Insbesondere sei Öffentlichkeit der Weitergabe nicht erforderlich. Die Handlung sei vollendet und die Verbreitung gegeben, wenn die Mitteilung wenigstens einer vom Adressaten verschiedenen Person zugegangen sei und die Möglichkeit bestehe, daß die aufgestellte Behauptung einem weiteren Personenkreis bekannt werde. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte zugegeben, die Lichtpausen des Schreibens im Büro aufgelegt und seinen Vertretern den Inhalt dieses Schreibens bekanntgegeben zu haben. Damit sei der Inhalt dieses Schreibens weitergegeben worden, ohne daß der Beklagte eine ausreichende Kontrolle gehabt habe, wer dessen Inhalt erfährt, und ohne daß auch nur die geringste Gewähr dafür gegeben gewesen wäre, daß der Inhalt dieses Schreibens von den Mitteilungsempfängern nicht weitergegeben werde. Er habe also dieses Schreiben in einer Weise verbreitet, die nicht mehr als vertraulich bezeichnet werden könne. Der Beklagte habe auch den ihm obliegenden Wahrheitsbeweis nicht angetreten. Das Unterlassungsbegehren sei daher begrundet. Das Unterlassungsbegehren umfasse bei einem Tatbestand nach § 7 UWG. auch das Recht, die Beseitigung des den Vorschriften des Gesetzes widerstreitenden Zustandes zu verlangen. In welcher Form dieser Zustand beseitigt werden solle, sei eine Frage des Einzelfalles. Es solle die Gefahr und die Möglichkeit einer weiteren Fortwirkung der bereits begangenen Störung ausgeschaltet werden. Der Beklagte habe nicht erklärt, warum er, abgesehen von einer Verbreitungsmöglichkeit, ein Interesse an den Lichtpausen habe. Mit Rücksicht auf das Verhalten des Beklagten könne sein Interesse nur darin bestanden haben, diese Lichtpausen zur Verbreitung des Inhaltes des Schreibens vom 4. Februar 1965 zu benützen. Der Gefahr einer Verwirklichung dieser Absicht könne wirksam nur dadurch begegnet werden, daß diese Kopien vernichtet werden. Das Begehren, dem Beklagten auch aufzutragen, die ausgegebenen Lichtpausen wieder einzuziehen, sei allerdings einschränkend zu formulieren, weil vom Beklagten die Beseitigung des dem Gesetz widersprechenden Zustandes nur so weit verlangt werden könne, als ihm hierüber die Verfügung zustehe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten teilweise Folge und änderte die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß sie zu lauten haben:
"1. Der Beklagte ist schuldig, die Verbreitung des an ihn gerichteten Schreibens des Bundes der Landesverbände der Gehörlosenvereine in Österreich in Wien, ddo. 4. Februar 1965, des Inhaltes:
"Sehr geehrter Herr S.!
Mit bestem Dank bestätigen wir den Erhalt ihres Briefes vom 3. ds. und nehmen dazu wie folgt Stellung:
Die betrügerischen und unreellen Praktiken der Firma Sch. sowie deren Vertreter sind uns bekannt und schon lange ein Dorn im Auge.
