Spruch:
Bei gekoppelten Verträgen rechtfertigt die Nichterfüllung des einen Vertrages die Zurückhaltung der Leistung aus dem anderen Vertrag
Entscheidung vom 26. Oktober 1965, 8 Ob 234/65
I. Instanz: Bezirksgericht für Handelssachen Wien; II. Instanz:
Handelsgericht Wien
Text
Der Kläger behauptet, er habe sich am 6. April 1962 gegenüber der erstbeklagten Partei zur Abnahme einer Mindestmenge von monatlich 10 t eines aus Naturhonig erzeugten Grundstoffes auf die Dauer von 20 Jahren verpflichtet. Da die Erstbeklagte zur Herstellung dieses Grundstoffes in der angeführten Menge nicht imstande gewesen sei, habe sie eine neue Betriebsanlage errichten müssen. Dazu habe sie Kredit benötigt. Der Kläger habe aus diesem Gründe eine Vorauszahlung auf die zu liefernde Ware in der Höhe von 200.000 DM geleistet. Die Erstbeklagte habe den Kläger unter Versprechen einer hypothekarischen Sicherstellung noch um die Gewährung eines weiteren Betrages von 500.000 DM ersucht und von ihm schließlich 400.000 DM erhalten. Der Kläger habe zwar einen Rangordnungsbeschluß über einen Betrag von 2.000.000 S erhalten, doch sei es zur Ausstellung einer Schuldurkunde nie gekommen. Er habe die Schuldurkunde verlangt und im Falle der Nichterfüllung dieser Forderung die Auflösung des Abnahmevertrages begehrt. Infolge Abstattung eines Teilbetrages von 1000 DM anläßlich der Verrechnung einer Lieferung betrage die Schuld, für die die Zweit- und Drittbeklagten als persönlich haftende Gesellschafter der erstbeklagten Partei einzustehen hätten, restlich 599.000 DM. Die mit der Klage eingeforderte Schuld sei bereits fällig, weil von der Erstbeklagten eine pfandrechtliche Sicherstellung nicht erbracht und dadurch die Vertrauensgrundlage zerstört worden sei.
Die Beklagten entgegneten, sie hätten sich zur Betriebserweiterung deshalb entschlossen, weil ihnen der Kläger die Abnahme von 1000 t Honiggrundstoff jährlich zugesagt habe. Am 1. Mai 1963 sollte vereinbarungsgemäß die Rückzahlung der vom Kläger vorgestreckten Geldbeträge durch einen Abzug von 0.05 DM pro Kilogramm gelieferter Ware beginnen. Die Erstbeklagte sei ihren Lieferverpflichtungen nachgekommen. Sie habe sich auch bereiterklärt, eine grundbücherliche Sicherstellung dem Kläger zu gewähren. Zur Ausstellung einer Pfandbestellungsurkunde sei es deshalb nicht gekommen, weil sich der Kläger geweigert habe, den Abnahmevertrag zu erfüllen.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht nahm eine Beweiswiederholung vor und bestätigte das Urteil erster Instanz. Es stellte fest: Die erstbeklagte Partei erzeugt einen Grundstoff aus Honig für die Herstellung von alkoholfreien Getränken. Die Beklagten schlossen am 6. April 1962 mit dem Kläger einen Vertrag, in welchem sich der Kläger verpflichtete, auf die Dauer von 20 Jahren den Grundstoff von der Erstbeklagten zu beziehen. Der Kläger garantierte eine Mindestabnahme von monatlich 10 t. Die Erhöhung der Mindestliefermenge sollte fallweise festgelegt werden. Der Preis wurde mit 2.70 DM pro Kilogramm vereinbart. Der Vertrag sieht eine fristlose Kündigung für den Fall vor, daß der andere Teil die übernommenen Verpflichtungen nicht einhalten sollte. Der Kläger teilte am 12. April 1962 der Erstbeklagten mit, er werde ab Beginn des Jahres 1963 täglich 5 t Grundstoff benötigen, weshalb er sie ersuche, die Produktion zu vergrößern. Die vorhandene Anlage der Erstbeklagten gestattet die Herstellung von bloß 1 t Grundstoff monatlich. Zur Erzeugung größerer Mengen mußte die Erstbeklagte eine neue Anlage errichten. Am 23. Mai 1962 benachrichtigte der Kläger die erstbeklagte Partei, er könne die neue Fabrikationsanlage finanzieren. Am 6. September 1962 schlossen die erstbeklagte Partei und der Kläger eine "Zusatzvereinbarung zum Exklusivvertrag", wonach die Erstbeklagte die pünktliche Lieferung der Ware zusagte, während der Kläger die Abnahme von jährlich 750 bis 1000 t Grundstoff garantierte. Dieses Übereinkommen sollte am 1. Mai 1963 wirksam werden. Am 21. September 1962 versprach der Kläger