Spruch:
Die Kaufmannseigenschaft geht nicht schon durch Konkurseröffnung, sondern erst durch Betriebsstillegung verloren
Entscheidung vom 12. Juli 1966, 8 Ob 187/66
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz
Text
Am 26. Februar 1963 gab der Beklagte dem Kläger den Alleinvermittlungsauftrag zum Verkauf seiner Liegenschaft Linz, Sp.- Straße 15, um den Mindestkaufpreis von 2.000.000 S und gegen eine Provision von 3% des Kaufschillings, mindestens in der Höhe von 60.000 S. Dieser Auftrag war auf drei Monate befristet. Die Mindestprovision sollte dem Kläger auch dann gebühren, wenn während der Vermittlungsdauer der Kaufabschluß ohne seine Vermittlung zustandekommen, oder durch ein Verschulden auf Seite des Beklagten vereitelt werden sollte. Für den Fall, daß es zu einer Vermittlung nicht komme, habe der Beklagte jedenfalls einen Spesenbeitrag von 1% des Kaufpreises, mindestens 20.000 S, zu bezahlen. Der Beklagte war, als er diesen Vermittlungsauftrag erteilte, im Konkurs.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 20.000 S als Teil der ihm zustehenden Provision, hilfsweise als vereinbarten Spesenbeitrag, mit der Begründung, der Beklagte habe ihm bei der Auftragserteilung verschwiegen, daß er im Konkurs sei, und durch sein Verschulden den Verkauf des Objektes vereitelt. Der Auftrag sei nur gegenüber den Konkursgläubigern, nicht aber dem Kläger gegenüber rechtsunwirksam.
Der Beklagte wendet ein, daß er dem Kläger anläßlich der Auftragserteilung mitgeteilt habe, daß der Masseverwalter den Vermittlungsauftrag nicht genehmigt habe; der Auftrag sei gemäß § 878 ABGB. ungültig und der Klageanspruch überdies sittenwidrig.
Das Erstgericht gab der Klage statt und stellte fest, daß der Beklagte dem Kläger beim Vermittlungsauftrag von dem anhängigen Konkursverfahren keine Mitteilung gemacht und letzterer auch sonst keine Kenntnis davon gehabt habe. Der Kläger habe eine Vermittlungstätigkeit entfaltet, die jedoch während der dreimonatigen Frist keinen Kaufabschluß zur Folge gehabt habe. Der Kläger habe erst im Juni 1963 durch ein Schreiben des Masseverwalters von dem Konkursverfahren Kenntnis erhalten. Der Verkauf des Objektes sei allein durch den Masseverwalter nach Ablauf der genannten dreimonatigen Frist herbeigeführt worden.
Nach Ansicht des Erstgerichtes ist der Klageanspruch als Provisionsforderung zwar unbegrundet, weil der Kläger während der dreimonatigen Vermittlungsdauer unabhängig vom anhängigen Konkursverfahren den Kaufvertrag nicht habe vermitteln können und nicht wegen der vom Beklagten verschuldeten Unkenntnis des Konkursverfahrens die Provision verloren habe, jedoch könne der Kläger das vereinbarte Spesenpauschale von 20.000 S beanspruchen, weil der Beklagte durch Verschweigen des Konkursverfahrens die Vermittlungstätigkeit des Klägers trotz Verlustes seiner Verfügungsfähigkeit schuldhaft veranlaßt habe. Eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung über das Spesenpauschale sei im Hinblick auf den bedungenen Mindestkaufpreis von 2.000.000 S nicht gegeben.
Das Berufungsgericht hob über Berufung des Beklagten das Ersturteil mit Rechtskraftvorbehalt auf, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und nahm zur Rechtsrüge wie folgt Stellung:
Durch die Konkurseröffnung werde dem Gemeinschuldner zwar jede Verfügung über die Konkursmasse entzogen, sodaß die dennoch von ihm vorgenommenen Rechtshandlungen den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam seien, doch liege auf seiten des Beklagten eine bloß persönliche Unmöglichkeit der Leistung vor, die regelmäßig nicht als offenbare Unmöglichkeit im Sinne des § 878 ABGB. aufzufassen sei. Dies habe im vorliegenden Fall umsomehr zu gelten, als die Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nicht schlechthin, sondern nur den Konkursgläubigern gegenüber rechtsunwirksam seien (§ 3 KO.). Im Verhältnis zum Gemeinschuldner selbst seien sie aber verbindlich. Der Gemeinschuldner könne sich auf die Unwirksamkeit nicht berufen.
Da während der dreimonatigen Dauer seines Vermittlungsauftrages der Kläger ohne Erfolg geblieben sei, ohne daß der Konkurs des Beklagten hierauf von Einfluß gewesen sei, komme ein Provisionsanspruch des Klägers auf Grund schuldhafter Vereitlung der Vermittlung nicht in Betracht. Für diesen Fall stehe dem Kläger nach Inhalt des Auftrages das Spesenpauschale in der Höhe von 1% des Mindestkaufpreises, d. s. 20.000 S, zu. Dieses sei weitgehend von den tatsächlichen Auslagen des Klägers losgelöst, zumal es nicht auf die tatsächlichen Auslagen, sondern auf den Kaufpreis abgestellt sei. Dadurch erlange das Pauschale den Charakter einer Vergütung für die ungeachtet der geleisteten Vermittlertätigkeit ausgebliebene Provision. Es sei weitgehend ein pauschalierter Schadenersatz und infolgedessen analog einer Konventionalstrafe zu behandeln und als unechte Konventionalstrafe anzusprechen. Als solche unterliege es auch dem Mäßigungsrecht, für dessen Anwendung der vom Beklagten erhobene Einwand der Übermäßigkeit und Sittenwidrigkeit genüge. Schon die Bestreitung des Anspruches reiche daher aus (JBl. 1961 S. 89).