Leider können wir rechtlich fast nichts gegen diese Firma
unternehmen, da unser Landesverband Oberösterreich einen Vertrag mit
der Firma abgeschlossen hat, der Herrn Sch. berechtigt, auf eine
Gewinnbeteiligung der Taubstummen Oberösterreichs hinzuweisen. Wenn
die Vertreter bei ihren Kundenvorsprachen unwahre Behauptungen
aufstellen, um mit dem sozialen Mitgefühl der Menschen bessere
Geschäfte zu machen, kann man dafür Herrn Sch. nicht belangen,
sofern die Auftragsblöcke der Wahrheit entsprechen, da Herr Sch. die
Verantwortung hiefür immer seinen Vertretern anlasten wird. Etwas
anderes wäre es, wenn Herr Sch. gefälschte Auftragsblöcke verwenden
würde und wir einen solchen in die Hände bekämen. Dann ist der
Tatbestand klar gegeben und wir könnten gegen ihn einschreiten. Nach
Auflösung unseres Vertrages mit Sch. (Ende Sept. v. J.) haben wir
allen Landesverbänden Konzepte für Veröffentlichung in den
Tageszeitungen zugehen lassen. Eine solche Notiz haben Sie selbst ja
auch gelesen. Mehr konnten wir leider nicht tun, um nicht wegen
Geschäftsstörung verklagt zu werden. Wir können nur auf den
oberösterreichischen Landesverband einwirken, daß dieser seinen
Vertrag mit Sch. löst. Wir sind deshalb für Zuleitung ihr er
Beschwerden dankbar, da diese ein nicht zu widerlegendes Argument
darstellen. Es tut uns aufrichtig leid, daß wir Ihnen keinen
besseren Bescheid mitteilen konnten und sind mit vorzüglicher
Hochachtung f. d. Ingried B. e. h. Karl
J. B. e. h. (Ingried B.) (Karl J.
B.) (Sekretärin) (Präsident)" ab
sofort bei Exekution zu unterlassen.
2. Hingegen wird das weitere Begehren, der Beklagte sei schuldig, die noch in seinem Besitz befindlichen Lichtpausen dieses Schreibens zu vernichten und die bereits ausgegebenen einzuziehen, abgewiesen.
3. Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die Hälfte der mit 4557.66
S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, sohin den Betrag von 2278.83 S, und die Hälfte der mit 1541.40 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens, sohin den Betrag von 770.70 S, binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen."
Der Beklagte ist ferner schuldig, dem Kläger die Hälfte der mit 830.44 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens, sohin den Betrag von 415.22 S, binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zum Begehren auf Unterlassung der Verbreitung des Schreibens vom 4. Februar 1965 weist der Beklagte darauf hin, daß kein einziger Kunde vom Inhalt des Schreibens erfahren habe und daß er seine Vertreter ausdrücklich angewiesen habe, keiner Kunde gegenüber von diesem Schreiben Erwähnung zu machen. Die Dienstnehmer eines Betriebes seien mit dem Unternehmer eine Einheit, sie seien nur der verlängerte Arm des Geschäftsherrn.
Abgesehen davon, daß diese Ausführungen zum Teil mit den getroffenen Feststellungen der Untergerichte im Widerspruch stehen, liegt eine "Verbreitung" im Sinne des § 7 UWG. vor, wenn die behaupteten, das Unternehmen usw. herabsetzenden Tatsachen auch nur einer vom Verbreiter und vom Verletzten verschiedenen Person mitgeteilt wurden und dadurch die Weitergabe der Tatsachen ermöglicht wird (Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichrecht[9], S. 712 ff., Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, S. 38 ff., SZ. VIII 173; zum gleichartigen Tatbestand des § 1330 (2) ABGB.: Wolff in Klang[2] VI 162 f., OGH. vom 5. Juni 1957, GR. 1957, S. 73, SZ. XXV 169).
Nach den getroffenen Feststellungen ist eine Lichtpause des Schreibens vom 4. Februar 1965 vom Beklagten nicht nur vier Vertretern des Beklagten übergeben worden, sondern hat auch sein Vertreter E. die ihm zugekommene Lichtpause an einen Vertreter des Klägers namens D. weitergegeben. Für diese Weitergabe der Lichtpause durch E. an D. haftet aber der Beklagte gemäß § 18 UWG. ebenso, als hätte er selbst die Lichtpause D. ausgefolgt. Der Fall, daß nur die Vertreter des Klägers vertrauliche Kenntnis vom Schreiben vom 2. April 1965 durch den Beklagten erhalten haben, liegt daher nicht vor.
