Normen
Genossenschaftsgesetz §1
GesmbH.-Gesetz §11
GesmbH.-Gesetz §102 (3)
Genossenschaftsgesetz §1
GesmbH.-Gesetz §11
GesmbH.-Gesetz §102 (3)
Spruch:
Genossenschaften ist eine Beteiligung an einer Gesellschaft (hier: GesmbH.) insoweit gestattet, als diese der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft der Mitglieder der Genossenschaft zu dienen bestimmt ist
Entscheidung vom 16. Juni 1966, 1 Ob 75/66
I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz
Text
Mit dem Beschluß vom 6. Juli 1965 hatte das Erstgericht den Antrag auf Eintragung der Firma "... Schlacht- und Kühlhausgesellschaft m. b. H." abgewiesen.
Infolge eines Rekurses der Antragstellerin wurde dieser Beschluß vom Rekursgericht aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.
Nach der Ergänzung des Verfahrens bewilligte das Erstgericht die Eintragung der Firma in das Handelsregister.
Unter Berufung auf § 102 (3) GesmbHG. wurde der Beschluß auf Eintragung von der Finanzprokuratur angefochten. Sie brachte - soweit für das gegenständliche Verfahren wesentlich - in ihrem Rekurs vor, das Erstgericht habe der ihm nach § 11 GesmbHG.
zukommenden Prüfungspflicht nicht entsprochen und zu Unrecht die
Frage, ob die " ... Viehverwertungsgenossenschaft, reg.
Genossenschaft mit beschränkter Haftung (Viehverwertung)"
Gesellschafterin der " ... Schlacht- und Kühlhausgesellschaft m. b.
H." sein könne, bejaht. Nach § 1 GenG. seien Genossenschaften
(Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften) Vereine von nicht
geschlossener Mitgliederzahl, welche u. a. die Förderung des
Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels
gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken. Das Erfordernis des
gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes sei also ein wesentliches
Begriffsmerkmal einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft. Die
Genossenschaften seien vom Gesetzgeber als Vereinigungen von
Personen zu gemeinschaftlicher wirtschaftlicher Tätigkeit und nicht
als Kapitalassoziationen gedacht, die der Wirtschaft der
Genossenschaftsmitglieder nur mittelbar dienen. Dem Erfordernis
gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes werde dadurch, daß die
Genossenschaft in beliebigen, mit Nichtmitgliedern abgeschlossenen
Geschäften Gewinn erziele und für die Genossenschafter aufsammle
oder an diese verteile, nicht entsprochen. In solchen Fällen werde
die Wirtschaft der Genossenschaftsmitglieder nur mittelbar, nämlich
durch Anteilgewährung an dem Gewinn der Kapitalassoziation, nicht
jedoch, wie dies nach § 1 GenG. verlangt werden müsse, unmittelbar
durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb gefördert. Zuzugeben sei
allerdings, daß gelegentlich, aushilfsweise nebenher erfolgende
Geschäftsabschlüsse mit Nichtmitgliedern dem Erfordernis des
gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes dann genügen, wenn diese
Geschäftsabschlüsse im Einzelfall den Förderungszwecken der
Genossenschaft dienen (SpR. Nr. 253). Im Rahmen des von einer
Kapitalgesellschaft geführten Unternehmens sei den Mitgliedern der
an dieser Gesellschaft beteiligten Genossenschaft die Möglichkeit
eines gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes genommen. Das bedeute,
daß eine Genossenschaft bei richtiger Auslegung des § 1 GenG. nicht
Gesellschafterin einer Kapitalgesellschaft werden könne. Daran
vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß im konkreten Fall in
den Satzungen (§ 2) der " ... Viehverwertungsgenossenschaft, reg.
