Spruch:
Das Judikat 201 ist im Zwangsverwaltungsverfahren nicht anzuwenden
Entscheidung vom 26. Jänner 1966, 3 Ob 3/66
I. Instanz: Bezirksgericht Hopfgarten; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck
Text
Mit Beschluß vom 25. September 1963 wurde der betreibenden Partei zur Hereinbringung ihrer Forderung die Exekution durch Pfändung des von der verpflichteten Partei betriebenen Maschinen- und Stahlbauunternehmens und der dem Unternehmen zugrunde liegenden Gewerbeberechtigung bewilligt. In der Folge wurde die Zwangsverpachtung im Wege der öffentlichen Versteigerung durchgeführt. Die eingelangten Pachtzinsraten und das restliche Vadium im Gesamtbetrag von 72.346.80 S wurden vom Erstgericht zur Gänze dem Finanzamt zur Berichtigung der angemeldeten Abgabenforderungen im Gesamtbetrag von 335.042.70 S zugewiesen, sodaß die betreibende Partei leer ausging.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß dahin ab, daß es aus der Verteilungsmasse der betreibenden Partei einen Betrag von 27.721.94 S und den Restbetrag der Konkursmasse im Konkurs der verpflichteten Partei zuwies. Es führte aus, nach § 124 Z. 2 bzw. § 120 Z. 1 EO., welche Bestimmungen bei der Zwangsverpachtung eines Unternehmens anzuwenden seien, genössen nur die von der Liegenschaft zu entrichtenden Steuern und Abgaben ein Vorzugsrecht. Bei den vom Finanzamt angemeldeten Steuern und Abgaben handle es sich aber um solche, deren Schuldner nicht die Liegenschaft, auf der sich das Unternehmen befinde, sei, sondern der Unternehmer. Das Erstgericht habe daher zu Unrecht diese Forderungen vor der Forderung der betreibenden Partei berücksichtigt.
Der Oberste Gerichtshof stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her und sprach der betreibenden Partei die Kosten des Revisionsrekurses zu.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wenn auch § 124 EO. nur von den von der Liegenschaft zu entrichtenden Steuern spricht, weil diese Gesetzesstelle nur die Zwangsverwaltung von Liegenschaften behandelt, so muß doch nach der Vorschrift des § 334 EO. im Falle der Zwangsverwaltung oder Zwangsverpachtung von Unternehmungen sinngemäß dasselbe von den Steuern und Abgaben gelten, die vom Unternehmen zu entrichten sind (SZ. XVI 204). In diesem Falle hat der Zwangsverwalter alle mit der Ausübung des Unternehmens verbundenen, zur Zeit der Bewilligung der Zwangsverwaltung nicht länger als drei Jahre rückständigen sowie während der Zwangsverwaltung fällig werdenden Steuern und sonstigen, vom Unternehmen zu entrichtenden öffentlichen Abgaben zu entrichten. Dasselbe gilt für den Zwangspächter (Neumann S. 1051, 1059). Diese Steuern und Abgaben, deren Objekt das gewerbliche Unternehmen ist, genießen das Vorzugsrecht nach § 124 Z. 2 EO. vor allen nicht bevorrechteten privatrechtlichen Forderungen. Vor Berichtigung dieser Leistungen können überhaupt eigentliche Ertragsüberschüsse nicht als vorhanden angesehen werden (Rspr. 1932 Nr. 155, SZ. XIX 147). Die zur Verteilungstagsatzung vom Finanzamt angemeldeten Steuern und Abgaben sind solche, die vom Unternehmen zu leisten sind. Es handelt sich hier um Umsatzsteurrückstände, Ausgleichsfondsbeiträge für die Kinderbeihilfe, Beförderungssteuern, Gewerbesteuern, Lohnsteuern, für deren Einbehaltung der Arbeitgeber haftet, sowie um deren Nebengebühren, wie Säumniszuschläge, Prozeß- und Exekutionskosten, die den gleichen Rang wie die Hauptforderung haben (§ 104 EO.).
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung grundet sich auf die §§ 41, 50 ZPO., 78 EO. Das Judikat 201 ist für die Verteilung von abgereiften Früchten im Zwangsverwaltungs- bzw. Zwangsverpachtungsverfahren nicht anzuwenden, denn hier bleibt im Gegensatz zum Zwangsversteigerungsverfahren das Exekutionsobjekt erhalten und im Eigentum des Verpflichteten. Dieser und der betreibende Gläubiger stehen sich immer noch als Hauptparteien gegenüber. Dem betreibenden Gläubiger sind daher die zur Rechtsverwirklichung notwendigen Kosten auch dieses Verfahrensabschnittes zu ersetzen (EvBl. 1951 Nr. 365). Dem Rechtsmittelwerber sind von jenem Gläubiger die Kosten eines erfolgreichen Revisionsrekurses zu ersetzen, der durch seinen Rekurs gegen den Verteilungsbeschluß Anlaß zur angefochtenen Rekursentscheidung gegeben hat (AnwZ. 1934 S. 261, GlUNF. 2100). Die Kosten des Revisionsrekurses waren nach der Höhe des Betrages zu bemessen, der Gegenstand der Rechtsmittelentscheidung war, also nach dem Betrag von 72.346.80 S.
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