OGH 1Ob177/65

OGH1Ob177/659.12.1965

SZ 38/210

Normen

AnfO §1
AnfO §2 Z2
KO §27
AnfO §1
AnfO §2 Z2
KO §27

 

Spruch:

Die Errichtung einer verbücherungsfähigen Urkunde nach vorausgegangenem mündlichem Vertragsabschluß ist für sich allein und unter Abstellung auf die Verhältnisse im Zeitpunkt ihrer Errichtung anfechtbar

Entscheidung vom 9. Dezember 1965, 1 Ob 177/65

I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Die Kläger haben am 22. Juli 1958 mit Ferdinand R. einen mündlichen Vertrag geschlossen, wonach sie die ihm gehörige Liegenschaft EZ. 130 Grundbuch D. um 50.000 S, Einräumung eines lebenslänglichen Wohnrechtes an einem Zimmer und gewisse Nebenleistungen kauften. Sie leisteten auch eine Anzahlung von 10.000 S, der Kaufpreisrest sollte bei Errichtung des verbücherungsfähigen Vertrages fällig sein. Im September 1958 verkaufte Ferdinand R. die Liegenschaft aber ein zweites Mal und zwar an die Eheleute Anton und Franziska R., die auch die Verbücherung des Kaufvertrages vom 13. September 1958 erwirkten, in der Folge die Liegenschaft aber am 5. September 1959 ihrer Tochter, der Beklagten, schenkten, die auch derzeit als bücherliche Eigentümerin aufscheint.

Ferdinand R. starb am 16. Jänner 1959. Noch zu seinen Lebzeiten hatten ihn die Kläger auf Vertragszuhaltung belangt; sie ersiegten schließlich gegen die Verlassenschaft mit einem Eventualbegehren rechtskräftig einen Betrag von 45.000 S s. A. Es kam, nachdem sie durch Exekutionsführung einen teil ihrer Forderung hereingebracht hatten, zum Nachlaßkonkurs, in welchem Verfahren sie nur quotenmäßig befriedigt wurden. Unbestrittenermaßen haben sie noch einen Betrag von 40.635.46 S (einschließlich Nebengebühren) zu fordern.

Wegen dieser Forderung fochten sie im vorliegenden, seit 5. August 1960 anhängigen Prozeß den von Ferdinand R. am 13. September 1958 mit den Eltern der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag mit der Begründung an, der Verkäufer habe in Benachteiligungsabsicht gehandelt, dies hätten die Eltern der Beklagten wissen müssen. Das Klagebegehren lautete auf Zahlung des Betrages von 40.635.46 S bei Exekution in die der Beklagten zugeschriebenen Liegenschaft EZ. 130 des Grundbuches D.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren zunächst statt, doch wurde dieses Urteil auf Grund der Ergebnisse des in allen drei Instanzen durchgeführten Wiederaufnahmsprozesses aufgehoben. Im erneuerten Verfahren wies der Erstrichter das Klagebegehren nunmehr ab. Er begrundete dies im wesentlichen wie folgt: Die Eltern der Beklagten hätten sich über den Ankauf der Liegenschaft mit Ferdinand R. mündlich schon am 10. September 1958 geeinigt; in diesem Zeitpunkt hätten sie nicht gewußt, daß er sie an die Kläger schon vorher verkauft gehabt habe; sie hätten wohl gewisse Bedenken geäußert, doch seien diese von Ferdinand R. durch die Erklärung, er habe vorher nicht verkauft, entkräftet worden; sicher sei, daß die Eltern der Beklagten vom Kaufvertrag zwischen ihm und den Klägern am 13. September 1958 erfuhren, als sie wegen Abfassung des schriftlichen Vertrages bei Notar Dr. S. erschienen seien; dieser habe ihnen nämlich genau erklärt, warum er die Vertragsurkunde nicht errichten könne; wenn sie den schriftlichen Vertrag nun am gleichen Tag bei Rechtsanwalt Dr. St. errichtet hätten, sei dies anfechtungsrechtlich bedeutungslos, weil sie den mündlichen Kaufvertrag schon am 10. September 1958 gutgläubig geschlossen gehabt hätten.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Die Begründung seines Beschlusses läßt sich wie folgt zusammenfassen: Das Anfechtungsbegehren der Kläger beziehe sich gar nicht auf den mündlichen Vertrag vom 10. September 1958 (das Grundgeschäft), sondern nur auf die Errichtung der Vertragsurkunde am 13. September 1958 (das Erfüllungsgeschäft); auch dabei handle es sich im Sinn von Literatur und Judikatur um eine anfechtbare Rechtshandlung; es komme darum darauf an, ob die Anfechtungsvoraussetzungen zum Stichtag 13. September 1958 bei Errichtung der Vertragsurkunde gegeben seien; daß objektiv eine Benachteiligung der Kläger durch den Doppelverkauf des Ferdinand R. eingetreten sei, stehe auf Grund des rechtskräftigen Zuspruches eines Schadenersatzbetrages fest; wenn auch die Anfechtbarkeit grundsätzlich mit einem Schadenersatzanspruch zusammentreffen könne, ergebe sich daraus freilich noch nicht unbedingt eine Benachteiligungsabsicht; es genüge darum nicht, daß die Kläger durch den Doppelverkauf R.s dessen Gläubiger geworden seien, und auch nicht, daß die Eltern der Beklagten vom Doppelverkauf erfahren hätten; es müßte vielmehr festgestellt werden, daß R. den Verkauf an letztere in der Absicht vorgenommen habe, seine Gläubiger, allenfalls die Kläger, zu benachteiligen, d. h. ihnen einen Vermögensnachteil dadurch zuzufügen, daß Förderungen bei ihm nicht einbringlich seien; von dieser Absicht hätten die Eltern der Beklagten wissen müssen, wenn die Kläger durchdringen wollten; diese hätten zwar Benachteiligungsabsicht R.s geltend gemacht, aber Tatsachen, welche diese Absicht (in der aufgezeigten Richtung) erkennen ließen, weder behauptet noch unter Beweis gestellt; ihr Vorbringen könnte wohl auch dahin verstanden werden, daß durch den Doppelverkauf die Einbringlichkeit der Schadenersatzforderung gefährdet worden sei, dies sei aber mit den Parteien nicht erörtert und vor allem sei eine diesbezügliche Absicht, R.s bei Abschluß der angefochtenen Rechtshandlung sowie die Kenntnis der Eltern der Beklagten von dieser Absicht nicht festgestellt worden; daraus ergebe sich die Notwendigkeit der Urteilsaufhebung gemäß § 496 (1) Z. 3 ZPO.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht hat sich zur Begründung seiner Ansicht, daß auch Rechtshandlungen, die in Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen vorgenommen wurden, anfechtbar - und zwar für sich allein anfechtbar - sein können, in erster Linie auf die Entscheidung SZ. X 35 gestützt und als Beispiele hiefür die Ausstellung einer Urkunde über einen mündlich abgeschlossenen Vertrag oder dessen Verbücherung genannt, wie dies auch schon in SZ. X 35 geschah; die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit solcher Rechtshandlungen seien nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem sie gesetzt wurden. Ob bei einer bücherlichen Eintragung wirklich nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt ihrer Erwirkung abgestellt werden kann, mag fraglich sein (vgl. dazu etwa Rintelen, Handbuch des österreichischen Konkurs- und Ausgleichsrechtes S. 225 f., 7 Ob 224/64 = RiZ. 1964 S. 221), braucht hier aber nicht näher erörtert zu werden, weil die Kläger ja die Errichtung der verbücherungsfähigen Kaufvertragsurkunde vom 13. September 1958 angefochten (und die Verbücherung derselben mitangefochten) haben. Der Hinweis in SZ. X 35 auf die Bestimmung des § 6 AnfO. behält hier jedenfalls seine Gültigkeit. Wenn die Anfechtung nicht einmal dadurch ausgeschlossen wird, daß die anzufechtende Handlung durch Exekution bewirkt wurde, und - ganz allgemein - auch die Befriedigung einer richtigen und fälligen Schuld anfechtbar sein kann (SZ. IX 96, Bankarchiv 1958 S. 62), muß auch die Errichtung einer verbücherungsfähigen Urkunde, nach vorausgegangenem mündlichem Vertragsabschluß als für sich allein und unter Abstellung auf die Verhältnisse im Zeitpunkt ihrer Errichtung anfechtbar angesehen werden.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, aus der Tatsache des Doppelverkaufes allein könne die als Anfechtungsvoraussetzung normierte Benachteiligungsabsicht nicht abgeleitet werden, trägt dem Prozeßstandpunkt der Beklagten ohnehin Rechnung und ist auch von den Klägern nicht bekämpft worden. Der Oberste Gerichtshof tritt ihr auch unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 430 und 440 ABGB. bei. Der Erwerb des tatsächlich ins Grundbuch gekommenen Käufers kann nur unter Umständen nach den Bestimmungen der Konkurs- und Ausgleichsordnung - naturgemäß auch nach jenen der Anfechtungsordnung - der Anfechtung ausgesetzt sein, die auch nur zugunsten des Schadenersatzanspruches in Betracht kommt (vgl. dazu Klang in Klang[2] II 430 unter 4 sowie die dort zitierte Judikatur). Wäre aber - wie das Berufungsgericht geklärt haben will - erweislich daß Ferdinand R. in der Absicht bzw. im Bewußtsein gehandelt hätte (vgl. hiezu SZ. XXV 207), der Doppelverkauf seiner Liegenschaft laufe auf eine Verkürzung des Befriedigungsfonds für seine Gläubiger hinaus, müßte die vom Gesetz gemeinte Benachteiligungsabsicht auf seiner Seite bejaht werden. Diese Absicht muß nämlich keineswegs darauf gerichtet sein, gerade den später anfechtenden Gläubiger zu benachteiligen, es genügt, wenn der Schuldner irgendwelche seiner Gläubiger, bestimmte - z. B. den später Anfechtenden - oder unbestimmte, benachteiligen wollte. Auch wer keine Gläubiger hat, kann in Benachteiligungsabsicht handeln, nämlich dann, wenn er bewußt zum Schaden künftiger Gläubiger Rechtshandlungen setzt (vgl. dazu Bartsch in Bartsch - Pollak II S. 547, Anm. 8 und die dort zitierte Literatur und Judikatur, SZ. X 157). Hätten die Eltern der Beklagten bei Errichtung der Vertragsurkunde vom 13. September 1958 von einer Benachteiligungsabsicht des Ferdinand R. im aufgezeigten Sinn gewußt oder wissen müssen, müßte dies auch die Beklagte gemäß § 11 (2) Z. 2 AnfO. gegen sich gelten lassen.

Wenn sie nun meint, die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig erkannten Umstände ließen sich - und zwar zu ihren Gunsten - schon aus dem vorliegenden und insbesondere aus dem Vorprozeßakt entnehmen, vermag dies Feststellungen durch die zu ihrer Vornahme berufenen Instanzen - der Oberste Gerichtshof ist keinesfalls Tatsacheninstanz - nicht zu ersetzen.

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