Gen. m. b. H." eine derartige Beteiligung ausdrücklich vorgesehen
sei. Die beantragte Registrierung der " ... Schlacht- und
Kühlhausgesellschaft m. b. H." wäre daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes abzuweisen gewesen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs - neben anderen, hier nicht zu erörternden Erwägungen - mit der Begründung keine Folge, daß dessen Ausführungen unberücksichtigt bleiben müßten, weil er sich gegen angebliche Verstöße gegen das Genossenschaftsgesetz wende, die nach der Rechtsprechung von der Finanzprokuratur nicht geltend gemacht werden könnten. Ein Rekurs in einer Genossenschaftsregistersache sei der Finanzprokuratur verwehrt (SZ. XXVII 240); sie sei daher auch nicht berechtigt, Verstöße gegen das Genossenschaftsgesetz im Wege des Rekurses nach dem § 102 (3) GesmbHG. in einer Handelsregistersache aufzugreifen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Finanzprokuratur nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das auf § 16 AußStrG. gestützte Rechtsmittel verkennt offenbar das Wesen der in dem noch zu prüfenden Belange ergangenen, in der Fassung des Spruches allerdings nicht exakten Entscheidung des Rekursgerichtes, die in Wahrheit eine - implicite ausgesprochene - Zurückweisung des einen Verstoß des Erstgerichtes gegen Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes geltendmachenden Rekurses der Finanzprokuratur zum Inhalt hat. Das vorliegende Rechtsmittel, das im wesentlichen darauf verweist, daß die Finanzprokuratur nach dem § 102 (3) GesmbHG. berechtigt sei, Beschlüsse auf Eintragung einer Gesellschaft m. b. H. in das Handelsregister anzufechten, und diese daher auch legitimiert sein müsse, einen Eintragungsbeschluß zu bekämpfen, wenn der Gesellschaftsvertrag mit einem Gesetz - etwa dem Genossenschaftsgesetz - in Widerspruch stehe, stellt sich demnach als ein Rekurs gegen einen in der Entscheidung der zweiten Instanz ergangenen Zurückweisungsbeschluß dar, bei dessen Ausführung die Finanzprokuratur nicht auf die im § 16 AußStrG. normierten Beschwerdegrunde beschränkt ist.
Nun ist den Ausführungen des Rekurses darin beizupflichten, daß nach dem § 11 GesmbHG. vom Registergericht bei der Anmeldung der Gesellschaft m. b. H. insbesondere auch die Gesetzmäßigkeit des Gesellschaftsvertrages und das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Eintragung zu prüfen sind (NotZ. 1917 S. 25, 189, 205); die Finanzprokuratur hebt auch zutreffend hervor, daß sich diese Prüfungspflicht keinesfalls nur auf die formellen, sondern auch auf die sachlichen (materiellen) Voraussetzungen der Eintragung erstreckt; die Prüfungspflicht wäre also dann verletzt worden, wenn das Registergericht ungeachtet der Aufnahme gesetzwidriger Bestimmungen in den Gesellschaftsvertrag die Eintragung der " ... Schlacht- und Kühlhausgesellschaft m. b. H."
bewilligt hätte (Grünhut, "Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach österreichischem Recht", 2. Aufl. S. 16 f.; Gellis, Kommentar zum GmbH-Gesetz S. 52; Graschopf, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Ein Handbuch für die Praxis S. 14 ff.).
Das Rekursgericht hätte also, wie die Rekursausführungen mit Recht
hervorheben, zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Anmeldung und ihrer
Beilagen, namentlich des Gesellschaftsvertrages Stellung nehmen und
überprüfen müssen, ob neben den formellen auch die materiellen
Voraussetzungen für die Eintragung der Gesellschaft m. b. H. in das
Handelsregister gegeben sind. Die in dem strittigen Belang implicite
ergangene negative Formalentscheidung des Rekursgerichtes war daher
verfehlt, vielmehr mußte es meritorisch darauf eingehen, ob der "
... Viehverwertungsgenossenschaft" bei richtiger Auslegung des § 1
GenG. eine Beteiligung an der Firma " ... Schlacht- und
Kühlhausgesellschaft m. b. H." verwehrt ist.
Die dem Rekursgericht in dieser Hinsicht unterlaufene Unterlassung zwingt den Obersten Gerichtshof aber nicht dazu, dem Rechtsmittel der Finanzprokuratur schlechthin Folge zu geben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung aufzutragen. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung SZ. XV 176 ausgeführt, daß er berechtigt ist, falls eine aufhebende Entscheidung der zweiten Instanz bekämpft wird, selbst die für richtig gehaltene Entscheidung zu fällen und daß er nicht gehalten ist, dem Rekursgericht eine neue Entscheidung auf Grund einer bindend ausgesprochenen Rechtsansicht aufzutragen. Das muß aber auch dann gelten, wenn das Rekursgericht zu Unrecht einen Rekurs zurückgewiesen hat, anstatt ihn entsprechend der gegebenen Sach- und Rechtslage meritorisch zu erledigen. Auch hier verlangt der Grundsatz richtig verstandener Prozeßökonomie, daß der Oberste Gerichtshof sogleich seine mit der Rekursentscheidung im Ergebnis übereinstimmende Sachentscheidung an Stelle der rekursgerichtlichen Formalentscheidung setzt (SZ. XXIII 87 und SZ. XXIII 390).
