Spruch:
Ist der Vermittlungsagent zum Inkasso befugt, so muß der Geschäftsherr Zahlungen gegen sich gelten lassen, wenn auch die Bestellung den erteilten Weisungen widerspricht
Entscheidung vom 29. September 1965, 7 Ob 264/65
I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz
Text
Der Beklagte ist Inhaber eines Zeitschriften- und Buchversandbetriebes. Zur Entgegennahme von Bestellungen verwendet er Vertreter, zu denen auch der Vertreter M. gehört. Dieser erschien bei dem Kläger und versuchte, von ihm die Bestellung für ein Zeitschriftenabonnement zu erhalten. Nachdem der Kläger eine derartige Bestellung abgelehnt hatte, erklärte der Vertreter, daß er auch das Recht habe, Aufträge für die von der beklagten Partei vertriebenen Bücher entgegenzunehmen und einen Rabatt von 10% zu gewähren. Hierauf bestellte der Kläger das Bertelsmann-Lexikon, das, aus zwei Bänden bestehend, mit dem Preise von 560 S geliefert werden sollte. Da der Vertreter erklärte, daß der Kläger im Falle einer sofortigen Bestellung auch eine Inkassoprämie erhalte, bezahlte der Kläger sofort 504 S als Kaufpreis (560 S abzüglich eines 10%igen Rabatts). Für die schriftliche Fixierung der Bestellung verwendete M. einen Bestellschein aus einem Block, der ihm von der beklagten Partei zur Entgegennahme von Zeitschriftenbestellungen ausgefolgt wurde. Der Bestellschein enthielt insbesondere auch die Klausel, daß mündliche Vereinbarungen keine Geltung haben und der Werber 20% des Auftragswertes in Anzahlung nehmen dürfe. M. strich die Bedingungen auf dem Bestellschein durch und bestätigte die Zahlung auf der Rückseite. Er erklärte dem Kläger, daß er mit diesem Bestellschein auch Buchbestellungen entgegennehmen dürfe. Der Kläger las den Bestellschein nicht durch, zumal der Vertreter den gedruckten Text als für die Buchbestellung ungültig bezeichnete. Da die Lieferung des Lexikons nicht vorgenommen wurde, urgierte sie der Kläger mit seinem Schreiben vom 10. Dezember 1963 und erklärte, daß er die Rückzahlung des Kaufpreises verlange, wenn die Lieferung im Laufe der nächsten Woche nicht durchgeführt werde. Auch weitere Mahnungen blieben aber erfolglos, da der Vertreter M. weder den Bestellschein an den Beklagten weiterleitete noch das einkassierte Geld ablieferte. Nachdem gegen ihn wegen Betruges einige Anzeigen erstattet worden waren, wurde er strafgerichtlich verurteilt. Er war in erster Linie beauftragt, Buchbestellungen entgegenzunehmen. Hiezu hatte er Bestellscheine, deren Bedingungen sich im wesentlichen mit jenen für die Zeitschriftenbestellungen deckten. Insbesondere waren auch in ihnen die Klauseln enthalten, daß der Vertreter nur 20% der Auftragssumme kassieren darf und mündliche Vereinbarungen keine Gültigkeit haben.
In der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, den Beklagten zu verurteilen, ihm den Betrag von 504 S samt 5% Zinsen seit 18. November 1963 zu bezahlen. Der Beklagte wendete ein, daß er für das Verhalten des Vertreters nicht hafte.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und ging in rechtlicher Beziehung davon aus, daß den Beklagten die Haftung für das betrügerische Vorgehen seines Vertreters treffe und er dem Kläger, der gemäß § 918 ABGB. vom Vertrage zurückgetreten sei, den geleisteten Kaufpreis von 504 S zurückzahlen müsse.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde. Es gelangte zu folgenden rechtlichen Ergebnissen: Der Vertreter M. habe den Umfang seiner Vollmacht überschritten, was der Kläger habe erkennen können.
Der Umfang der Vollmacht sei aus den Bestellscheinformularen ersichtlich gewesen. Der Beklagte habe keinen Tatbestand geschaffen, auf Grund dessen der Kläger hätte vertrauen können, daß M. eine weitergehende Vollmacht erteilt worden sei. Da auch der Beklagte weder die Vereinbarungen nachträglich genehmigt noch sich aus ihnen einen Vorteil zugewendet habe, seien vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien überhaupt nicht entstanden. Für das Verhalten des Vertreters außerhalb eines zustandegekommenen Vertrages hafte aber der Beklagte nicht, so daß er nicht verpflichtet sei, den als Kaufpreis geleisteten Betrag dem Kläger zurückzuzahlen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers teilweise Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß der Beklagte schuldig erkannt wurde, dem Kläger 100.80 S samt Zinsen zu bezahlen; hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens wurde der Revision nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß § 4 (3) HVG. wäre M. allerdings als Handlungsreisender zur Einziehung des Preises aus von ihm abgeschlossenen Verkäufen ermächtigt. Weder aus dem Vorbringen der Parteien noch aus den bloßen Tatsachenfeststellungen der Untergerichte ergibt sich jedoch, daß M. Abschlußagent gewesen wäre. Auch der Inhalt des vom Kläger unterfertigten Bestellscheines läßt nichts anderes erkennen, als daß der Kläger durch Vermittlung M.s beim Beklagten die Bücher bestellt, also einen schriftlichen Antrag auf Abschluß des Kaufvertrages gefertigt hat. Keiner der Streitteile konnte auch bei seiner Vernehmung als Partei etwas anderes angeben. Der Kläger sagte aus, M. habe erklärt, er könne Bücher "in Auftrag nehmen". Für eine Abschlußvollmacht fehlt sowohl eine Behauptung als auch ein Beweis. Ein bloßer Vermittlungsagent ist aber nach der angeführten Bestimmung zum Inkasso nicht befugt, weil er ja keinen Verkauf abschließt (Grünberg und Mayer - Mallenau, "Das Handelsagentengesetz"; Pisko, Lehrbuch, S. 116; Hämmerle I 277).