Die Revision wiederholt ferner den Einwand in der Berufung, daß der gegenständliche Brief zu einem Großteil mit dem Inhalt des in mehreren österreichischen Tageszeitungen erschienenen Artikels ident sei, von welchem sich auch ein Exemplar bei den Akten befinde. Ehrenrührigen Inhaltes sei der Brief vom 4. Februar 1965 nur insoweit, als darin von betrügerischen und unreelen Praktiken des Klägers gesprochen werde. Alle anderen Stellen dieses Briefes stimmten dem Sinne nach mit der bekannten Aussendung des Bundes der Landesverbände der Gehörlosenvereine in Österreich überein. Bei richtiger rechtlicher Würdigung hätten daher die Untergerichte selbst für den Fall der grundsätzlichen Berechtigung des Unterlassungsanspruches nur die Verbreitung jener Stelle des Briefes verbieten dürfen, die sich auf die betrügerischen und unreellen Praktiken des Klägers beziehe. Zu diesen Revisionsausführungen ist auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen, die noch dahin ergänzt werden kann, daß der Beklagte einen bestimmten Brief in einer dem § 7 UWG. widersprechenden Art verbreitet hat und daß daher auch die Unterlassung dieses wettbewerbswidrigen Verhaltens, somit die Unterlassung der Verbreitung des Briefes vom 4. Februar 1965, verlangt werden kann.
Berechtigt ist jedoch die Revision insoweit, als das Berufungsgericht den Beklagten auch verurteilt hat, die noch in seinem Besitz befindlichen Lichtpausen des Schreibens vom 4. Februar 1965 zu vernichten und die bereits an seine Vertreter ausgegebenen und noch bei diesen befindlichen Lichtpausen einzuziehen. Diese Verurteilung hat das Berufungsgericht auf § 15 UWG. gestützt. Nach dieser Gesetzesstelle umfaßt der Anspruch auf Unterlassung auch das Recht, die Beseitigung des den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb widerstreitenden Zustandes vom Verpflichteten zu verlangen, soweit ihm die Verfügung hierüber zusteht. Im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch im engeren Sinn, der künftige Beeinträchtigungen verhindern soll, dient der Beseitigungsanspruch der Abwehr bereits erfolgter, aber noch fortdauernder Störungen. Wer durch einen Gesetzesverstoß einen störenden Zustand geschaffen hat, stört, so lange er diesen Zustand nicht beseitigt, weiter; seine Verpflichtung zum Handeln folgt aus seinem vorausgegangenen Verhalten. In jenen Fällen, in denen sich das widerrechtliche Verhalten des Störers nicht mit einer vorübergehenden abgeschlossenen Handlung erschöpft, sondern einen Dauerzustand herbeigeführt hat (z. B. bei wahrheitswidriger Anpreisung oder Mißbrauch von Unternehmenskennzeichen durch Plakate, Ankündigungstafeln usw.), umfaßt daher der Anspruch auf Unterlassung auch das Recht, die Beseitigung des den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb widerstreitenden Zustandes vom Verpflichteten zu verlangen, soweit dem Störer die Verfügung hierüber zusteht (Hohenecker - Friedl, a. a. O. S. 87, SZ. XXXIII 133). Im vorliegenden Fall erschöpft sich aber das wettbewerbswidrige Verhalten des Beklagten in der von ihm zu vertretenden Verbreitung des Briefes vom 4. Februar 1965 durch seinen Vertreter E. Die Wiederholung einer solchen Verbreitung wurde ihm vom Berufungsgericht mit Recht untersagt. Dem Beklagten kann es aber nicht verwehrt werden, von bei ihm einlangenden Briefen Lichtpausen herzustellen und aufzubewahren. Er darf solche Lichtpausen nur nicht wettbewerbswidrig verwenden. Es kann ihm daher auch nicht aufgetragen werden, bereits hergestellte Lichtpausen von bei ihm eingelangten Briefen zu vernichten. Dem Beklagten kann auch nicht verwehrt werden, bei ihm einlangende Poststücke seinen Vertretern mitzuteilen. Es kann daher auch von ihm nicht verlangt werden, daß er die seinen Vertretern ausgefolgten Lichtpausen wieder einzieht. Wie der Beklagte dafür sorgt, daß seine Vertreter, für deren Verhalten er nach § 18 UWG. haftet, dem Verbot der Verbreitung des Briefes vom 4. Februar 1965 nachkommen, ist seine Sache. Mit diesem Verbot allein sind die Interessen des Klägers hinreichend geschützt. Das Urteil des Erstgerichtes war daher wiederherzustellen, soweit es das Begehren des Klägers abgewiesen hat, den Beklagten zu verurteilen, die noch in seinem Besitz befindlichen Lichtpausen des Briefes vom 4. Februar 1965 zu vernichten und die bereits ausgegebenen Lichtpausen einzuziehen.
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