eine Vorauszahlung von 200.000 DM für künftige Warenlieferungen. Die Rückzahlung wurde ab 1. Mai 1963 durch Abzug von 0.05 DM pro Kilogramm der Ware festgelegt. Der Kläger machte die Vorauszahlung von der Bedingung abhängig, daß die Erstbeklagte einen Betrieb zur Herstellung des Grundstoffes mit einer Jahresleistung von mindestens 1000 t bzw. einer Tagesleistung von mindestens rund 4.500 kg errichte. Der Kläger leistete diese Vorauszahlung in Teilbeträgen in der Zeit vom 10. Dezember 1962 bis 18. März 1963. Da die Erstbeklagte zum Bau der neuen Erzeugungsanlage keinen ausreichenden Bankkredit erhielt, erklärte sich der Kläger Mitte 1963 bereit, gegen hypothekarische Sicherstellung weitere Geldbeträge zur Verfügung zu stellen. Aus Gründen der Gebührenersparnis wurde vorerst ein Rangordnungsbeschluß über 2.000.000 S zugunsten des Klägers erwirkt, der bis 19. August 1964 gültig war, und dem Kläger ausgefolgt wurde. Der Kläger erhielt die Zusage, daß die Eintragung einer Hypothek jederzeit möglich sein werde. Er zahlte daraufhin in der Zeit vom 30. Juli 1963 bis 26. November 1963 in mehreren Teilbeträgen einen Betrag von 400.000 DM an die erstbeklagte Partei. Die Rückzahlung der vom Kläger insgesamt vorgestreckten 600.000 DM sollte durch Abzüge von den jeweiligen Fakturensummen über die Lieferung von Grundstoffen erfolgen. Es war zwischen dem Kläger und den Beklagten auch darüber verhandelt worden, den Kläger als stillen Gesellschafter an der Firma der erstbeklagten Partei zu beteiligen. Zu einer bindenden Vereinbarung ist es aber nicht gekommen.
Im Jänner 1964 erklärte der Kläger bei einer mündlichen Aussprache in Wien, er wolle aus dem Abnahmevertrag heraus, seine Abnahmeverpflichtung annullieren und fordere die gewährten Darlehen zurück. Für die Einwilligung der Beklagten bot er 200.000 DM an, doch stimmten die Beklagten der Vertragsauflösung nicht zu. Sie sprachen vielmehr ihre Bereitschaft aus, die grundbücherliche Sicherstellung sofort durchführen zu lassen, wenn der Kläger seine Abnahmeverpflichtung einhalte. Der Kläger bestand jedoch auf seiner Forderung, die Verträge zu lösen.
Das Berufungsgericht beurteilte die Zahlungen des Klägers nicht als Vorauszahlungen für zu liefernde Waren, sondern als Darlehen. Zeitpunkt und Ausmaß der Rückzahlungsraten seien vereinbarungsgemäß von der Abnahme der Warenlieferungen durch den Kläger abhängig gewesen. Der Kläger könnte die begehrten Geldbeträge zur Gänze nur dann zurückverlangen, wenn der Abnahmevertrag aus Gründen, die auf Seite der Beklagten lägen, aufgelöst werden könnte. Ein derartiger Auflösungsgrund liege aber nicht vor. Die Beklagten seien berechtigt gewesen, die Verbücherung der Darlehen deshalb zu verweigern, weil der Kläger nicht gewillt gewesen sei, den Vertrag einzuhalten.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hält sich für berechtigt, die Rückzahlung der von ihm vorgestreckten Geldbeträge zu verlangen, wobei nach seiner Ansicht die Vorauszahlung als Kredit an die Beklagten aufzufassen sei, während die 400.000 DM von vornherein als Darlehen gegeben worden seien. Weil die Beklagten die Sicherstellung im Grundbuch verweigert hätten, liege ein wichtiger Grund zur Auflösung des Darlehensvertrages und des Bezugsvertrages vor. Der Kläger will die Vereinbarungen über die Gewährung der Vorauszahlungen bzw. der Darlehen völlig von den übrigen zwischen den Streitteilen bestandenen Vertragsverpflichtungen trennen und behauptet, es seien zwei Verträge vorhanden, nämlich ein Abnahmevertrag und ein Darlehensvertrag. Der Abnahme(Bezugs)vertrag könne mit dem Darlehensvertrag in keinen rechtlichen Zusammenhang gebracht werden. Die erstbeklagte Partei hätte ihm die Ware anbieten und auf Zahlung des Kaufpreises klagen können. Er hingegen habe den Darlehensvertrag erfüllt, während die Verpflichtung zur Ausstellung einer Schuldurkunde unabhängig von anderen gegenseitigen Rechten und Pflichten, insbesondere vom Abnahmevertrag, bestanden habe und von der Erstbeklagten zu erfüllen gewesen sei.
In rechtlicher Hinsicht ist zu prüfen, ob ein Zusammenhang zwischen dem Abnahme- bzw. Bezugsvertrag und den Ergänzungen hiezu mit der Gewährung der Vorauszahlung und der Darlehen gegeben war. Die Parteien haben selbst ihre Vertragsergänzung vom 6. September 1962 als "Zusatzvereinbarung zum Exklusivvertrag" bezeichnet. Nicht nur in dieser Überschrift, sondern auch inhaltlich kommt zum Ausdruck, daß der Hauptvertrag durch diese Zusatzvereinbarung eine Erweiterung erfahren sollte. In diesem Ergänzungsvertrag stellte der Kläger eine Vorauszahlung von 200.000 DM in Aussicht und verpflichtete sich, ab 1. Mai 1963 Grundstoffe in der Menge von 750 bis 1000 t jährlich, anstatt bisher 10t monatlich, abzunehmen. Er zahlte die 200.000 DM mit der Bestimmung aus, sie zum Bau einer neuen Erzeugungsanlage zu verwenden. Dieser Betrag ist sohin nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich eng mit dem Abnahmevertrag verbunden. Es sollte mit dem Gelde die vom Kläger gewünschte Lieferkapazität der erstbeklagten Partei erreicht und die Lieferung der vereinbarten Warenmengen sichergestellt werden. Die den Beklagten insgesamt zur Verfügung gestellten 600.000 DM sollten nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes vereinbarungsgemäß durch Abzüge von den jeweiligen Fakturenbeträgen über die Warenlieferungen rückgezahlt werden. Durch die Erklärung des Klägers, den Bezugsvertrag nicht einhalten zu wollen, war den Beklagten die Lieferung der Ware und die Abzahlung der vom Kläger vorgeschossenen Geldbeträge in der vereinbarten Form unmöglich gemacht worden. Die vertraglichen Bestimmungen über die Kreditgewährung durch den Kläger sind untrennbar verknüpft mit dem Bezugsvertrag (gekoppelter Vertrag). Ohne Bezugsvertrag wären die Vereinbarungen über die Kredite des Klägers, insbesondere über die Rückzahlungsmodalitäten, nicht durchführbar. Bei gekoppelten Verträgen rechtfertigt der von den Parteien hergestellte Zusammenhang die Zurückhaltung der Leistung aus dem einen Vertrag bei Nichterfüllung des anderen Vertrages (Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse[2], II/1, S. 212 f.). Da sich der Kläger geweigert hat, den Bezugsvertrag zu erfüllen, hat er eine wesentliche Vertragsverpflichtung verletzt. Die Beklagten, die nach dem festgestellten Sachverhalt nicht nur hinsichtlich der Warenlieferung, sondern auch hinsichtlich der Ausstellung der Pfandbestellungsurkunde erfüllungsbereit waren, waren berechtigt, die Verbücherung abzulehnen, solange der Kläger seinerseits die Zuhaltung des Vertrages verweigerte. Wer die Erfüllung eines Vertrages ablehnt, kann selbst nicht vom Vertragspartner Erfüllung verlangen; er kann aber auch nicht vom Vertrag zurücktreten. Dies fordert schon der Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr. Den Beklagten steht sohin die Einrede des nicht erfüllten Vertrages zu. Die begehrten 599.000 DM sind zur Rückzahlung nicht fällig. Da schon aus diesen Gründen die Klage abzuweisen war, war auf die Eventualbegründung des Berufungsgerichtes, auch im Falle, daß die Beklagten sich zu Unrecht geweigert hätten, die Pfandbestellungsurkunde auszustellen, könne der Klage nicht stattgegeben werden, nicht einzugehen.
Die Rechtsrüge ist sohin verfehlt, so daß der Revision ein Erfolg zu versagen war.
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