Das Erstgericht habe sich mit der Frage des richterlichen Mäßigungsrechtes nicht befaßt und keine Feststellungen in dieser Richtung getroffen. Voraussetzung für die Anwendung dieses Rechtes sei die Übermäßigkeit des vereinbarten Vergütungsbetrages. Welche Umstände dabei zu beachten seien, werde noch mit den Streitparteien zu erörtern sein. Da der Beklagte als Gemeinschuldner zufolge seiner Unfähigkeit, über die Masse zu verfügen, den Vermittlungsauftrag nicht im Betriebe seines Handelsgewerbes habe erteilen können, wozu auch die Vereinbarung über das Spesenpauschale gehöre, sei auf ihn der im § 348 HGB. normierte Ausschluß des richterlichen Mäßigungsrechtes nicht anzuwenden. Überdies habe der Beklagte keine protokollierte Firma geführt, sodaß schon deshalb § 348 HGB. nicht anzuwenden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Richtig ist, daß die Zahlung des Betrages von 20.000 S unabhängig vom Eintritt eines verschuldeten Schadens vereinbart wurde. Damit verliert dieser versprochene Betrag aber nicht den Charakter einer Konventionalstrafe im Sinne des § 1356 ABGB. Die Rechtsprechung behandelt die Vereinbarung einer Provision für den Fall, daß innerhalb der Dauer des Alleinvertretungsauftrages ohne Zutun des Vermittlers ein Verkauf zustandekommt, ohne daß die Erfolglosigkeit der Vermittlertätigkeit vom Auftraggeber verschuldet worden wäre, als eine Vereinbarung, auf die analog die Bestimmungen über die Konventionalstrafe anzuwenden sind (vgl. EvBl. 1962 Nr. 6, JBl. 1961 S. 123 und S. 89, SZ. XXV 90, HS. III, 2. Teil Nr. 28). Es besteht kein begrundeter Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Im ähnlichen vorliegenden Fall bildet die Vergütung von 20.000 S einen Prozentsatz des Kaufpreises und ist nicht auf den tatsächlichen Spesenaufwand abgestimmt. Sie ist in dieser pauschalierten Form nichts anderes als ein Teilersatz für nicht verdiente Provision, in der üblicherweise auch die Spesenvergütung enthalten ist. Damit unterliegt dieses Pauschale in Anlehnung an die Bestimmungen über die Vertragsstrafe dem Mäßigungsrecht nach § 1336
(2) ABGB.
§ 348 HGB., wonach die Vertragsstrafe nicht dem Mäßigungsrecht unterliegt, hat dann Anwendung zu finden, wenn die Vertragsstrafe von einem Vollkaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes versprochen worden ist (§ 351 HGB.). Die Frage der Kaufmannseigenschaft des Beklagten ist entgegen der Behauptung im Rekurs in erster Instanz insofern aufgeworfen worden, als der Kläger selbst diese Eigenschaft des Beklagten zur Zeit der Erteilung des Vermittlungsauftrages behauptet, der Beklagte aber diese Behauptung bestritten hat. Der Kläger hat, wenn er Nichtanwendbarkeit der Bestimmung des § 1336 (2) ABGB. behauptet, die Eigenschaft des Beklagten als Vollkaufmann zu beweisen (HS. III, 2. Teil Nr. 28). Das Erstgericht hat darüber keine Beweise aufgenommen und wird diese dann nachzuholen haben, wenn sich herausstellen sollte, daß nicht schon aus Anlaß der Eröffnung des Konkurses oder während des Konkursverfahrens vor Erteilung des Vermittlungsauftrages durch Stillegung des Betriebes des Beklagten eine allenfalls vorhanden gewesene Kaufmannseigenschaft erloschen ist. Die Konkurseröffnung an sich bewirkt nicht den Verlust der Kaufmannseigenschaft. Die vom Betrieb abhängige Kaufmannseigenschaft des Gemeinschuldners bleibt vielmehr bestehen, wenn der Betrieb, wenn auch durch Abwicklung (Liquidation), (durch den Masseverwalter) weitergeführt wird (Bartsch - Pollak, KO., zu § 1 S. 37 bei Anm. 119, Jaeger, KO.[8] zu
§ 6 Anm. 15 S. 121, Ehrenberg, Handbuch des Handelsrechtes, II S. 149 und 239 f., Schlegelberger, Kommentar zum HGB.[4] zu § 2 Anm. 14 S. 35, RGR.-Komm. zum HGB.[2] I zu § 1 Anm. 18 S. 72).
Der Beklagte kann sich aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen nicht auf die Unmöglichkeit der Erfüllung der im Vermittlungsauftrag übernommenen Verpflichtungen berufen. Die Verbindlichkeit zur Zahlung des Spesenbeitrages bleibt (auch bei allfälliger Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechts) vom Konkursverfahren unberührt. Bei Aufhebung des Konkursverfahrens haftet der Beklagte unbeschränkt.
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