OGH 6Ob100/66

OGH6Ob100/666.4.1966

SZ 39/66

Normen

Arbeitsgerichtsgesetz §1 (1) Z2
Arbeitsgerichtsgesetz §1 (1) Z2

 

Spruch:

Für die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes für den Rechtsstreit aus einer in Verrichtung der gemeinsamen Arbeit begangenen unerlaubten Handlung ist es nicht erforderlich, daß beide Parteien bei demselben Arbeitgeber beschäftigt werden

Entscheidung vom 6. April 1966, 6 Ob 100/66

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz

Text

Der Gasthausbesitzer Anton G. übertrug im Jahre 1962 als Bauherr dem Baumeister Josef K. die Planung und Errichtung eines Zubaus zu seinem Gasthaus in L. Es handelte sich um eine Regiearbeit, bei der Josef K. die Fachkräfte, Anton G. aber die Hilfskräfte beistellen sollte. Josef K. stellte Hermann F. als verantwortlichen Baupolier und den Beklagten als (angelernten) Maurer bei, während der damals 17 Jahre alte Kläger von Anton G. gegen einen Bruttolohn von 7.90 S als Hilfsarbeiter für die Dauer von zwei bis drei Wochen aufgenommen wurde.

Im Zuge der Arbeiten wurde über einem eine lichte Spannweite von rund 3.40 m aufweisenden Raum eine Fertigteildecke in der Form angebracht, daß in Abständen von je 45 cm Gitterträger aus Stahl verlegt wurden, zwischen die Füllziegel im Gewicht von je etwa 25 kg eingelegt wurden. Mit diesen Arbeiten wurde am 25. April 1962 gegen

7.30 Uhr begonnen. Der Kläger war dem Beklagten zunächst beim Herbeitragen der Gitterträger behilflich, die der Beklagte allein verlegte, sodann trugen der Kläger sowie der später hinzugekommene Bauherr Anton G. die Füllziegel heran und reichten sie von einem über die Träger gelegten Laufbrett dem Beklagten zu, der sie in die Gitterträger einlegte. Plötzlich stürzte ein Teil der Decke ein und der Bauherr sowie der Kläger fielen etwa 4 m tief in den darunter befindlichen Raum. Hiebei wurde der Kläger schwer und Anton G. leicht verletzt. Der Beklagte, der auf einem Mauerstück stand, auf dem die Träger aufgelegt waren, blieb unverletzt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes H. vom 8. März 1963 wurden der Polier Hermann F. und der Beklagte gemäß § 335 StG. zu bedingten Arreststrafen verurteilt, und zwar F. weil er als verantwortlicher Vorarbeiter die pflichtgemäße Überwachung des ihm unterstellten Beklagten unterlassen habe, und der Beklagte, weil er es an der nötigen Aufmerksamkeit und Vorsicht hatte fehlen lassen.

Das Erstgericht gab dem auf Zahlung von 7778.50 S gerichteten Schadenersatzbegehren des Klägers Folge. Es bejahte seine Zuständigkeit, indem es ausführte, der Kläger habe seine Arbeitsdirektiven und seinen Lohn von Anton G. erhalten und sei dem Baumeister K. weder persönlich noch wirtschaftlich untergeordnet gewesen; der Arbeitsunfall sei daher nicht von einem Mitbeschäftigten verursacht worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil sowie das ihm vorangegangene Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des Erstgerichtes zurück.

Hiezu führte es folgendes aus:

Da nach nunmehr herrschender Rechtsprechung die Bestimmung des § 45

(1) JN. im Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten und Arbeitsgerichten nicht anwendbar ist, sei die in der Berufung ausdrücklich geltend gemachte Frage der Unzuständigkeit des Erstgerichtes zu prüfen. Hiebei sei von den Angaben des Klägers in erster Instanz auszugehen und zu untersuchen, ob es sich hienach um einen Rechtsstreit zwischen Beschäftigten aus einer unerlaubten Handlung, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang steht, handle (§ 1 (1) Z. 2 zweiter Fall ArbGerG.).

Dies treffe hier zu. Der Kläger habe in der Klage vorgebracht, er sei dem Beklagten bei der Deckenverlegung als sogenannter Zureicher beigegeben gewesen, und es sei neben Hermann F. insbesondere Aufgabe und Verpflichtung des Beklagten gewesen, die Durchführung der Arbeiten entsprechend zu leiten und zu überwachen; er selbst sei jedenfalls als bloßer Handlanger an die Anweisungen des Beklagten und auch des später hinzukommenden und mithelfenden Bauherrn gebunden gewesen. Übrigens habe auch der Beklagte vorgebracht, der Kläger habe über seine Anweisung Hilfsdienste geleistet.

