Spruch:
Der Käufer kann behebbare, aber trotz Aufforderung nicht behobene Mängel als unbehebbar behandeln
Entscheidung vom 22. Februar 1966, 8 Ob 32/66
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien
Text
Die Beklagte hat der Klägerin einen Heißgetränkeautomaten am 24. April 1963 verkauft und den Kaufgegenstand am 27. Mai 1963 nach Aufstellung in den Betriebsräumen der Firma O. übergeben. Schon kurz nach der Aufstellung des Automaten und fortlaufend in der Folgezeit beschwerte sich die Belegschaft der Firma O., daß der Automat nicht entsprechend funktioniere, es träten Störungen bei der Abgabe der Becher, Mängel bei der Wasser- und Pulverabgabe und auch in der Beschaffenheit der abgegebenen Menge auf. Die Arbeiter forderten wiederholt das Geld zurück, das sie in den Automaten geworfen hatten, weil sie hiefür kein entsprechendes Getränk erhalten hatten. Die Klägerin gab die Beschwerden der Beklagten telephonisch weiter. Sie trug auch ihre Beschwerden mehrmals persönlich der Beklagten vor. Auch die Firma O. beschwerte sich bei der Beklagten, daß die Getränke mangelhaft seien (Wasser oder dickflüssiges Getränk, Überlaufen der Becher). Schon in den ersten Tagen der Aufstellung rief die Firma O. die Beklagte an und hielt ihr vor, daß der Automat entgegen der Zusage der Beklagten nicht funktioniere. Die Klägerin wies gegenüber einem Angestellten der Beklagten darauf hin, daß sie mehr bezahlen müsse, als sie einnehme, und forderte, die Beklagte möge den Automaten wieder zurücknehmen. In ihrem Schreiben vom 15. Juli 1963 bezog sich die Klägerin auf eine Rücksprache mit einem Angestellten der Beklagten und rügte neuerlich die dem letzteren gegenüber mitgeteilten Mängel. Sie führte in diesem Zusammenhang aus: "Es vergeht kein Tag, an dem nicht eine Beschwerde vorliegt, einmal kommen keine Becher, dann kein Pulver, dann wieder kein Wasser oder es ist ein anderer Defekt. Der Platz, den man ihr als prima versichert hat, ist so schlecht, daß die Einnahme eine Ironie ist, so z. B. wie heute eine Tageslosung von 8 S." Am 24. Juli 1963 schrieb die Klägerin der Beklagten unter Hinweis auf ihr Schreiben vom 15. Juli 1963, daß sie infolge ständig entstehender Mängel des Gerätes nicht in der Lage sei, ihre Zahlungen und die Verpflichtungen gegenüber der Firma O. zu erfüllen. Abschließend führte die Klägerin aus: "Ich stelle Ihnen somit den Heißgetränkeautomaten ab sofort zur Verfügung und bitte um Ihre Stellungnahme innerhalb von drei Tagen, widrigenfalls ich gegen Sie gerichtliche Schritte unternehmen muß. Des weiteren möchte ich darauf hinweisen, daß bei einem Preis von 2 S das Kakaogeschäft ein absoluter Verlust ist." Auf der Rückseite des Schreibens befindet sich eine Aufstellung über die Ausgaben für die in den Automaten gegebenen Produkte und über die Einnahmen. Mit Schreiben vom 27. Juli 1963 beantwortete die Beklagte das Schreiben der Klägerin und führte aus, daß die von der Klägerin behaupteten Mängel der Beklagten erst durch das Schreiben vom 24. Juli 1963 bekannt geworden seien. Am 29. Juli 1963 überprüfte ein Angestellter des Servicedienstes der Beklagten in Gegenwart der Klägerin den Automaten und stellte fest, daß das Gerät nicht mit Kakao gefüllt sei und die im Inneren des Gerätes befindlichen Schalter "Wasser" und "Pulver" auf "aus" gestellt gewesen seien. Auf der Arbeitsbestätigung, die die Klägerin unterfertigte, befindet sich folgender Satz: "Überprüfung des Getränkeautomaten ... Apparat funktionsbereit." Der Automat blieb unbenützt bei der Firma O. stehen. Am 17. Oktober 1963 teilte Dr. Gerhard St. der Beklagten mit, daß die Klägerin vom Vertrag zurücktrete, und er forderte die Beklagte auf, den Kaufpreis von 49.800 S zurückzuzahlen. In dem Schreiben wird auf die Nichtbehebung der Mängel, die Nichteignung des als erstklassig bezeichneten Aufstellungsplatzes und die Nichterfüllung der Zusage, einen wesentlich besseren Aufstellungsort zur Verfügung zu stellen, hingewiesen. Die Klägerin bezog die Becher und das Pulver für die Zubereitung der Getränke von der Beklagten. Das Pulver kaufte sie auch fallweise bei den von der Beklagten angegebenen Firmen. Die Münzprüfanlage, die elektrische Steuerung, das Becherwerk, der Heißwasserbereiter und der Wärmeregler arbeiteten bei Inbetriebsetzung des Automaten durch den Sachverständigen richtig, nicht aber das Mischgefäß, dessen Funktion von der richtigen Aufeinanderfolge der einzelnen Arbeitsvorgänge und deren Zeitablauf abhängt. Auch bei einem nicht richtig eingestellten Gerät kann es vorkommen, daß zunächst eine Anzahl von Bechern ordnungsgemäß gefüllt wird, doch kommt es danach zu einer Ansammlung nicht gelöster Trockensubstanz, die schließlich zur Verstopfung führt. Auch nach Reinigung kann sich derselbe Vorgang wiederholen. Für die Einstellung des Gerätes sind die verwendeten Produkte von Bedeutung. Die von der Klägerin gerügten Mängel waren darauf zurückzuführen, daß die Zeitgeber für Vorspülen, Ausgabe der Trockensubstanz und Nachspülen entweder unverständig oder schleuderhaft eingestellt waren. Der Klägerin war die unrichtige Einstellung nicht erkennbar. Die Beklagte hat die Mängel des von ihr gelieferten Automaten, insbesondere die unrichtige Einstellung (zu starke Dosierung, übermäßige Abgabe bei Kakao), nicht entsprechend behoben, obwohl die Klägerin wiederholt um Behebung von Störungen ersuchte und die Unrentabilität des Automaten bemängelt hat. Die festgestellten Mängel sind behebbar. Einem entsprechend geschulten Mechaniker hätte bei mehrmaliger Störungsbehebung die unrichtige Einstellung als Ursache des Überlaufens auffallen müssen. Dessenungeachtet wurde die Einstellung durch die Beklagte nicht geändert.
