Normen
KO §3
KO §3
Spruch:
§ 3 KO. unterscheidet nicht zwischen Arbeitsverdiensten und Zahlungen aus anderen Verbindlichkeiten
Entscheidung vom 24. Februar 1966, 5 Ob 28/66
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Mit Beschluß vom 28. November 1961 wurde über das Vermögen des Gemeinschuldners N. N. der Konkurs eröffnet. Der Masseverwalter machte den Gemeinschuldner öfters darauf aufmerksam, daß er, falls er größere Beträge verdiene, sie in die Masse abführen müsse; es könnten ihm diesfalls gewisse Beträge, vielleicht 2000 S bis 3000 S im Monat, überlassen werden. Außerdem könnte eine Verrechnung von Spesen erfolgen. Da der Gemeinschuldner dem Masseverwalter nie Auskunft über seine Bezüge erteilte, fand eine Überlassung von Bezügen des Gemeinschuldners an ihn im Sinne des § 5 KO. nie statt.
Der Gemeinschuldner war in der Zeit vom 31. Mai 1963 bis 31. Oktober 1963 für die beklagte Partei als Vertreter tätig. Er bezog während dieser Zeit ein monatliches Fixum von 923 S, das im Juni 1963 zweimal ausbezahlt wurde. Mit diesem Fixum war der Gemeinschuldner bei der Krankenkasse angemeldet. Außerdem bezog er Provisionen im Gesamtausmaß von 50.000 S. Dem Masseverwalter war die Tätigkeit des Gemeinschuldners für die beklagte Partei und der Umstand, daß er von ihr Geldbeträge erhielt, nicht bekannt.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Masseverwalter, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm den Betrag von 50.000 S samt 4% Zinsen seit dem Klagstag (6. März 1965) zu bezahlen. Er stützt sich darauf, daß die beklagte Partei dem Gemeinschuldner während des Konkurses 50.000 S ausbezahlt habe, obwohl ihren Geschäftsführern im Zeitpunkt der Auszahlung der Beträge die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Gemeinschuldners bekannt gewesen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Seine Begründung läßt sich dahin zusammenfassen, daß die beklagte Partei durch die Zahlung ihrer Verbindlichkeiten an den Gemeinschuldner nicht befreit worden sei, weil ihr die Tatsache der Konkurseröffnung bekannt gewesen sei (§ 3 (2) KO.). Der Masseverwalter sei daher befugt, neuerlich Zahlung zu verlangen. Dem stehe auch nicht entgegen, da der Gemeinschuldner den Anspruch auf Zahlung des Betrages von 50.000 S durch eigene Tätigkeit erworben habe. Erst durch die Überlassung seitens des Masseverwalters entstehe konkursfreies Vermögen (§ 5 KO.).
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach § 5 (1) KO. ist dem Gemeinschuldner das, was er durch eigene Tätigkeit erwirbt, oder was ihm während des Konkurses ungeltlich zugewendet wird, soweit zu überlassen, als es zum Unterhalt für ihn und für diejenigen, die gegen ihn einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt haben, erforderlich ist. Unter den Begriff Tätigkeit fällt jede vom Gemeinschuldner ausgeübte selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit (Bartsch - Pollak, Konkursordnung[3] S. 62 Anm. 3). Die durch eigene Tätigkeit des Gemeinschuldners erworbenen Ansprüche im Sinne des § 5 KO. gehören, wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (SZ. XXVIII 86, SZ. XXXVI 147, EvBl. 1955 Nr. 296, 5 Ob 330/63, grundsätzlich zur Masse und scheiden erst dann aus, wenn sie vom Masseverwalter dem Gemeinschuldner überlassen wurden (s. hiezu auch Bartsch - Pollak, Konkursordnung[3] S. 63 Anm. 5 und das dort zitierte Schrifttum). Wenngleich § 5 (1) KO. dem Gemeinschuldner einen Anspruch einräumt (ist "ihm"... zu überlassen), so bedarf es doch einer Erklärung des Masseverwalters. Kommt der Masseverwalter seinen Obliegenheiten im Sinne des § 5 (1) KO. nicht nach, so kann sich der Gemeinschuldner um Abhilfe an den Konkurskommissär wenden.
Nicht berufen ist hingegen die beklagte Partei, den Unterhaltsanspruch des Gemeinschuldners geltend zu machen. Denn nach § 5 (1) KO. ist das, was der Gemeinschuldner durch eigene Tätigkeit erwirbt, ... "ihm" zu überlassen ... Es ist zunächst somit dem Gemeinschuldner anheim gestellt, ob er überhaupt seinen Anspruch verfolgt. Macht er seinen Anspruch geltend und verweigert der Masseverwalter eine Überlassung oder gibt er keine Erklärung ab, dann ist zur Verfolgung des Anspruches der Gemeinschuldner, nicht aber der Dienstgeber des Gemeinschuldners legitimiert. Die Geltendmachung hat im Rahmen des Konkursverfahrens zu erfolgen.
Da der Masseverwalter im vorliegenden Fall eine Erklärung im Sinne des § 5 (1) KO. des Inhaltes nicht abgab, wonach dem Gemeinschuldner von dem eingeklagten Betrag von 50.000 S ein Teilbetrag überlassen werde, und der Gemeinschuldner den von der beklagten Partei empfangenen Betrag nicht an die Masse abführte, kann auch von einer Bereicherung der Masse oder einem mangelnden Rechtsschutzbedürfnis nicht gesprochen werden.
Nicht beigetreten kann der Auffassung der beklagten Partei werden, daß Arbeitsverdienste der Bestimmung des § 3 (2) KO. nicht unterstellt werden können. Nach der angeführten Gesetzesstelle wird der Verpflichtete durch Zahlung einer Schuld an den Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung nicht befreit, es sei denn, daß das Geleistete der Konkursmasse zugewendet worden ist oder daß dem Verpflichteten zur Zeit der Leistung die Konkurseröffnung nicht bekannt war und daß die Unkenntnis nicht auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht. Die angezogene Bestimmung des § 3 KO. unterscheidet daher nicht zwischen Arbeitsverdiensten und Zahlungen aus anderen Verbindlichkeiten.
Daß den Geschäftsführern der beklagten Partei die Konkurseröffnung über das Vermögen des Gemeinschuldners bekannt war und daß trotzdem von der beklagten Partei Zahlungen an den Gemeinschuldner geleistet wurden, bedarf nach den Feststellungen der Vorinstanzen keiner Erörterung.
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