Beide Parteien seien demnach "Beschäftigte" des gleichen Arbeitsvorganges an der gleichen Arbeitsstelle, wenn auch bei verschiedenen Arbeitgebern, gewesen. Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Einsturz der Decke resultierte - wie sich bindend aus dem Strafurteil ergebe - aus unerlaubten Handlungen des Poliers und des Beklagten. Zwischen der unerlaubten Handlung des Beklagten und dem Arbeitsverhältnis bestehe auch die von Lehre und Rechtsprechung geforderte innere Beziehung. Beide Streitteile seien bei der Verlegung der Decke gemeinsam tätig geworden, und zwar der Kläger durch Heranbringen und Zureichen der Füllziegel, der Beklagte durch deren Einlegen. Beide hätten zur Erzielung eines gemeinsamen Arbeitserfolges zusammengewirkt, doch sei der Kläger nicht frei und unabhängig gewesen, vielmehr sei der ihm übertragene Arbeitsvorgang den Weisungen des Beklagten unterlegen. Der Kläger sei also mit dem Beklagten nicht etwa bloß in eine beziehungslose, äußerliche und zufällige Berührung gekommen, sondern als Hilfskraft in eine bestimmte Arbeitsordnung eingefügt gewesen, ohne die die Verlegung der Decke ohne erheblichen zeitlichen Mehraufwand gar nicht zu bewerkstelligen war. Ohne diese gemeinsame Arbeit hätte keine Gelegenheit und kein Anlaß zur Begehung der unerlaubten Handlung bestanden. Daß die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes voraussetze, daß beide Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind, sei dem Arbeitsgerichtsgesetz nicht zu entnehmen. Dies sei dem Gesetz auch nicht zu unterstellen, da die für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte maßgeblichen Erwägungen gerade auch für Fälle wie den vorliegenden gelten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach der hier in Betracht kommenden Bestimmung des § 1 (1) Z. 2 ArbGerG. sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Beschäftigten aus gemeinsamer Arbeit und aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeits- oder Lehrverhältnis im Zusammenhang stehen.

Es ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß zwischen den Tätigkeiten der Streitteile, die zu dem der Klage zugrunde liegenden Unfall geführt haben, der vom Gesetz geforderte innere Zusammenhang bestand. Der Kläger war den Weisungen des Beklagten unterstellt und übte seine Tätigkeit nach diesen Weisungen aus. Er war damit in dieselbe Arbeitsordnung eingegliedert, der der Beklagte angehörte, und beide strebten durch gemeinsame, aufeinander abgestimmte Tätigkeit denselben Arbeitserfolg an. Diese Zusammenarbeit war auch keineswegs zufällig, sondern sowohl vom Bauherrn als auch vom Baumeister auf Grund vorheriger Vereinbarung von vornherein so geplant. Nach dieser Vereinbarung sollte der Kläger als Hilfskraft dem vom Baumeister zur Verfügung gestellten Beklagten, der Fachkraft, beigegeben werden, und es liegt im Wesen derartiger gemeinsamer Arbeit, daß die Hilfskraft ihre Tätigkeit nicht nur gemeinsam mit der Fachkraft, sondern unter deren Leitung verrichtet. Auch die dem Unfall zugrunde liegende strafbare Handlung wurde - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhob - nicht bloß aus Anlaß der gemeinsamen Arbeit, sondern geradezu in deren Durchführung begangen. Ohne diese gemeinsame Arbeit hätte weder Gelegenheit noch Anlaß zur Begehung der unerlaubten Handlung bestanden. Hiezu führt aber Stanzl (Arbeitsgerichtliches Verfahren S. 107) aus, daß dann, wenn diese Voraussetzung vorliegt, der im § 1 (1) Z. 2 ArbGerG. geforderte innere Zusammenhang gegeben ist.

Nun ist es zwar richtig, daß der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen EvBl. 1962 Nr. 271 und (für den analogen Fall des § 1

(1) Z. 1 ArbGerG.) SZ. XXVI 126 für die Annahme des Zusammenhanges einen gemeinsamen Arbeitgeber gefordert hat. Abgesehen davon, daß diese Erfordernis dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen ist, führt auch Stanzl (a. a. O.), allerdings für den Fall der Geltendmachung von Ansprüchen eines Beschäftigten gegen einen anderen aus, daß für die Annahme des inneren Zusammenhanges ein gemeinsamer Arbeitgeber nicht unbedingt erforderlich ist. Dies muß, wenngleich es sich hier um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt, auch für den vorliegenden Fall gelten, weil hier - wie oben dargelegt wurde - der Kläger völlig in die Arbeitsordnung, der der Beklagte angehörte, eingegliedert war, den Weisungen des Beklagten unterstand, beide den gleichen Arbeitserfolg anstrebten und schließlich die unerlaubte Handlung in Verrichtung dieser gemeinsamen Arbeit begangen wurde und sich ohne diese überhaupt nicht ereignet hätte. Bei dieser Verflochtenheit der beiden Tätigkeiten kann dem äußeren Umstand, daß der Kläger unmittelbar, der Beklagte hingegen nur mittelbar vom Bauherrn bezahlt wurde, keine entscheidende Bedeutung zukommen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte