Spruch:
Können sich mehrere Miterben, denen die Verwaltung und Besorgung des Nachlasses überlassen wurde, über die Fortführung eines vom Verlassenschaftskurator eingeleiteten Rechtsstreites nicht einigen, kann der bisherige Verlassenschaftskurator zur Fortführung des Prozesses belassen werden.
Entscheidung vom 20. Oktober 1965, 6 Ob 271/65
I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Die am 17. Dezember 1870 geborene Therese S. wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 22. Juni 1962 wegen Geistesschwäche beschränkt entmundigt; am 25. Dezember 1963 ist sie verstorben. Ihre beiden Kinder Anton S. und Maria W. hatte sie mit Testament vom 23. November 1960 zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt. Ihre weiteren Kinder Leopold S. und Anna D. hatte sie auf den Pflichtteil beschränkt, Johann S. als abgefertigt erklärt. Die beiden Erstgenannten gaben auf Grund des Testamentes, die drei Letztgenannten auf Grund des Gesetzes bedingte Erbserklärungen ab.
Mit den Kaufverträgen vom 21. Jänner und 31. Mai 1960 sowie vom 30. Mai und 27. September 1961 hatte die Erblasserin ihrem Sohn Anton S. und dessen Gattin Theresia S. verschiedene Anteile der Liegenschaften EZ. 1030, 1031 und 1032 der KG. Simmering verkauft.
Auf Antrag der drei gesetzlichen Erben und der Testamentserbin Maria W. bestellte das Erstgericht mit seinen Beschlüssen vom 25. Mai und 11. Juni 1964 den Rechtsanwalt Dr. Karl K. zum Verlassenschaftskurator, beauftragte ihn, zum Antrag dieser Erben, die Anfechtung der erwähnten Kaufverträge zu genehmigen, Stellung zu nehmen, und ermächtigte ihn sodann abhandlungsbehördlich, eine Klage auf Nichtigerklärung der Kaufverträge einzubringen. Dieser Beschluß wurde vom Rekursgericht dahin abgeändert, daß die Anträge der vier genannten Erben abgewiesen wurden, vom Obersten Gerichtshof aber im vollen Umfang wiederhergestellt.
Dr. K. brachte namens der Verlassenschaft zu ... des Landesgerichtes für ZRS. Wien gegen Anton und Theresia S. die Klage auf Nichtigerklärung der Verträge ein und stützte sie darauf, daß die am 22. Juni 1962 wegen Geistesschwäche beschränkt entmundigte Erblasserin auch schon im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse nicht mehr handlungsfähig gewesen sei.
Mit Beschluß vom 26. 4. 1965 verfügte nunmehr des Erstgericht, daß
I. den Testamentserben Anton S. und Maria W. die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen werde,
II. der Verlassenschaftskurator Dr. Karl K. seines Amtes enthoben werde,
IlI. Maria W. ermächtigt werde, an Stelle des Verlassenschaftskurators als Vertreterin der Verlassenschaft in den Rechtsstreit einzutreten und ihn fortzusetzen,
IV. der Verlassenschaftsakt dem Gerichtskommissär zur Inventarisierung des Nachlasses und Beendigung der Abhandlungspflege übermittelt werde.
Hiezu führte das Erstgericht aus, die gesetzlichen Erben Leopold S., Johann S. und Anna D. hätten inzwischen ihre Erbserklärungen zurückgezogen und erklärt, nur den Pflichtteil zu begehren; sie hätten auch innerhalb der ihnen erteilten sechswöchigen Frist keine Erbrechtsklage eingebracht. Wenn auch gemäß § 806 ABGB. eine rechtskräftig zu Gericht angenommene Erbserklärung nicht widerrufen werden könne, so hätten diese Erben doch ihren Willen zum Ausdruck gebracht, sich am Verlassenschaftsverfahren nicht mehr beteiligen zu wollen und auf jede Antragstellung zu verzichten. Es lägen somit keine widersprechenden Erbserklärungen mehr vor, daher sei den beiden Testamentserben antragsgemäß die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen. Dieser bedürfe demnach auch keines Kurators mehr. An seiner Stelle sei die Testamentserbin Maria W., die gemeinsam mit ihren Geschwistern Leopold und Johann S. sowie Anna D. die zwischen der Erblasserin und Anton und Theresia S. abgeschlossenen Kaufverträge anfechte, mit der Fortführung des Prozesses zu betrauen.
Das Rekursgericht gab weder dem gegen Punkt II des erstgerichtlichen Beschlusses gerichteten Rekurs des Verlassenschaftskurators noch dem gegen die Punkte II und IV gerichteten Rekurs der die Kaufverträge anfechtenden Erben, wohl aber dem gegen Punkt III gerichteten Rekurs des Anton S. Folge. Es bestätigte demgemäß die Punkte I, II und IV des erstgerichtlichen Beschlusses, hob aber dessen Punkt III auf.
Das Rekursgericht ging davon aus, daß die Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die Testamentserben gemäß Punkt I des erstgerichtlichen Beschlusses unangefochten geblieben sei. Beide seien in Ansehung der Verlassenschaft Gemeinschafter im Sinne des 16. Hauptstückes des II. Teiles des ABGB. Da der Nachlaß durch sie vertreten werde, bestehe zwar kein Grund mehr für die Aufrechterhaltung der Bestellung eines Verlassenschaftskurators, es könne aber auch nicht einer der beiden Gemeinschafter mit der Vertretung betraut werden, sondern es müsse nach den Vorschriften der §§ 833 ff. ABGB. vorgegangen werden. Daß Anton S. in dem Prozeß wegen Anfechtung der Kaufverträge Beklagter ist, hindere nicht, daß auch auf Seite der klagenden Verlassenschaft sein Wille im Rahmen dieser gesetzlichen Bestimmungen zu berücksichtigen sei. Die Verwaltung des Nachlasses könne von dessen Genuß im Sinne des § 145 AußStrG. nicht getrennt werden. Solange keine Entscheidung nach § 835 letzter Satz ABGB. ergangen sei, stehe die Nachlaßverwaltung beiden Gemeinschaftern zu und es könnten nicht gewisse Verwaltungsmaßnahmen einem allein übertragen werden. Die den Gegenstand des Prozesses bildenden Liegenschaftsanteile stunden im bücherlichen Eigentum Dritter und seien zuletzt weder im Besitz noch im Eigentum der Erblasserin gewesen. Es liege daher kein Grund vor, mit der Abhandlungspflege bis zur Beendigung des Rechtsstreites innezuhalten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse des Anton S. nicht, aber dem Rekurse des Leopold S., der Anna D., des Johann S. und der Maria W. teilweise Folge und hob Punkt II und III des erstgerichtlichen Beschlusses auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist davon auszugehen, daß vom Abhandlungsgericht für die damals infolge Vorliegens widersprechender Erbserklärungen unvertretene Verlassenschaft ein Kurator bestellt wurde und daß dieser auf Grund abhandlungsbehördlicher Genehmigung namens der Verlassenschaft gegen Anton und Theresia S. eine Klage wegen Anfechtung der Kaufverträge eingebracht hat. Diese Rechtslage hat zwar insofern eine Änderung erfahren, als den beiden Testamentserben unbekämpft gemäß § 145 AußStrG. die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen wurde. Die beiden Testamentserben sind daher berechtigt, den Nachlaß zu vertreten, und sie wären auch berechtigt, den eingeleiteten Prozeß fortzuführen. Die Vertretungsbefugnis der Testamentserben gelangt aber nicht zur Auswirkung, da sie hinsichtlich der Fortsetzung des Prozesses nicht einig sind. Es ist zwar Maria W. für die Fortsetzung, Anton S. jedoch dagegen. Der namens der Verlassenschaft eingeleitete Prozeß bedarf aber zu seiner Fortsetzung einer Vertretung des Nachlasses. Da die beiden Testamentserben in Ansehung dieser Vertretung in Rechtsgemeinschaft stehen, muß - hierin ist dem Rekursgericht beizupflichten - nach den Bestimmungen der §§ 833 ff. ABGB. vorgegangen werden. Hiezu bedarf es aber nicht - wie das Rekursgericht meint - der Einleitung eines abgesonderten Außerstreitverfahrens, da während der Dauer des Verlassenschaftsverfahrens das Abhandlungsgericht berufen ist, über Streitigkeiten der Miterben über die Nachlaßverwaltung zu entscheiden (6 Ob 2/65, SZ. XXIII 75, SZ. VIII 5; Rintelen, Grundriß S. 69). Können sich mehrere Miterben über die Nachlaßverwaltung nicht einigen, hat des Gericht einen Verwalter zu bestellen (GlUNF. 5564), der neben der Verwaltung des Nachlasses auch die Vertretung führt, insbesondere hat er auch die Eintreibung der Aktivforderungen zu besorgen (Rintelen, a. a. O.). Da nun im vorliegenden Falle zur Führung des Aktivprozesses bereits ein Vertreter in der Person des Verlassenschaftskurators bestellt war und die Notwendigkeit der Vertretung durch ihn auch durch die Übertragung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die Erben nicht weggefallen ist, weil die Erben mangels Einigung in den Prozeß nicht eingetreten sind (NotZtg. 1928, S. 80, GlUNF. 2393), erfolgte die Enthebung des Kurators und damit auch die Ermächtigung der Erbin Maria W., an Stelle des Kurators das Verfahren fortzuführen, zu Unrecht. Es war daher in Abänderung des angefochtenen Beschlusses auch der Punkt II des erstgerichtlichen Beschlusses (Enthebung des Verlassenschaftskurators) aufzuheben.
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