Das Erstgericht erkannte daher die Beklagte schuldig, der Klägerin 49.800 S samt 4% Zinsen seit 31. Oktober 1963 zu bezahlen.
Da nicht Bedienungsfehler, sondern die falsche Einstellung für das Überfließen der Kakaogetränke ursächlich gewesen seien, sei eine nicht entsprechende Betreuung nicht streitentscheidend. Die an sich behebbaren Mängel seien dadurch zu unbehebbaren geworden, daß die Beklagte trotz wiederholter Aufforderung der Klägerin die Mängel nicht beseitigt habe. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, die unrichtige Zeitgebereinstellung zu rügen, weil sie diese nicht habe erkennen können. Es genüge, daß sie die Störungen, wie sie den Kunden gegenüber in Erscheinung getreten seien, der Beklagten gemeldet habe. Die Beklagte hätte für die entsprechende Behebung der Mängel zu sorgen gehabt. Das Wandelungsbegehren der Klägerin sei daher berechtigt und die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Daß der Mechaniker der Beklagten von ihm angenommene Ursachen der aufgetretenen Störungen beseitigt hat, ist unentscheidend, weil nach den Feststellungen der Untergerichte das Überfließen der Becher auf die unrichtige Zeitgebereinstellung als Ursache hinwies und dies für die Beklagte bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar sein mußte. Die Art der von der Klägerin gerügten Mängel verpflichtete die Beklagte, die Zeitgebereinstellung zu überprüfen. Wie wichtig die richtige Zeitgebereinstellung für eine klaglose Funktion des Apparates ist, ergibt sich eindeutig aus den Feststellungen der Untergerichte. Die Beklagte mußte wissen, daß das Überfließen der Becher auf einer solchen unrichtigen Zeitgebereinstellung beruhen kann und daß auch die mehrmalige ordnungsgemäße Abgabe der Becher keine Gewähr für ein einwandfreies Funktionieren des Apparates ist, wenn der Zeitgeber nicht dem verwendeten Getränkematerial entsprechend eingestellt ist.
Es ist richtig, daß das Schreiben vom 15. Juli 1963 nicht das Überfließen der Becher als Mangel rügt; doch war dieser Mangel - nach den Feststellungen der Untergerichte - schon vorher der Beklagten bekannt geworden und die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 15. Juli 1963 ausdrücklich gerügt, daß der Automat überhaupt nicht funktioniere. Richtig ist, daß die gerügten Mängel behebbar sind. Es steht dem Käufer aber zu, behebbare Mängel als unbehebbar zu behandeln, wenn der Veräußerer sie trotz Aufforderung nicht behebt (vgl. Gschnitzer im Klang-Komm.[2] IV 532, bei Anm. 19). Das trifft nach den Feststellungen der Untergerichte zu. Es ist nicht notwendig, daß sich der Verkäufer weigert, einen angezeigten Mangel zu beheben. Es genügt, daß er trotz Aufforderung die Behebung unterläßt. Es ist Sache des Verkäufers, den Kaufgegenstand in einem Zustand zu übergeben, daß der Käufer nicht am ordentlichen Gebrauch der Sache gehindert ist. Rügt der Käufer nach Übergabe einen Mangel, der den ordentlichen Gebrauch der Sache hindert, dann hat der Verkäufer diesen Mangel zu beheben. Zum Wesen eines Getränkeautomaten gehört es, daß die Becher nicht überlaufen. Eine entsprechende Auswertung des Automaten ist nur möglich, wenn nicht zuviel Ware ausgegeben wird, was zu einer Verschwendung von Material führt. Die Becher dürfen daher nicht überfüllt werden. Die richtige Füllung der Becher gehört, das hat das Berufungsgericht bereits mit Recht hervorgehoben, zur Funktion des Automaten und damit zum ordentlichen Gebrauch der Sache. Wird das Überlaufen der Becher gerügt, dann ist nach den Feststellungen der Untergerichte als mögliche Ursache die Funktion des Zeitgebers zu überprüfen. Da die Beklagte dies unterließ, hat die Klägerin das Recht, die Wandelung zu begehren.
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