Spruch:
Die konfessorische Klage kann als Feststellungsklage nur gegen den Eigentümer des angeblich dienstbaren Gründes, als Leistungsklage aber gegen jeden Störer gerichtet werden
Entscheidung vom 2. Februar 1966, 6 Ob 33/66
I. Instanz: Bezirksgericht Weyer; II. Instanz: Kreisgericht Steyr
Text
Die Kläger sind Eigentümer der Liegenschaft EZ. 152, Katastralgemeinde R. (E.-Gut). Zugunsten dieser Liegenschaft besteht auf Grund des Vertrages vom 21. Jänner 1863 ein verbüchertes Fahrrecht auf dem zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ. 55, Katastralgemeinde R. (Sch.-Gut), gehörigen Grundstück 1043. Seit Dezember 1962 ist der Beklagte nicht mehr Eigentümer des dienenden Gutes.
Im Punkt 2 des Vertrages vom 21. Jänner 1863 wurde vereinbart, daß zwecks Ausübung des Fahrrechtes über den dienstbaren Grund ein Fahrtweg anzulegen ist, "welcher dort beginnt, wo der vom E.-Gute herführende Hausweg auf die Bauareaparzelle Nr. 300, St. G. R. zuführt, und welcher von dort an längs des Rohrbaches aufwärts in einer Länge von 115 Kurrentklaftern anzulegen ist, am Ende dieser Strecke jedoch mittels einer Brücke auf den Hausgrund des E.-Gutes, Parzelle Nr. 1048, 1049, 1050, St. G. R., zu leiten ist. - Nach Punkt 3 obliegt die erste Anlage und die Erhaltung dieses Weges und der Brücke den Berechtigten (Klägern). Nach Punkt 5 dieses Vertrages sollten die Besitzer des Sch.-Hauses berechtigt sein, diese Brücke und den Weg zur Streubringung zu benützen, jedoch sollte für die Besitzer des E.-Gutes keinerlei Verpflichtung, den Weg oder die Brücke in gutem Zustand zu erhalten, fließen.
In Durchführung des erwähnten Vertrages wurde über das Grundstück 1043 entlang des Rohrbaches ein Fahrweg errichtet, welcher schließlich den Rohrbach überbrückte. Diese Brücke ist aber nun verfallen. Zwischen diesem in der Natur befindlichen Weg und dem Bach liegt ein zur Parzelle 1043 gehöriger Grundstreifen.
Die Kläger haben am 19. Juli 1965 versucht, Holz von ihrem an das jenseitige Bachufer angrenzende Grundstück 1048 über den Bach und dann anschließend über den genannten Grundstreifen der Parzelle 1043 zu dem dort befindlichen Fahrweg zu bringen. Daran wurden sie jedoch vom Beklagten gehindert. Nach dem Klagsvorbringen hat sich der Beklagte auf der Parzelle 1043 dem Erstkläger und dem Fuhrwerk entgegengestellt und erklärt, daß er die Bringung des Holzes lediglich dann zulasse, wenn er darum gebeten werde. Außerdem würde er die Bewilligung davon abhängig machen, daß ihm Brennholz als Gegenleistung gegeben werde. Der Erstkläger habe umkehren und das Holz, welches sich schon in einem Rinnsal bei der Parzelle 1048 befunden habe, liegenlassen müssen.
Hinsichtlich dieses Vorfalles wurde außer Streit gestellt, daß der Beklagte den Klägern die von ihnen auf die oben geschilderte Art vorgenommene Holzbringung verboten hat.
Gestützt auf diesen Sachverhalt und die Behauptung, daß ihnen nach dem Dienstbarkeitsvertrag auch das Recht zustehe, das Holz vom Bach über den Grundstreifen der nachbarlichen Liegenschaft auf den dort befindlichen Fahrweg zu bringen und daß sie diese Art der Holzbringung, soweit zurückverfolgbar, stets, und zwar trotz Beanstandung durch den Beklagten und seine Vorgänger, gehandhabt haben, begehren die Kläger mit der am 23. Juli 1965 eingebrachten Klage die Fällung des Urteiles, der Beklagt sei schuldig, das Fahrrecht über die Bauparzelle 1043, Katastralgemeinde R., zugunsten des im Besitz der Kläger befindlichen E.-Gutes zwecks Holzbringung von Parzelle 1048 anzuerkennen und sich jeder Handlung zu enthalten, die dieses Fahrrecht beeinträchtige.
Der Beklagte hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und mangelnde Passivlegitimation sowie mangelnde Berechtigung der Kläger zu der von ihnen ausgeübten Art der Holzbringung eingewendet. Die Kläger seien stets in Kenntnis gesetzt worden, daß sie wegen Benützung dieses Grundstreifens jeweils um Erlaubnis fragen müßten.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Für das Begehren auf Anerkennung der Servitut, welches mit einer konfessorischen Klage gleichbedeutend sei, fehle die Passivlegitimation des Beklagten. Dem Unterlassungsbegehren aber mangle die innere Berechtigung, weil die Kläger nach dem vorliegenden Dienstbarkeitsvertrag nur den Fahrweg, nicht aber den daneben liegenden Grundstreifen benützen dürften. Eine über dieses vertragliche Recht hinausgehende Ersitzung sei nicht behauptet worden und komme überdies deshalb nicht in Betracht, weil die Kläger nach ihrem eigenen Vorbringen bei der Benützung dieses Grundstreifens stets beanstandet worden seien.
Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil das erstgerichtliche Urteil insoweit, als das Begehren auf Anerkennung des Fahrrechtes abgewiesen wurde. Hingegen gab es im übrigen, somit hinsichtlich des Begehrens auf Unterlassung einer Beeinträchtigung des Fahrrechtes, der Berufung Folge, hob insoweit das erstgerichtliche Urteil auf und verwies in diesem Umfang die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur fortgesetzten Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück.
Hinsichtlich der Bestätigung der Abweisung des Begehrens auf Anerkennung des Wegerechtes vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß gegen die Ablehnung des Feststellungs(oder Anerkennungs)anspruches in der Berufung nichts Greifbares ins Treffen geführt worden sei. Ein rechtliches Interesse, dem Beklagten gegenüber neben dem Unterlassungsanspruch auch die Feststellung eines gegen dritte Personen bestehenden Rechtes durchzusetzen, sei in keiner Weise dargetan worden. Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß das Begehren, der Beklagte sei schuldig, das Fahrrecht der Kläger anzuerkennen, nicht als Leistungsbegehren, sondern als Feststellungsbegehren zu beurteilen sei, da mit Rechtskraft des Urteiles zwischen den Parteien verbindlich das Fahrrecht der Kläger festgestellt werde. Für diesen Teil des Klagebegehrens liege mangelnde Passivlegitimation vor, da sich die Klage nach § 523 ABGB. nur gegen den Eigentümer des dienenden Gutes richte, der Beklagte aber schon seit einiger Zeit nicht mehr dessen Eigentümer sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In der Rechtsrüge wird dagegen angekämpft, daß das Begehren auf Anerkennung der Dienstbarkeit abgewiesen worden ist.
Aus dem Inhalt des Klagsvorbringens ergibt sich, daß es sich um eine Klage des Dienstbarkeitsberechtigten gegen denjenigen handelt, der ihn an der Ausübung seines Rechtes hindert oder stört. Es liegt sohin eine Klage aus dem Rechtsgrund des § 523 ABGB., und zwar eine Servitutenklage, vor (actio confessoria). Nach dem Wortlaut des § 523 ABGB. würde zwar nur der Eigentümer der dienstbaren Sache als Beklagter in Betracht kommen, doch gehen Lehre und Rechtsprechung dahin, daß diese Klage gegen jeden gerichtet werden kann, der den Dienstbarkeitsinhaber an der Ausübung seines Rechtes hindert oder ihn darin stört. Der enge Wortlaut des § 523 ABGB. erklärt sich dadurch, daß die Störung durch den Eigentümer der dienenden Sache den Regelfall darstellt und daß überdies gegen dritte Störer zumeist die possessorischen Rechtsmittel genügen (Klang im Klang-Komm.[2] II 601 Punkt 4. zu § 523 ABGB., Entscheidung vom 5. Februar 1903, GlUNF. 2247 (in Klang a. a. O. Anmerkung 13, versehentlich zitiert mit 2248), Entscheidung vom 5. Juni 1903, GlUNF, 2372, 1 Ob 787/47 = JBl. 1948, S. 62, 1 Ob 183/56). Diese rechtlichen Erwägungen erfahren allerdings insoweit eine Einschränkung, als es vom Inhalt des Klagebegehrens abhängt, ob eine solche Servitutenklage vorliegt, die zulässigerweise auch gegen einen Dritten erhoben werden kann. Das Klagebegehren der Servitutenklage geht auf Feststellung der Dienstbarkeit, ohne daß die sonst für Feststellungsklagen erforderlichen Voraussetzungen vorhanden sein müssen; es geht weiter auf Beseitigung der Beeinträchtigung, Unterlassung künftiger Störungen und Ersatz des verursachten Schadens (Klang a. a. O. Punkt 5., SZ. XIII 54). Die Klage auf Feststellung einer Dienstbarkeit, ohne daß die sonst für Feststellungsklagen erforderlichen Voraussetzungen vorliegen müssen (SZ. XIII 54), ist nur gegen den Eigentümer des dienenden Grundstückes zulässig. Lautet sie aber auf Beseitigung des Hindernisses oder Unterlassung künftiger Störungen, dann kann sie auch gegen jeden Dritten erhoben werden (1 Ob 787/47 = JBl. 1948, S. 62). Wird die Feststellung einer Dienstbarkeit gegenüber einem Dritten begehrt, dann muß das rechtliche Interesse nach § 228 ZPO. behauptet und nachgewiesen werden.