In der Sache bildet nun die Bestimmung des § 1 GenG. - entgegen der im Rekurs vertretenen Auffassung - kein Hindernis für die Beteiligung der " ... Viehverwertungsgenossenschaft" an der " ... Schlacht- und Kühlhausgesellschaft m. b. H." Aus dem Gesellschaftsvertrag vom 11. Jänner 1965 und insbesondere aus seinem Nachtrag vom 4. September 1965 geht hervor, daß Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft m. b. H. die fabriksmäßige Schlachtung von Vieh, insbesondere von Tieren, deren Produzenten Mitglieder der " ...Viehverwertungsgenossenschaft, reg. Genossenschaft mit beschränkter Haftung" sind, sowie die Lagerung von tierischen und pflanzlichen Produkten bilden und die Genossenschaft während ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft m. b. H. für diese den jeweiligen Geschäftsführer zu bestellen hat. Daraus ergibt sich, daß der in den Satzungen (§ 2) festgelegte Förderungszweck der Genossenschaft durch deren Beitritt zur Gesellschaft m. b. H. nicht nur keine Einbuße erleiden kann, vielmehr damit eine solide und verbesserte Grundlage für die Erreichung des genossenschaftlichen Betriebszweckes geschaffen worden ist. Es genügt, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß beispielsweise auftretende Absatzschwierigkeiten der Genossenschaft durch entsprechende Schlachtungen und Einlagerungen in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen entschärft werden können. Dem natürlichen Bestreben der Genossenschaft und ihrer Mitglieder, den aufgezeigten oder ähnlichen Situationen auf dem Absatzmarkt begegnen zu können, dient augenscheinlich ihre Beteiligung an der Gesellschaft m. b. H., die mit den Satzungen der Genossenschaft durchaus in Einklang zu bringen ist (§ 2 der Satzungen). Die Genossenschaft hat also hier durch den Erwerb eines Gesellschaftsanteiles keineswegs gegen § 1 GenG. verstoßen. Auch die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 14. Dezember 1915 (SpR. Nr. 253) bringt zum Ausdruck, daß § 1 GenG. den Abschluß von Zweckgeschäften mit Nichtmitgliedern keinesfalls ausschließen will.
Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang, daß § 1 des deutschen Genossenschaftsgesetzes vom 20. Mai 1898 (RGBl. S. 810) in der gegenwärtigen Fassung, dessen Begriffsbestimmung der Genossenschaft jener des § 1 des österreichischen Genossenschaftsgesetzes vom 9. April 1873, RGBl. Nr. 70, in der geltenden Fassung entspricht, durch die Novelle vom 12. Mai 1923, RGBl. I 288, eine Ergänzung dahingehend erfahren hat, daß den Genossenschaften eine Beteiligung an Gesellschaften und sonstigen Personenvereinigungen einschließlich der Körperschaften des öffentlichen Rechtes, insoweit sie der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft der Mitglieder der Genossenschaft ... zu dienen bestimmt ist, ausdrücklich gestattet. In der Begründung zum Entwurf dieser Novelle wurde darauf hingewiesen, daß der Entwurf, insofern er Beteiligungen zulasse, wenn sie die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft der Mitglieder der Genossenschaft zum Gegenstand haben, lediglich die bisherige Rechtslage übernehme; nach richtiger Auslegung seien solche Bestrebungen bereits nach § 1 (1) des Genossenschaftsgesetzes zulässig (Dr. Hans Crüger und Dr. Adolf Crecelius, Komm. zum Reichsgesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, 10. Aufl. S. 72). Entgegen der im Rekurs vertretenen Auffassung ist daher die Gesetzmäßigkeit des Gesellschaftsvertrages zu bejahen, sodaß die Bewilligung der Eintragung der Firma " ... Schlacht- und Kühlhausgesellschaft m. b. H." in das Handelsregister zu Recht erfolgte.
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