OGH 8Ob50/66

OGH8Ob50/661.3.1966

SZ 39/39

Normen

HGB §131
HGB §339
ZPO §228
HGB §131
HGB §339
ZPO §228

 

Spruch:

Das Ausscheiden des einen von drei Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft berührt nicht die Rechtssphäre des stillen Gesellschafters

Entscheidung vom 1. März 1966, 8 Ob 50/66

I. Instanz: Kreis- als Handelsgericht Krems an der Donau; II.

Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Die Fa. Johann A. & Söhne ist im Handelsregister als offene Handelsgesellschaft eingetragen. Von den persönlich haftenden Gesellschaftern trat Konrad A. sen. im Jahre 1926 aus der Gesellschaft aus und im Jahre 1930 als stiller Gesellschafter ein. Er starb 1933, und an seine Stelle traten seine Erben, darunter auch Sophie A., die am 23. September 1963 verstarb. Der weitere Gesellschafter Konrad A. jun. wurde mit Urteil des Handelsgerichtes Wien im Jahre 1933 aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Der dritte Gesellschafter starb 1946. Dessen Erben sind die Zweit- und Drittbeklagten, deren Eintritt in die Gesellschaft als persönlich haftende Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen ist. Seit 1929 gehört der Erstbeklagte der Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter an und ist nunmehr Alleingesellschafter. Die OHG. kann seit 1931 nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nur durch zwei Gesellschafter gemeinsam vertreten werden.

In einem noch anhängigen Rechtsstreit gegen den Erstbeklagten verlangen die Klägerin, die Verlassenschaft nach Sophie A. und mehrere ihrer Miterben nach Konrad A. sen., den Erstbeklagten schuldig zu erkennen, in ihre Eintragung als offene Gesellschafter der Fa. Joh. A. & Söhne im Handelsregister einzuwilligen und die Eintragung des im Jahre 1946 verstorbenen Gesellschafters Adolf A. und dessen kollektive Zeichnungsberechtigung löschen zu lassen.

Die Klägerin begehrt in der gegenständlichen Klage, festzustellen, daß die OHG. Fa. Joh. A. & Söhne aufgelöst und zu liquidieren sei. Sie behauptet, die Beklagten hätten sich geweigert, jene Erklärungen gegenüber dem Registergericht abzugeben, die zumindest ein Vertretungsprovisorium für die OGH. herbeiführen könnten. Für das Verlassenschaftsverfahren sei der Wert der Vermögensbeteiligung der Sophie A. an der OHG. zu klären. Diese Klarstellung sei deshalb nicht möglich, weil die Gesellschaft nicht vertreten sei und der Klägerin sohin der Partner fehle, mit dem sie sich auseinandersetzen könne und demgegenüber sie gemäß § 339 HGB. die Kündigung ihres stillen Gesellschaftsverhältnisses aussprechen könne. Die OHG. sei überdies bereits aufgelöst, weil sie schon seit Jahren nach außenhin nicht handlungsfähig sei. Ihr rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung bestehe darin, daß ohne die begehrte Feststellung das Verlassenschaftsverfahren nach Sophie A. nicht durchgeführt werden könne.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin sei als stille Gesellschafterin nicht berechtigt, die Auflösung der OHG. herbeizuführen und die Liquidation zu verlangen; sie könne nur die Auszahlung des Gewinnanteiles und die Rückzahlung ihrer Einlage mittels Leistungsklage fordern.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil. Es verneinte ein rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung, durch die der Stand des Guthabens der Klägerin in der OHG. nicht festgestellt werde; das Guthaben werde durch die Auflösung der Gesellschaft nicht geändert. Die Kündigung ihres stillen Gesellschaftsverhältnisses könne die Klägerin rechtswirksam gegenüber dem Erstbeklagten, wenn dieser auch nur kollektiv vertretungsbefugt wäre, aussprechen. Eine Klage könne dem Erstbeklagten als Vertreter der OHG. wirksam zugestellt werden. Die Klägerin habe sohin die Möglichkeit, auf Leistung (Rückzahlung ihrer Einlage) zu klagen, weshalb eine Feststellungsklage unzulässig sei. Sie habe auch keinen der Auflösungsgrunde, die in § 131 HGB. erschöpfend aufgezählt seien, behauptet, sodaß eine Klage auf Feststellung der Auflösung der OHG. auch aus diesem Gründe keinen Erfolg haben könnte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Rechtsstandpunkt der Klägerin, die Handlungsunfähigkeit der OHG. mangels eines zweiten kollektiv vertretungsbefugten Gesellschafters begrunde die Auflösung der Gesellschaft, kann auch nicht auf die Ausführungen im Kommentar zum HGB. von Schlegelberger über die Einstellung des Geschäftsbetriebes einer OHG. und deren Folgen gestützt werden. In § 131 HGB. sind die Auflösungsgrunde taxativ aufgezählt (EvBl. 1960 Nr. 183, Baumbach - Duden, HGB.[16] 1964 zu § 131 HGB., unter 1 D, S. 390 f.; Hämmerle, Handelsrecht, S. 435 f.). Die mangelnde Handlungsfähigkeit führt, wenn darüber nichts vereinbart wurde, nicht zur Auflösung. Die Einstellung des Geschäftsbetriebes der gegenständlichen Gesellschaft wurde weder behauptet noch festgestellt.

Wenn auch das Berufungsgericht die Behauptung in der Klage, die Klägerin habe ein Interesse an der Feststellung der Tatsache, daß die Fa. aufgelöst sei, aufgriff und bemerkte, Tatsachen seien nicht feststellungsfähig, so hat es ohnehin amtswegig geprüft, ob ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, die ein Rechtsverhältnis, nämlich den Bestand einer OHG., zum Gegenstand hat (vgl. EvBl. 1955 Nr. 272), gegeben ist. Das Berufungsgericht hat das rechtliche Interesse ohne Rechtsirrtum verneint. Das stille Gesellschaftsverhältnis wurde durch Ausscheiden eines von zwei offenen Gesellschaftern durch dessen Ableben nicht geändert. Sofern die Klägerin ihr Gesellschaftsverhältnis nicht aufgekundigt hat, besteht es fort; durch Ausscheiden des zweiten offenen Gesellschafters wurde ihre Rechtsstellung nicht berührt (SZ. XXVI 91). Die Klägerin hat als stille Gesellschafterin auf den Weiterbestand und den Rechtsstatus der OHG. keinen Einfluß und kann daher die Liquidierung der OHG. nicht verlangen. Der stille Gesellschafter kann sich bloß durch Kündigung von der OHG. lösen, durch Klage seinen Kapital- und Gewinnanteil und allenfalls Schadenersatz verlangen. Sein Guthaben würde sich im Falle der Auflösung der OHG. nicht ändern.

Die Klägerin hat ihr rechtliches Interesse an der Feststellungsklage nur damit begrundet, sie könne deshalb, weil die OHG. nicht vertreten sei, die Kündigung ihres stillen Gesellschaftsverhältnisses nicht wirksam aussprechen; das Verlassenschaftsverfahren nach Sophie A. könne aus diesem Gründe nicht durchgeführt werden. Nun kann aber die OHG. auch nach Ausscheiden des zweiten Gesellschafters durch Übernahme des Geschäftes mit allen Aktiven und Passiven durch den verbleibenden Gesellschafter unter der bisherigen Firma klagen und geklagt werden, solange das Handelsgewerbe noch weiter betrieben wird (EvBl. 1965 Nr. 288). Die Klägerin ist daher in der Lage, die Kündigung ihres Gesellschaftsverhältnisses vorzunehmen sowie ihre Forderungen gegen die OHG. geltend zu machen. Zur Feststellung des Verlassenschaftsvermögens bedarf es nicht einer Feststellung, daß die OHG. aufgelöst sei.

Dem Feststellungsbegehren fehlt es sohin nicht nur an dem rechtlichen Interesse; auch der behauptete Auflösungsgrund erscheint nicht geeignet, die Auflösung der OHG. festzustellen.

Die Rechtsrüge erweist sich somit als unbegrundet und die Revision als erfolglos.

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