OGH 4Ob319/66

OGH4Ob319/667.6.1966

SZ 39/102

Normen

UrhG §11 (1)
UrhG §11 (1)

 

Spruch:

Eine Idee oder Anregung begrundet keinen Anspruch aus einem Miturheberrecht (§ 11 (1) UrhRG.)

Entscheidung vom 7. Juni 1966, 4 Ob 319/66

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien

Text

Der Nachlaß des am 23. Februar 1940 verstorbenen Librettisten Viktor L. wurde dem Erst- und Zweitkläger zu je zwei Neuntel, dem Dritt- und Viertkläger zu je einem Neuntel und der Beklagten zu drei Neuntel eingeantwortet. Die Kläger behaupten, die Beklagte habe seit der Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens bei einer Reihe von Verlagen ohne ihre Ermächtigung, jedoch mit ihrer Duldung die auf die Werke des Verstorbenen entfallenden Tantiemen einkassiert, jedoch den Klägern die ihnen zukommenden Anteile hievon nicht vollständig abgeführt. Sie begehren nach mehreren Klageeinschränkungen die Zahlung verschiedener Beträge.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, ihr stunden gegen die Kläger verschiedene Forderungen zu.

Außerdem wendete sie Gegenforderungen ein.

Aus dem Titel des Urheberrechtes beanspruche sie 10% der gesamten eingegangenen Tantiemen, somit einen Betrag von 1.020.000 S. Sie habe bei einer Anzahl von Werken des Verstorbenen mitgearbeitet.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren des Zweitklägers mit einem Teilbetrag von 156.215.44 S statt, dem des Dritt- und Viertklägers mit je 95.713.03 S und wies das Klagebegehren des Erstklägers zur Gänze und die über die zugesprochenen Beträge hinausgehenden Mehrbegehren der übrigen Kläger ab. Die Gegenforderungen der Beklagten erkannte es als nicht zu Recht bestehend.

Es ging von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Die Beklagte habe keinerlei Angaben machen können, aus denen ein Anhaltspunkt für eine literarische Mitarbeit zu gewinnen gewesen wäre. In Ansehung der Operette "Das Land des Lächelns" habe sie mit dem Autor nur über die Personen gesprochen, die darin auftreten sollten, sowie über die Szenerie; wenn sie ihm ferner kundgetan habe, was ihr an dem von ihm allein hergestellten Entwurf gefiel oder mißfiel, lasse sich im Ernst von einer literarischen Mitarbeit nicht sprechen. Diese Gegenforderung sei zu wenig substantiiert, um Beachtung finden zu können.

Die beiderseitigen Berufungen der Parteien hatten Erfolg; das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht hatte gegen die Rechtsauffassung hinsichtlich der Gegenforderung von 1.020.000 S, die die Beklagte auf ihre künstlerische Mitarbeit an einigen Werken des verstorbenen Autors stützte, keine Bedenken, hielt aber das Verfahren des Erstgerichtes im übrigen für mangelhaft.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen der Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagte fühlt sich durch die Abweisung ihrer Ansprüche beschwert, die sich aus ihrer Eigenschaft als Mitarbeiterin an den Werken Viktor L. ergeben. Dem Berufungsgericht sei vor allem darin eine Mangelhaftigkeit unterlaufen, daß es die in der Berufung gerügte Unterlassung der Heranziehung der Zeugenaussage im Strafverfahren nicht als Verfahrensmangel erkannte.

Abgesehen davon, daß die Beklagte nicht anführt, welche einzelnen Feststellungen auf Grund der Einsicht in die Strafverhandlungsprotokolle hätten getroffen werden können, kann sie einen Verfahrensmangel in der dritten Instanz nicht geltend machen, wenn das Berufungsgericht bereits erkannt hat, daß der in der Berufung geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vorliegt.

Als rechtsirrtümlich bezeichnet die Beklagte die Auffassung der Untergerichte, eine Mitarbeit liege nicht vor. Auf Grund ihrer Parteienvernehmung sei festgestellt, daß sie insbesondere bei der Operette "Das Land des Lächelns" über die Personen, die im Stück auftreten sollten, ferner über die Szenerie mit Viktor L. beraten habe, mit ihm den von ihm hergestellten Entwurf durchgearbeitet und ihm mitgeteilt habe, was ihr gefalle bzw. nicht gefalle.

Daraus ergibt sich kein Anspruch aus einem Miturheberrecht (§ 11 (1) UrhRG.). Ein Werk ist von dem geschaffen, auf dessen Anschauung und Gestaltung die Form des Werks beruht, nicht aber von dem, der eine Anregung oder eine Idee zu einem Werk gegeben oder dazu kritisch Stellung genommen hat (vgl. Rintelen, Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, S. 91 ff., Mitteis, Grundriß des österreichischen Urheberrechtes S. 29 ff., 55, SZ. XXIV 112, Osterrieth - Marwitz, Das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie S. 34, Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht[2] S. 160). Wenn sich also Viktor L. von der Beklagten bei einigen seiner Werke beraten ließ und von ihr Anregungen erhielt, die er akzeptierte, dann blieb trotzdem der Urheber des Werkes, als der er bis zu seinem Tode auch aufgetreten war. Die Beklagte kann nicht nachweisen, daß das Wesentliche der geistigen Schöpfung, deren Idee, ihr Aufbau und die Charakteristik sowie die sprachliche Gestaltung auf ihre Mitarbeit zurückgeht. Somit kann auch von einem Miturheberrecht keine Rede sein. Dasselbe gilt auch für die Abänderung des Titels von "Die gelbe Jacke" in "Das Land des Lächelns". Auch hier handelt es sich um eine bloße, dem Autor gegebene Anregung, durch deren Annahme das Wesentliche der geistigen Schöpfung nicht verändert wurde, Titelschutz nach § 80 UrhRG., der die Verwechslung zweier Werke verhindern soll (vgl. Peter, Das österreichische Urheberrecht S. 229), kann der Beklagten keinesfalls zugutekommen. Der Anspruch auf einen Anteil der Verwertungsrechte wurde daher von den Untergerichten mit Recht verneint. Zur Lösung dieser Rechtsfragen bedurfte es nicht der Heranziehung eines Sachverständigen.

Im übrigen hielt auch der Oberste Gerichtshof das Verfahren des Erstgerichtes für ergänzungsbedürftig.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte