Normen
ABGB §1157
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §176 (1) Z6
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333
ABGB §1157
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §176 (1) Z6
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333
Spruch:
Ist die Tätigkeit des Verletzten als Erfüllungshandlung des Verkäufers bei der Ablieferung der Ware zu werten, dann kann der Verletzte nicht als gelegentlicher Helfer im Betriebe des Käufers in dieser Tätigkeit angesehen werden; ein Haftungsausschluß gemäß § 333 ASVG. liegt in einem derartigen Falle nicht vor (Abschlauchen von Wein in das Faß des Käufers in dessen Keller)
Entscheidung vom 5. November 1965, 2 Ob 244/65
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Die Parteien stehen seit längerer Zeit miteinander in Geschäftsverbindung. Am 15. November 1963 wollte der Kläger anläßlich einer Weinlieferung an die beklagte Partei den Wein von dem auf der Straße stehenden Lastkraftwagen in ein im Weinkeller der Käuferin vorbereitetes Faß abschlauchen. Dabei glitt der Kläger im Weinkeller beim Stehen auf der vor dem Faß befindlichen Leiter mit dieser Leiter auf dem Kellerboden aus; beim Versuch, sich am Fasse festzuhalten, stürzte er mit dem Faß und der Leiter auf den Kellerboden und erlitt dabei einen komplizierten Bruch des rechten Unterschenkels. Mit der Behauptung, seine Verletzung sei auf die unsachgemäße Beschaffenheit der Kellerleiter und die nicht fachgemäße Aufsattelung des zur Füllung bestimmten Weinfasses zurückzuführen, wofür ihm die beklagte Partei aus Verschulden hafte, macht der Kläger die ihm vom Sozialversicherungsträger nicht erstatteten Heilungskosten, Schmerzengeld und den Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges geltend. Die beklagte Partei hat Grund und Höhe des Anspruches bestritten.
Das Erstgericht hat das Zahlungsbegehren abgewiesen. Der Unfall des Klägers sei auf dessen Alleinverschulden zurückzuführen; wegen seiner vorübergehenden Tätigkeit im Weinkeller der beklagten Partei am 15. November 1963 sei der Kläger als gelegentlicher Helfer im Sinne des § 176 (1) Z. 6 ASVG. anzusehen, so daß die Haftung der beklagten Partei auf den Fall der vorsätzlichen Verursachung des Arbeitsunfalles durch die beklagte Partei eingeschränkt sei, in welcher Hinsicht aber der Kläger nicht einmal eine Behauptung aufgestellt habe.
Der Berufung der klagenden Partei hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es kommt auch der Rechtsrüge des Klägers im Ergebnis keine Berechtigung zu. Zwar ist der Abweisungsgrund des Haftungsausschlusses im Sinne des § 333 ASVG. bei dem diesfalls vorliegenden Rechtsverhältnis des Klägers als Verkäufers und der beklagten Partei als Käuferin schon nach dem Prozeßvorbringen der beklagten Partei nicht gegeben, weil "das Risiko des Abschlauchens des Weines" in das im Weinkeller der beklagten Partei vorbereitete Faß den Kläger als Verkäufer getroffen hat, so daß die Tätigkeit des Klägers im Weinkeller als Erfüllungshandlung zu werten ist und schon unter diesem Gesichtspunkte die subsidäre Schutzbestimmung des § 176
(1) Z. 6 ASVG. (vgl. z. B. 2 Ob 158/65) keine Anwendung findet. Im Ergebnis ist aber für den Kläger damit nichts gewonnen, weil die Beurteilung der Vorinstanzen zutrifft, daß ein Verschulden der beklagten Partei an der Beschädigung des Klägers vom 15. November 1963 zu verneinen ist. Gewiß ist von einer Fürsorgepflicht des Käufers für den Verkäufer bei der Ablieferung der Ware aus dem Vertragsverhältnisse auszugehen; ob aber dagegen verstoßen worden sei, kann nur nach den konkreten Umständen des Falles beurteilt werden. Nun ist festgestellt, daß der Kläger - 57 Jahre alt und seit 1953 als Weinhändler tätig - die örtlichen Verhältnisse im Weinkeller der beklagten Partei aus seiner früheren Tätigkeit bei der Ablieferung von Wein aus vorhergegangenen Geschäften gekannt hat; am 15. November 1963 ist es vollkommen seinem Ermessen überlassen gewesen, die Abschlauchung des Weines vorzunehmen; dementsprechend hat er nach seinem Gutdünken die im Weinkeller vorhandene Leiter verwendet und ihre Beschaffenheit ebenso erkennen können wie die Art der Aufsattelung des Fasses, in das er den Wein abschlauchen wollte; auch der Zustand des Fußbodens im Weinkeller war für den Kläger ersichtlich. Die Inhaber oder Gesellschafter der beklagten prot. Firma durften nach dem Alter und der Erfahrung des Klägers aus der Manipulation bei der Weinablieferung in den vorhergegangenen Geschäften annehmen, daß der Kläger auch diesmal bei der Abschlauchung des Weines mit Vorsicht für seine eigene Sicherheit vorgehen werde, zumal sich die Verhältnisse im Weinkeller der beklagten Partei nicht von den üblichen Sicherheitsverhältnissen unterschieden. Es hat also - im Gegensatz zur Auffassung des Revisionswerbers - auch eine Verpflichtung der beklagten Partei zu einer besonderen Warnung nicht bestanden. Die Revisionsausführungen sind nicht geeignet, die Beurteilung der Untergerichte in der Richtung, daß der Unfall des Klägers vom 15. November 1963 auf dessen ausschließliches Eigenverschulden zurückzuführen sei, zu widerlegen.
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