Normen
AHG §1
AHG §8
AHG §9 (5)
Postgesetz §§1 ff
Postordnung §99
Beförderungsbedingungen im Postautoverkehr. Post- und TelegraphenVBl. Nr. 24/1954 Punkt 9
AHG §1
AHG §8
AHG §9 (5)
Postgesetz §§1 ff
Postordnung §99
Beförderungsbedingungen im Postautoverkehr. Post- und TelegraphenVBl. Nr. 24/1954 Punkt 9
Spruch:
Wird mit einem Kurskraftwagen der Post auch Briefpost befördert, so ist der Lenker des Postautobusses nicht in der privaten Wirtschaftsverwaltung, sondern in der Hoheitsverwaltung des Bundes (Post) tätig. Der Umstand, daß die Personenbeförderung überwiegt, hindert diese Beurteilung nicht
Entscheidung vom 26. Mai 1966, 2 Ob 135/66
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz:
Text
Der Kläger hat in der am 24. September 1964 eingebrachten Klage behauptet, daß der Erstbeklagte als Lenker eines Postautobusses der zweitbeklagten Partei (Republik Österreich) am 31. Juli 1964 auf der Großglockner Hochalpenstraße einen Verkehrsunfall verschuldet habe, bei dem er verletzt und sein Motorrad beschädigt worden sei. Er hat das Begehren gestellt, die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 16.673.90 S an ihn zu verurteilen.
Die Beklagten haben ein Verschulden des Erstbeklagten bestritten, das alleinige Verschulden des Klägers behauptet und Klagsabweisung begehrt. Sie haben auch die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges mit der Begründung erhoben, daß der Erstbeklagte zur Unfallszeit einen Postautobus lenkte und dieser nicht nur zur Beförderung von Fahrgästen, sondern auch zur Beförderung von Briefpost eingesetzt gewesen sei. Hiezu sei der Autobus mit einem Briefkasten versehen gewesen. Zur Unfallszeit seien auch tatsächlich Briefe befördert worden. Der Erstbeklagte hatte den Briefkasten an der Endhaltestelle zu entleeren und die Briefe dem Postamt zu übergeben. Er habe als Organ der Zweitbeklagten in Ausübung der Hoheitsverwaltung gehandelt. Gegen ihn sei die Klage überhaupt unzulässig. Bezüglich der Zweitbeklagten sei aber das Aufforderungsverfahren nach dem Amtshaftungsgesetz nicht eingeleitet worden.
Das Erstgericht hat das Verfahren ab Klagszustellung als nichtig aufgehoben und die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.
Es hat festgestellt, daß im Jahre 1964 an den Autobussen der Postlinie 1036 Salzburg-Großglockner-Lienz und auch an dem am Unfall beteiligten, vom Erstbeklagten gelenkten Autobus Briefkasten angebracht gewesen seien, in welche Briefsendungen jeder Art eingeworfen werden konnten. Die Aushebung des Briefkastens und die Übergabe der Postsendungen zur Weiterbeförderung an der Endstation sei durch den Erstbeklagten besorgt worden. Zur Zeit des Unfalles sei Briefpost befördert worden.
Diesen Sachverhalt hat das Erstgericht dahin beurteilt, daß mit der Klage ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werde. Die Beförderung der Post sei eine Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze. Es sei nicht entscheidend, daß am Unfallstag die Personenbeförderung die Postbeförderung überwogen habe. Gemäß § 9 (5) AHG. sei die Klage gegen den Erstbeklagten überhaupt unzulässig. Gegen die Zweitbeklagte sei das im § 8 AHG. vorgesehene Aufforderungsverfahren nicht durchgeführt worden. Der Rechtsweg sei daher unzulässig.
