OGH 2Ob230/65

OGH2Ob230/6530.9.1965

SZ 38/153

Normen

ABGB §1325
ABGB §1325

 

Spruch:

Dem Verletzten steht nicht die Wahl zu, entweder den konkreten Verdienstentgang ersetzt zu verlangen oder eine (höhere) abstrakte Rente zu fordern. Die abstrakte Rente muß eine Ausnahme für jene Härtefälle bleiben, in denen der Verletzte trotz seines körperlichen Dauerschadens leer ausgehen müßte, weil ihm zufällig und vorläufig kein ziffernmäßig erfaßbarer Verdienstausfall erwachsen ist

Entscheidung vom 30. September 1965, 2 Ob 230/65

I. Instanz: Kreisgericht Ried i. I.; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Der Kläger hat am 25. Mai 1961 in Braunau am Inn einen Verkehrsunfall erlitten. Im Rechtsmittelverfahren ist nicht mehr strittig, daß ihm der Beklagte für die Folgen dieses Unfalls aus Verschulden ersatzpflichtig ist.

Hinsichtlich des unfallsbedingten Verdienstentganges ist festgestellt, daß der Kläger vor dem Unfall vom 25. Mai 1961 in den Metallwerken X. als Autobuslenker beschäftigt war, daneben in gleicher Verwendung nebenberuflich beim Taxiunternehmer Johann N. Der Führerschein Klasse D wurde dem Kläger unfallswegen entzogen. Die Nebenbeschäftigung, die der Kläger ansonsten bei N. oder einem an deren Unternehmer hätte fortführen können, verlor der Kläger infolge des Unfalls vom 25. Mai 1961; dadurch erlitt er einen Verlust von 125 S wöchentlich; in dieser Hinsicht haben ihm die Vorinstanzen Ersatz zuerkannt und ebenso die laufende Monatsrente von 500 S ab 1. November 1963. Diesbezüglich ist das Berufungsurteil nicht angefochten worden. Was aber den Hauptberuf des Klägers bei den Metallwerken X. betrifft, so ist festgestellt, daß der Kläger unfallsbedingt nunmehr als PKW-Lenker und Sanitätskraftwagen-Lenker tätig ist; er erleidet durch diese unfallsbedingte Umschichtung in seinem Betrieb einen Verdienstentgang von 12 g für die Arbeitsstunde gegenüber den seinerzeitigen Bezügen als Autobuslenker. Diesen konkreten Verdienstentgang hat der Kläger ab 1. November 1963 bewußt nicht ersetzt verlangt, vielmehr in dieser Hinsicht - zusätzlich zur oben erwähnten Rente wegen des Entganges aus der Nebenbeschäftigung - eine "abstrakte" Rente in der Höhe von monatlich 500 S ab 1. November 1963 geltend gemacht.

Dieses Rentenbegehren hat das Erstgericht mit der Begründung abgewiesen, daß der Dauerschaden des Klägers bereits zu einer konkreten Erwerbseinbuße geführt habe, so daß ihm schon aus diesen Gründe eine sogenannte abstrakte Rente nicht zuzuerkennen sei. Diese Abweisung hat der Kläger in der Berufung zum Teil bekämpft und den Zuspruch einer abstrakten Rente in der Höhe von 300 S ab 1. November 1963 zu erreichen gesucht.

Die Berufungsinstanz hat - der Berufung des Klägers auch in diesem Punkte zum Teile folgend - dem Kläger für die Zeit ab 27. Jänner 1965 (Schluß der Verhandlung in erster Instanz) die verlangte abstrakte Rente von 300 S zugesprochen.

Der Oberste Gerichtshof wies das Begehren auf Bezahlung einer abstrakten Rente von monatlich 300 S für die Zeit ab 27. Jänner 1965 ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Recht wendet sich der Revisonswerber gegen diese Erledigung der Berufungsinstanz. Denn bei der Beurteilung des gesamten Rentenbegehrens ist zwar der Verdienstentgang aus der hauptberuflichen Beschäftigung und aus der Nebenbeschäftigung auseinanderzuhalten (in dieser Richtung trifft der Hinweis auf 2 Ob 233/64 vom 12. November 1964, ZVR. 1965, Spruchbeilage Nr. 168, sinngemäß zu); was aber den in dritter Instanz offenen Anspruch auf Ersatz von Verdienstentgang aus der Hauptbeschäftigung des Klägers betrifft, so hält das Revisionsgericht an seiner ständigen Praxis (vgl. z. B. 2 Ob 481/61 = JBl. 1962 S. 503) auch diesfalls fest, daß dann, wenn der beim Verletzten eingetretene Dauerschaden eine entsprechende Erwerbseinbuße bereits nach sich gezogen hat, wie im dargestellten Falle des Klägers, eine diese Einbuße übersteigende Rente nicht zuerkannt werden darf, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß mit Rücksicht auf die Dauerfolgen der Schädigung ein Deckungsfonds geschaffen werden müsse; eine sich künftig etwa einstellende weitere Erwerbseinbuße ist gesondert geltend zu machen (der Kläger verweist selbst auf das Feststellungserkenntnis der Vorinstanzen). Zutreffend wendet sich also der Revisionswerber gegen die Beurteilung der Berufungsinstanz, die praktisch zur Einräumung des Wahlrechtes an den Verletzten führt, entweder den konkreten Verdienstentgang ersetzt zu verlangen oder eine - höhere - sogenannte abstrakte Rente zu fordern. Die abstrakte Rente muß eine Ausnahme für jene Härtefälle bleiben, in denen der Verletzte trotz seines körperlichen Dauerschadens leer ausgehen müßte, weil ihm zufällig und vorläufig kein ziffernmäßig erfaßbarer Verdienstausfall erwachsen ist. In allen anderen Fällen muß die konkrete Berechnung des Verdienstentganges Platz greifen; bei Erwirkung eines Feststellungsurteils wird es dem Verletzten in diesen Fällen immer möglich sein, in Zukunft den Ersatz eines weiteren Verdienstentganges wirksam zu fordern. Aus diesen Erwägungen kommt das Revisionsgericht - in Übereinstimmung mit der Beurteilung der ersten Instanz - zum Ergebnis, daß das noch offene Rentenbegehren von 300 S monatlich ab 27. Jänner 1965 unbegrundet ist. Auch innerhalb dieses Rahmens kann dem Kläger Ersatz seines konkreten Verdienstentganges aus der Hauptbeschäftigung nicht zugesprochen werden, weil er ausdrücklich, erklärt hatte, in dieser Beziehung ein Begehren nicht zu stellen. Im Sinne dieser Ausführungen ist die Rechtsrüge des Revisionswerbers zu diesem Punkte gerechtfertigt.

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