OGH 8Ob274/65

OGH8Ob274/6512.10.1965

SZ 38/160

Normen

ABGB §839
ABGB §891
Wohnhauswiederaufbaugesetz §15 (8)
WEG §8
ABGB §839
ABGB §891
Wohnhauswiederaufbaugesetz §15 (8)
WEG §8

 

Spruch:

Bei Abschluß eines Vertrages mit Mitgenossen im Wohnungseigentum kann nicht unter Berufung auf die Verkehrssitte auf eine Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur ungeteilten Hand geschlossen werden

Entscheidung vom 12. Oktober 1965, 8 Ob 274/65

I. Instanz: Bezirksgericht Hietzing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Der Erstbeklagte ist zu 300/9864 Anteilen, die Zweitbeklagte zu 180/9864 Anteilen Eigentümer der Liegenschaft, auf der von ihnen und anderen Miteigentümern ein Haus im Wohnungseigentum errichtet wurde. Im Zuge der Bauarbeiten vereinbarte "die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dieses Hauses durch ihren Machthaber, Architekten Friedrich K., mit der Klägerin die Lieferung von Granitsteinen zum Pauschalpreis von 5300 S. Die Klägerin lieferte die Granitsteine und stellte die Rechnung auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu Handen des Dr. Günther R. aus. Die Klägerin begehrt nunmehr von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von 5300 S samt 4% Zinsen seit 1. August 1963.

Die Beklagten behaupteten, zwischen der Klägerin und dem Vertreter der beklagten Parteien, Architekten Friedrich K., sei ausdrücklich vereinbart worden, daß Zahlungen nur und ausschließlich durch Architekt Friedrich K. geleistet werden und daß die Klägerin auf die Haftung der Wohnungseigentümer verzichte.

Das Erstgericht nahm diese von den beklagten Parteien behauptete Vereinbarung nicht als erwiesen an; es stellte vielmehr fest, daß der Auftrag vom 26. Juli 1963 schriftlich unter Verwendung eines Vordruckes durch Architekt Friedrich K. im Namen und für Rechnung der "Hausinhabung" erteilt worden sei. Das Erstgericht gelangte sohin unter Hinweis auf die Entscheidungen RiZ. 1933 S. 228 und SZ. XXVII 299, wonach bei Auftragserteilung durch einen gemeinsamen Bevollmächtigten Solidarhaftung der Vollmachtgeber aus dem Auftrag anzunehmen sei, zur Stattgebung des Klagebegehrens.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß das Urteil zu lauten habe, die Beklagten seien schuldig, der Klägerin folgende Beträge je samt 4% Zinsen seit 1. August 1963 zu bezahlen: der Erstbeklagte 161.20 S, die Zweitbeklagte 96.72 S. Das Mehrbegehren wies es ab. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Wohnungseigentümer des Hauses auf Grund des in ihrem Namen von Architekt Friedrich K. mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrages zur Zahlung des in Rechnung gestellten Kaufpreises verpflichtet seien, lehnte aber eine Haftung der Wohnungseigentümer zur ungeteilten Hand ab, weil im Hinblick auf die Bestimmung des § 8 (1) und (4) WEG. nicht davon ausgegangen werden könne, daß der Vertreter der Wohnungseigentümer mit der Begründung einer Gesamthaftung einverstanden gewesen wäre.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist einhellige Lehre und Rechtsprechung, daß das Wort "ausdrücklich" im § 891 ABGB. mit klar, offenkundig oder deutlich gleichzusetzen ist. Damit läßt sich aber noch nicht der in der Rechtsprechung vertretene Satz rechtfertigen, die Unteilbarkeit der Leistung ziehe die Solidarhaftung mehrerer Schuldner für die an sich teilbare Gegenleistung nach sich. Das würde geradezu eine Umkehrung der im § 889 ABGB. festgelegten Haftung mehrerer Schuldner einer teilbaren Sache nur für ihren Anteil in ihr Gegenteil bedeuten. Anders liegt die Sache freilich dann, wenn mit Rücksicht auf den Geschäftszweck oder die Verkehrssitte und die hieraus zu schließende Parteiabsicht (§§ 914, 863 ABGB.) die Solidarhaftung mehrerer Schuldner für die an sich teilbare Leistung anzunehmen ist. Die Entscheidung SZ. XXVII 299 meint, es verlangten Treu und Glauben des redlichen Geschäftsverkehrs, daß mehrere Personen, die jemandem einen Auftrag zur Erbringung von Leistungen auf Grund eines einheitlichen Vertrages erteilten, zur ungeteilten Hand für die sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen aufkämen. In dieser Allgemeinheit läßt sich der erwähnte Satz nicht aufrecht erhalten und auch nicht aus den Entscheidungen SZ. XVIII 217 und 6 Ob 249/63 ableiten. Die Entscheidung SZ. XXVII 299 stützt sich schließlich auch auf die Parteiabsicht und Verkehrssitte. Bei der Begründung von Wohnungseigentum wird das Miteigentum an der Liegenschaft vielfach in verhältnismäßig kleine Miteigentumsanteile zerlegt und es ist daher schon aus diesem Gründe nicht anzunehmen, daß sich ein Wohnungseigentümer, dem die finanziellen Verhältnisse seiner Mitgenossen im Eigentum kaum bekannt sind, zu einer Solidarverpflichtung gegenüber dem Bauunternehmer oder dem Lieferanten von Baumaterial herbeiläßt. Wenn sich auch für den Ausschluß einer Solidarhaftung aus den Bestimmungen des § 8 (1) und

(2) WEG. nichts gewinnen läßt, weil der Zweck dieser gesetzlichen Regelung darin gelegen ist, daß einer der Wohnungseigentümer in seiner Eigenschaft als Miteigentümer nicht von der verhältnismäßigen Tragung der Lasten, wie sie schon § 839 ABGB. festlegt, durch Vereinbarung zwischen den Miteigentümern mit Wirkung gegenüber dritten Personen ausgeschlossen werden kann. § 15 (8) des WWG. beschränkt die Haftung des einzelnen Wohnungseigentümers hinsichtlich der aufgenommenen Fondsdarlehen auf den seinem Miteigentumsanteil entsprechenden Teil. Damit wird dem obigen Gesichtspunkt Rechnung getragen, daß gerade bei der Begründung von Wohnungseigentum eine Eigentumsgemeinschaft entsteht, deren Mitgenossen eine sehr unterschiedliche finanzielle Kapazität aufweisen können. Es läßt sich also bei Abschluß eines Kaufvertrages, bei dem dem Verkäufer auf der Käuferseite mehrere Wohnungseigentümer gegenüberstehen, aus der Tatsache allein, daß der Verkäufer im allgemeinen nicht gewillt ist, eine nach Größe und Zahl der Eigentumsanteile gespaltene Forderung gegen eine größere Anzahl von Schuldnern zu erwerben, für die Feststellung der Parteiabsicht aus dem Geschäftszweck oder aus der Verkehrssitte nichts gewinnen, weil sich, wie bereits ausgeführt, eine gleichgerichtete Parteiabsicht auf der Käuferseite aus der Art des Geschäftes allein nicht ableiten läßt. Auch die Regeln, des redlichen Verkehrs sprechen nicht gegen diese Annahme. Daß der Klägerin aber nicht bekannt gewesen wäre, daß die Käufer Wohnungseigentümer seien, wird durch die Vereinbarung selbst widerlegt, in der ausdrücklich als Vertragspartner der Klägerin die "Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" aufscheint.

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