Der Beklagte hat M. dadurch, daß er ihm Bestellvordrucke mit der Bemerkung, daß der Werber berechtigt sei, bis zu 20% der Kaufsumme als Anzahlung entgegenzunehmen, übergab, hiezu ermächtigt und damit auch zum Ausdruck gebracht, daß eine weitergehende Befugnis zur Einkassierung nicht bestehe. Der Umstand, daß der Antrag auf Lieferung der Bücher auf einem Formblatt für die Bestellung von Zeitschriften erfolgte, ist ohne Belang. Einerseits war M. auch zum Vertrieb von Büchern befugt, wofür im wesentlichen gleiche Vordrucke bestanden, andererseits war für den Beklagten kein Grund vorhanden, die M. erteilte Ermächtigung im Fall der Bestellung von Büchern weiter auszudehnen.
Allerdings gab sich M. als unbeschränkt zum Inkasso befugt aus. Es ist richtig, daß der Geschäftsherr für die von seinem Vertreter begangene Irreführung einzustehen hat, jedoch immer nur in bezug auf im Rahmen der diesem erteilten Vollmacht vorgenommene Rechtshandlungen. Diesbezüglich sind für den Dritten nur die Erklärungen des Machtgebers von Bedeutung. Soweit der Vertreter nicht bevollmächtigt ist, kann er seinen Geschäftsherrn weder durch Verträge noch durch unerlaubte Handlungen verpflichten. Führt er also den Dritten über den Umfang der ihm erteilten Vollmacht in Irrtum, so ist dies für den Machtgeber nur insoweit verbindlich, als dieser den Irrtum durch sein Verhalten möglich gemacht hat. Wäre man anderer Ansicht, so hieße das, sich über die Bestimmungen der §§ 1007 und 1016 ABGB. hinwegzusetzen. Der Vertreter brauchte nur unwahrerweise gegenüber dem Dritten zu behaupten, er sei zum Abschluß eines Geschäftes oder sonst zu einer Rechtshandlung, wie zum Inkasso, befugt, um die Beschränkung gegenüber seinem Machtgeber wirkungslos zu machen. Alle Vertreter auch solche, die nur Anträge entgegenzunehmen haben, hätten dann im Verhältnis zum Dritten, der den Umfang der Vollmacht nicht kennt, geradezu die Stellung eines Prokuristen. Der Geschäftsherr wäre dagegen schutzlos, daß ein ungetreuer Vertreter unbefugt nach Belieben für ihn Geldbeträge einkassiert, wenn dieser es nur versteht, glaubwürdig darzutun, daß er hiezu befugt sei.
Hinsichtlich des Bestehens und des Umfanges einer Vollmacht ist daher für den Dritten nur der vom Geschäftsherrn gesetzte Tatbestand maßgebend. Eine Irreführung durch den Vertreter geht diesbezüglich zu Lasten des Dritten.
Der Kläger führt in der Revision aus, der Beklagte habe, obwohl ihm die kriminelle Neigung M.s bekannt gewesen sei, diesen als Vertreter beschäftigt. Ein solches Vorbringen wurde jedoch in erster Instanz nicht erstattet, so daß es sich hiebei um eine unzulässige Neuerung handelt. Der Hinweis auf die Parteiaussage des Beklagten ist aktenwidrig, da dieser gerade das Gegenteil angegeben hat, nämlich, daß ihm bis zu diesem Vorfall nichts über Unregelmäßigkeiten M.s bekannt gewesen sei. Daß er ihn später nach dessen Verurteilung wegen Betruges wieder angestellt hat, kann für das Zustandekommen des Irrtums des Klägers nicht ursächlich gewesen sein.
Soweit jedoch M. 20% des Kaufpreises kassiert hat, handelte er im Rahmen seiner Inkassovollmacht. Anzahlungen können auch bei Übernahme von Bestellungen, die erst durch Annahme verbindlich werden, geleistet werden. Kommt es nicht zum Abschluß, so ist der Betrag gemäß § 1435 ABGB, zurückzubezahlen.
Mit Unrecht verweist das Berufungsgericht darauf, M. habe seine Vollmacht überschritten, weil er die Bestellung unter Gewährung eines Nachlasses von 10% entgegengenommen hat. Da es sich um einen bloßen Antrag handelt, brauchte der Kläger gar nicht zu überprüfen, ob der Beklagte schon von vornherein mit einem solchen Geschäft einverstanden war. Es war ja Sache des Beklagten, den Antrag anzunehmen oder abzulehnen. Der Dritte hat oft gar nicht die Möglichkeit, zu überprüfen, ob der Vermittlungsagent die Preise richtig erstellt, ebensowenig, ob es die bestellte Ware auch gibt. Es ist daher auch ohne Bedeutung, daß nur ein fünfbändiges und kein zweibändiges Bertelsmann-Lexikon besteht. Durch die Betrauung mit der Entgegennahme von Aufträgen und die Einhändigung der Formblätter für Bestellungen mit dem festgestellten Inhalt hat der Beklagte den äußeren Tatbestand gesetzt, wonach M. befugt war, im Rahmen des Geschäftsbetriebes des Beklagten Bestellungen entgegenzunehmen und 20% des Auftragswertes zu kassieren.
Da das Geschäft nicht zustandegekommen ist, hat der Beklagte dem Kläger den angeführten Betrag gemäß § 1435 ABGB. zurückzuerstatten.
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