Wird nun das vorliegende gegen den Beklagten als den die Ausübung der Dienstbarkeit störenden Nichteigentümer des dienenden Grundstückes gerichtete Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, das Fahrtrecht über die Parzelle 1043 zugunsten des im Besitz der Kläger befindlichen E.-Gutes zwecks Holzbringung von der Parzelle 1048 anzuerkennen und sich jeder Handlung zu enthalten, die dieses Fahrtrecht beeinträchtigt, unter den aufgezeigten Gesichtspunkten geprüft, so ergibt sich zunächst, daß der letzte Halbsatz des Klagebegehrens eindeutig ein Unterlassungsbegehren beinhaltet.
Das Begehren auf Anerkennung des Fahrtrechtes jedoch ist zwar in die Form eines Leistungsbegehrens gekleidet, stellt aber in Wahrheit ein Feststellungsbegehren dar. Das Gericht ist bei der Prüfung einer Klage bei seiner Entscheidung nicht unabänderlich an die Formulierung des Klagebegehrens gebunden. Es hat nur die Schranke des § 405 ZPO. zu beachten. Innerhalb dieser hat es die Klage nicht bloß nach dem Wortlaut des Begehrens, sondern nach ihrem ganzen Inhalt zu prüfen und seine Entscheidung dem Ergebnis dieser Prüfung, nötigenfalls unter Abweichung von der Formel des Klagebegehrens, anzupassen (SZ. XVIII 165). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem ganzen Sachverhalt, daß das Begehren wegen Anerkennung der Dienstbarkeit inhaltlich auf die Feststellung der Dienstbarkeit gegenüber dem Beklagten gerichtet ist (siehe in diesem Zusammenhang 7 Ob 451, 452/55 = EvBl. 1956 Nr. 34, wo das Begehren auf Anerkennung eines Pflichtteilsergänzungsanspruches, 5 Ob 25/58, wo das Begehren auf Anerkennung, in das Eigentumsrecht des Klägers eingegriffen zu haben, und SZ. XXVII 50, wo das Begehren auf Einwilligung in die Benützung einer Waschmaschine als Feststellungsbegehren beurteilt wurden).
Da aber im vorliegenden Fall das Begehren auf Anerkennung - Feststellung der Dienstbarkeit gegen den Nichteigentümer des dienenden Grundstückes gerichtet ist, so handelt es sich um ein nicht unter § 523 ABGB. fallendes Feststellungsbegehren, weshalb für dessen Zulässigkeit das im § 228 ZPO. geforderte rechtliche Interesse notwendig ist, und zwar mit Rücksicht auf das gleichzeitig gestellte Unterlassungsbegehren, insbesondere nach der Richtung, ob und aus welchen Gründen ein über das Unterlassungsbegehren hinausgehendes Feststellungsinteresse besteht. Nach dieser Richtung läßt sich dem Vorbringen der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nichts entnehmen und ebenso auch nicht den Rechtsmittelschriften, denn alles, was in diesen ausgeführt wird, vermag lediglich allenfalls ein Rechtsschutzinteresse an dem Unterlassungsbegehren aufzuzeigen, nicht aber ein darüber hinausgehendes Feststellungsinteresse. In diesem Zusammenhang ist, wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 1 Ob 787/47 = JBl. 1948 S. 62 ausgesprochen hat, auch darauf hinzuweisen, daß für die Feststellung einer Dienstbarkeit gegenüber einem Dritten im allgemeinen das Feststellungsinteresse deshalb fehlt, weil ihm gegenüber die Feststellung der Servitut nur die Voraussetzung für das gegen ihn gestellte Leistungsbegehren ist und es eine darüber hinausgehende Bedeutung nicht haben kann.
Was die im übrigen in den Rechtsmittelschriften nicht erörterte Frage anlangt, ob es sich etwa bei dem Begehren auf Anerkennung der Dienstbarkeit lediglich um eine Frage der Redaktion einer auf Unterlassung gerichteten Servitutenklage (actio confessoria) handelt und dieses kein selbständiges Klagebegehren darstellt, sondern nur der Erläuterung des Unterlassungsbegehrens dient, daher nicht formell abzuweisen gewesen wäre, so zeigen gerade die Rechtsmittelausführungen, in welchen die Kläger das Begehren wegen Anerkennung ausdrücklich als Feststellungsbegehren bezeichnen und dafür kämpfen, daß auch eine spruchgemäße Entscheidung im Sinne des Begehrens auf Anerkennung der Dienstbarkeit ergeht, daß es sich nicht um die Frage der Redaktion eines Unterlassungsbegehrens handelt, vielmehr ein selbständiges Feststellungsbegehren vorliegt.
Was die weiteren Ausführungen der Rechtsrüge betrifft, so setzen sich diese weder mit der Frage auseinander noch lassen sie erkennen, weshalb und nach welcher Richtung im vorliegenden Fall ein über das Unterlassungsbegehren hinausgehendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Dienstbarkeit gegenüber dem Beklagten als einem Dritten gegeben sein soll. Ein derartiges Interesse kann auch dem Akteninhalt nicht entnommen werden.
Der Entscheidung der Untergerichte haftet aus allen diesen Gründen ein Rechtsirrtum nicht an.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)