Das Rekursgericht hat dem Rekurs des Klägers Folge gegeben und den angefochtenen Beschluß dahin abgeändert, daß es die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen hat. Es hat ergänzend festgestellt, daß der Erstbeklagte die in dem am Autobus angebrachten Briefkasten eingeworfenen Briefsendungen lediglich an der Endstation in Lienz auszuheben und abzugeben hatte. Das Rekursgericht war der Meinung, daß sich der Beklagte nicht auf einer "Hoheitsfahrt" befunden habe. Er sei vielmehr in der Privatwirtschaftsverwaltung und nicht in der Hoheitsverwaltung tätig gewesen. Die bloße Beförderung der in dem Briefkasten eingeworfenen Postsendungen genüge nicht, um eine Organeigenschaft des Erstbeklagten zu begrunden. Der Fall sei ähnlich gelagert wie bei der Postbeförderung durch die Eisenbahn. Auch dort habe der Zugsführer mit der Beförderung der Post nichts zu tun. Der Fall sei auch anders gelagert als der, der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 136/63, veröffentlicht in ZVR. 1964 Nr. 159, entschieden worden sei. Dort sei der Beklagte mit der täglichen Beförderung von Postsendungen zwischen Postamt und Bahnhof betraut gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen der beiden Beklagten Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Mit Recht weisen die Beklagten in ihren Rechtsmitteln darauf hin, daß der Erstbeklagte im Sinne des § 4 PostG. und § 99 PostO. tätig gewesen sei. Gemäß § 4 PostG. haben die der Post übertragenen Beförderungsleistungen die Postämter und deren Hilfsstellen zu erbringen. Gemäß § 99 PostO. sind für die Aufgabe von Postsendungen den örtlichen und postdienstlichen Erfordernissen entsprechende Postämter und Posthilfsstellen einzurichten sowie Briefkästen an Gebäuden und Postbeförderungsmitteln anzubringen oder an hiezu geeigneten Orten aufzustellen. Durch die Anbringung von Briefkasten an den Autobussen hat die Postverwaltung eine Einrichtung zur Postaufgabe im Sinne des § 99 PostO. im Rahmen der ihr nach § 4 PostG. obliegenden Aufgaben geschaffen. Mit Recht verweisen die Beklagten darauf, daß es sich hier um die Einrichtung eines "fahrenden Briefkastens" handelt, der den Interessenten durch die Post an den Haltestellen des Autobusses zur Postaufgabe zur Verfügung gestellt wird. Der Erstbeklagte hat damit auch eine Tätigkeit gleich der eines Postabholers aus den an Gebäuden angebrachten Briefkasten ausgeübt, da er den am Autobus angebrachten Briefkasten zu entleeren und die ausgehobenen Postsendungen an das Postamt weiterzugeben hatte. Der Erstbeklagte hatte aber gemäß Punkt 9 der Beförderungsbedingungen im Postautoverkehr DV. für die österreichische Post- und Telegraphenverwaltung, Gruppe A, Band 9, kundgemacht im Post- und Telegraphenverordnungsblatt Nr. 24/1954, als Wagenlenker bei den Kurs- und Verstärkerfahrten an den Haltestellen nicht bescheinigte Briefsendungen (§ 57 PostO.) entgegenzunehmen, soweit diese nicht in den Briefkasten eingeworfen werden konnten. Er ist daher auch einem Schalterbeamten gleichzustellen, der in einem Postamt die Briefsendungen übernimmt. Schließlich hatte der Erstbeklagte die aus dem Briefkasten entnommenen Postsendungen zum Postamt an der Endstation zu befördern und dort abzuliefern. Es ist dies, wie schon oben ausgeführt wurde, dieselbe Tätigkeit, die auch die Postabholer aus den an Gebäuden angebrachten Briefkasten besorgen. Daß diese Tätigkeit des Erstbeklagten zeitlich erst nach Beendigung der Fahrt fällt, ist nicht entscheidend.
Die Zweifel des Rekursgerichtes, ob auch die Beförderung der aufgegebenen Postsendungen durch den Erstbeklagten in den Rahmen der Hoheitsverwaltung fällt, sind nicht gerechtfertigt. Gemäß § 1 PostG. ist die Post die Gesamtheit der Einrichtungen, durch die der Bund die im Postgesetz geregelten Angelegenheiten des Postwesens besorgt. Dazu gehört nicht nur die Übernahme und Zustellung der Postsendungen, sondern gemäß § 6 PostG. auch die Beförderungspflicht. Gemäß § 11 PostG. ist die Beförderung der Postsendungen ausschließlich der Post vorbehalten. Von einem gesondert zu beurteilenden Beförderungsvertrag kann daher nicht die Rede sein.
Der Erstbeklagte ist daher bei der Fahrt am Unfallstag nicht in der Wirtschaftsverwaltung der Post tätig gewesen, sondern in der Hoheitsverwaltung. Daß damals die Beförderung der Personen gegenüber der Beförderung der Postsendungen überwogen hat, kann kein Grund für eine andere Beurteilung sein. Der vorliegende Fall ist nicht anders zu beurteilen, wie der der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. September 1963, 1 Ob 136/63 zugrunde liegende Fall, weil es keinen Unterschied machen kann, ob die Postsendungen von einem Postamt zum anderen oder zum Bahnhof oder vom Briefkasten zum Postamt befördert werden. Es sind immer dieselben Grundsätze anzuwenden. Das Erstgericht hat daher richtig die Unzulässigkeit des Rechtsweges angenommen und die Klage zurückgewiesen. Seine Entscheidung ist daher wieder herzustellen.
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