OGH 1Ob114/66

OGH1Ob114/6626.5.1966

SZ 39/95

Normen

ABGB §1022
TEG §9
TEG §10
ABGB §1022
TEG §9
TEG §10

 

Spruch:

Die von einem Verschollenen erteilte Vollmacht erlischt erst mit der Todeserklärung

Erteilung der Spezialvollmacht zur Behebung von Geld oder Geldeswert durch konkludente Handlungen

Entscheidung vom 26. Mai 1966, 1 Ob 114/66

I. Instanz: Bezirksgericht Neuhofen an der Krems; II. Instanz:

Kreisgericht Steyr

Text

Die Klägerin begehrt als Inkassozessionarin mehrerer Erben nach den mit den Beschlüssen vom 3. April 1963, und vom 29. April 1963 für tot erklärten Brüder Johann und August K. (festgesetzte Todestage 10. Mai 1945 und 6. Jänner 1943) einen im Verlauf des Verfahrens auf 8800 S samt Anhang eingeschränkten Geldbetrag. Es handle sich um eine Ausstattungsschuld von ursprünglich je 5000 RM, welche von dem gleichfalls für tot erklärten Alois K., einem Bruder der beiden Genannten, anläßlich der mit dem Notariatsakt vom 19. November 1940 erfolgten Übernahme der elterlichen Wirtschaft zu deren Gunsten stipuliert worden sei. Zufolge Erbganges sei die Verbindlichkeit auf die Zweitbeklagte übergegangen, der Erstbeklagte hafte für diese Schuld auf Grund der zwischen ihm und der Zweitbeklagten begrundeten ehelichen Gütergemeinschaft.

Die Beklagten hielten dem entgegen, daß Teilbeträge von 600 RM bereits am 13. Februar 1941 und die sohin verbleibenden Restbeträge von je 4400 RM im Jahre 1946 mit schuldbefreiender Wirkung an Karl K., den gemeinsamen Vater der Brüder Johann, August und Alois K. gezahlt und damit die gesamte Ausstattungsschuld getilgt worden sei. Der Behauptung der Beklagten über die erste Teilzahlung Rechnung tragend, hat die klagende Partei das ursprünglich auf 10.000 S samt Anhang lautende Klagebegehren auf 8800 S samt Anhang eingeschränkt, die geltend gemachte Zahlung eines weiteren Betrages jedoch bestritten.

Das Prozeßgericht gab im ersten Rechtsgang dem Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung statt, daß die behaupteten Rückzahlungen tatsächlich, und zwar von der Zweitbeklagten an Karl K. erfolgt seien, doch habe diesem die Berechtigung gefehlt, diese Forderungen seiner Söhne Johann und August K. einzuziehen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur Klärung der Frage zurück, in wessen Obhut sich die in den Nachlaßinventaren des Bezirksgerichtes N, aufscheinenden, auf die Namen der verschollenen Brüder Johann und August K. lautenden Sparbücher befunden haben, und sprach dabei die Rechtsansicht aus, daß die Zweitbeklagte auf eine stillschweigende Bevollmächtigung des Karl K. zur Einziehung der Forderungen dann habe vertrauen dürfen, wenn dieser der Verwahrer der Sparbücher zur Zeit der Einziehung der Schuldbeträge gewesen sein sollte.

Im zweiten Rechtsgang stellten die Parteien außer Streit, daß die beiden genannten, zum Vermögen der Brüder Johann und August K. gehörigen Sparbücher in den Jahren 1940 bis 1955 tatsächlich von ihrem Vater Karl K. verwahrt worden sind.

Das Prozeßgericht gelangte nunmehr, aufbauend auf diese Außerstreitstellung und auf die bereits im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen, daß die Zweitbeklagte im Jahre 1946 die Schuldbeträge an den Vater der Brüder Johann und August K. gezahlt und dieser nicht nur im Jahre 1941 die Teilbeträge von je 600 RM für seine Söhne in Empfang genommen habe, sondern nach Kriegsende auch deren Hausratsgegenstände vom Anwesen der Beklagten habe abholen lassen, zur Abweisung des Klagebegehrens. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht dazu aus, daß die vom Berufungsgericht geforderten Voraussetzungen für eine Zahlung der Schuldbeträge mit schuldbefreiender Wirkung vorlägen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der dagegen von der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (§ 503 Z. 4 ZPO.) erhobenen Revision nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Was zunächst die im Hinblick auf die Bestimmung des § 502 (5) ZPO. zu beantwortende Frage der Zulässigkeit der Revision anlangt, ist diese zu bejahen. Im ersten Rechtsgang hat das Prozeßgericht dem Klagebegehren mit der Begründung stattgegeben, daß die Zweitbeklagte, die den Brüdern Johann und August K. zustehenden Forderungen an Karl K. nicht mit schuldbefreiender Wirkung zahlen konnte. Demgegenüber führte das Berufungsgericht aus, daß Karl K. dann als ein zum Empfang der Schuldbeträge geeigneter Machthaber anzusehen sei, wenn er im Zeitpunkt der Erhebung des Geldes die Sparbücher der Söhne in Verwahrung hatte. Im zweiten Rechtsgang stellte nun das Prozeßgericht fest, daß Karl K. in dem maßgeblichen Zeitpunkt - die Zahlung der Beträge durch die Zweitbeklagte erfolgte nach den Urteilsannahmen im Jahre 1946 - Verwahrer dieser Sparbücher war und gelangte, der im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ausgesprochenen Rechtsansicht folgend, zur Abweisung des Klagebegehrens. Die rechtliche Beurteilung des Aufhebungsbeschlusses wurde damit für die von der Revision nunmehr bekämpfte Entscheidung von Bedeutung, sodaß die Revision gemäß dem § 502 (5) ZPO. zulässig ist (SZ. XXVI 309, JBl. 1961 S. 92, EvBl. 1953 Nr. 15 u. a.).

Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Rechtsrüge der Klägerin beschränkt sich im wesentlichen auf den Hinweis, daß eine ausdrückliche Bevollmächtigung des Karl K. zur Empfangnahme der Geldbeträge nicht nachgewiesen sei und deshalb die Annahme des Berufungsgerichtes, die Zweitbeklagte habe die Schuldbeträge mit schuldbefreiender Wirkung an den Genannten zahlen können, rechtlich verfehlt sei; sie übersieht dabei, daß nach dem § 1008 ABGB. für die Berechtigung zur Erhebung von Geld oder Geldeswert zwar eine auf diese Art der Geschäfte lautende besondere Vollmacht (Spezialvollmacht) erforderlich ist, eine solche Vollmacht jedoch weder schriftlich noch mündlich erteilt worden sein muß; sie kann vielmehr im Hinblick auf die Bestimmung des § 863 ABGB. - wie die Untergerichte zutreffend erkannt haben - auch stillschweigend durch solche Handlungen erklärt werden, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, an dieser Vollmachtserteilung zu zweifeln, übrig lassen (GlUNF. 1435). Nun wurde von den Unterinstanzen festgestellt, daß Karl K. für seine beiden Söhne bereits im Jahre 1941 Teilzahlungen auf die diesen zustehenden Ausstattungsforderungen in Empfang genommen hat und während der Jahre 1940 bis 1955 deren Sparbücher verwahrt hielt.

Daraus kann aber in rechtlicher Hinsicht der mit den Lebenserfahrungen durchaus im Einklang stehende Schluß gezogen werden, daß die im Feld stehenden - zwar großjährigen, aber unverheirateten Söhne ihrem in der Heimat verbliebenen Vater für die Dauer ihrer kriegsbedingten Abwesenheit die Verwaltung des Vermögens überlassen und ihm - zumindest stillschweigend - eine dementsprechende Verwaltungsvollmacht erteilt haben. Mangels einer gesetzlichen Umschreibung und einer Vollmachtsurkunde richtet sich der Umfang einer solchen Vollmacht nach dem Gegenstand und der Natur des Geschäftes (§ 1029 erster Satz ABGB.). Karl K. war demnach befugt, all das zu tun, was die Verwaltung selbst erforderte und was gewöhnlich damit verbunden ist (§ 1029 zweiter Satz ABGB.). Seine Vollmacht deckte alles, was ein Durchschnittsmensch in der bestimmten Lage namens der Machtgeber Johann und August K. getan hätte (s. Stanzl in Klang[2] IV/1 882). Daß die Empfangnahme der Schuldbeträge, also ein den beiden Machtgebern offenbar zum Nutzen gereichender Vorgang, eine durch die erteilte Verwaltungsvollmacht gedeckte Handlung darstellt, kann auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen werden.

Wenn sie glaubt, daß eine solche Verwaltungsvollmacht jedenfalls mit dem Tod der forderungsberechtigten Brüder erloschen sei, unterläuft ihr gleichfalls ein Irrtum. Wohl erlischt grundsätzlich jede Vollmacht (ausgenommen die Prozeßvollmacht nach dem § 35 (1) ZPO.) mit dem Tod des Machtgebers, wenn sie sich nicht auf den Sterbefall des Gewaltgebers erstreckt (§ 1022 ABGB.). Aber die von einem Verschollenen erteilte Vollmacht gilt nach Lehre und Rechtsprechung erst mit der Todeserklärung als erloschen (GlU. 3988, SZ. XXIII 393). Der gegenteilige von Stanzl in Klang[2] IV/1 870 vertretenen Auffassung kann im Sinne der von ihm selbst a. a. O. Anm. 10 angeführten Rechtsprechung nicht gefolgt werden. Die stillschweigende Bevollmächtigung im Sinne des § 1029 ABGB. wurde daher erst mit der viele Jahre nach der Empfangnahme der Schuldbeträge durch Karl K. eingetretenen Rechtskraft der Todeserklärung der Brüder Johann und August K. aufgehoben.

Die Klägerin muß daher die im Jahre 1946 erfolgte Zahlung der Schuldbeträge durch die Zweitbeklagte gegen sich gelten lassen (§§ 1007, 1008, 1029, 1412 und 1424 ABGB.).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

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