Normen
KO §4 (1)
KO §4 (1)
Spruch:
Hat ein Gemeinschuldner vor der Konkurseröffnung eine ihm angefallene Erbschaft angetreten (die Erbserklärung abgegeben), steht dem Masseverwalter auch das Recht zu, nach der Konkurseröffnung anstelle des Gemeinschuldners dessen Rechte aus dem Erbanfall zu vertreten, und zwar unter Ausschluß des Gemeinschuldners
Der Masseverwalter ist dann auch dazu legitimiert, die noch nicht eingeantwortete Verlassenschaft allein oder in Gemeinschaft mit den erbserklärten Miterben zu vertreten
Entscheidung vom 30. Juni 1965, 3 Ob 101/65
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz
Text
Das Erstgericht bewilligte am 19. Jänner 1965 der betreibenden Gläubigerin auf Grund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Anerkenntnisurteiles vom 16. September 1964 zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 18.000 S s. A. wider die verpflichtete Partei Verlassenschaft nach Friederike K., verstorben am 10. Dezember 1956, vertreten durch vier erbserklärte Erben, darunter Rechtsanwalt Dr. N. N. als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Erben Josef K., die Exekution durch Zwangsversteigerung eines im Eigentum der Verpflichteten stehenden Liegenschaftsanteiles. Es genehmigte mit Beschluß vom 6. April 1965 die von der betreibenden Partei vorgelegten Versteigerungsbedingungen, wobei es der Versteigerung den Schätzwert von 50.000 S zugrunde legte.
Das Rekursgericht wies den von Josef K. gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs als unzulässig zurück. Es fehle ihm als Gemeinschuldner in dem eine reine Exekution betreffenden Verfahren die Rekurslegitimation. Diese stehe dem am Verfahren beteiligten Masseverwalter zu.
Der Oberste Gerichtshof gab dem gegen den zweitinstanzlichen Beschluß erhobenen Rekurs des Josef K. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurswerber bekämpft die Ansicht des Rekursgerichtes, daß der in Exekution gezogene Liegenschaftsanteil zur Konkursmasse gehöre und daher der Masseverwalter vertretungsbefugt sei, unter Hinweis auf die Entscheidung SZ. XV 54, in der ausgesprochen wurde, daß ein dem Gemeinschuldner im Erbwege angefallenes, noch nicht eingeantwortetes Vermögen noch nicht Bestandteil seines Vermögens im Sinne der §§ 1, 73 KO. sei. Eine noch nicht eingeantwortete Verlassenschaft könne von seinen (des Rekurswerbers) Konkursgläubigern nicht in Exekution gezogen werden, es bilde daher kein Konkursvermögen und der Masseverwalter sei diesbezüglich nicht vertretungsbefugt.
Der betreibende Gläubiger übersieht, daß es auf die Frage, ob die Rechte des Gemeinschuldners an den Vermögensstücken aus einem Erbanfall nach der Erbserklärung zur Konkursmasse gehören, für die Beurteilung der Vertretungsbefugnis hier nicht ankommt. § 4 (1) KO. gibt dem Masseverwalter zum Zwecke der Erlangung einer dem Gemeinschuldner angefallenen Erbschaft und damit zur Einbeziehung der dem Gemeinschuldner zukommenden Erbschaftsstücke in die Konkursmasse das Recht, anstelle des Gemeinschuldners Erbschaften mit dem Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars anzutreten. Diese Vorschrift muß im Sinne ihres Zweckes dahin verstanden werden, daß in dem Falle, als ein Gemeinschuldner vor der Konkurseröffnung eine ihm angefallene Erbschaft allein oder in Gemeinschaft mit Miterben angetreten (die Erbserklärung abgegeben) hat, dem Masseverwalter auch das Recht zusteht, nach der Konkurseröffnung anstelle des Gemeinschuldners dessen Rechte aus dem Erbanfall zu vertreten, und zwar unter Ausschluß des Gemeinschuldners. Dies gilt um so mehr, als nach § 4 (2) KO. der Antritt der Erbschaft durch den Masseverwalter ein der Konkursmasse zustehendes Recht ist. Das erwähnte Recht scheidet aus der Konkursmasse nur dann aus, wenn der Masseverwalter die dem Gemeinschuldner angefallene Erbschaft nicht annimmt oder die Vertretung des Gemeinschuldners bezüglich der von diesem bereits angenommenen Erbschaft nicht übernimmt (vgl. Rintelen, Handbuch des Österr. Konkurs- und Ausgleichsrechtes, S. 202). Der Masseverwalter ist auf Grund der bereits vom Gemeinschuldner abgegebenen Erbserklärung dazu legitimiert, auch die noch nicht eingeantwortete Verlassenschaft allein oder in Gemeinschaft mit den erbserklärten Miterben zu vertreten, dies auch dann, wenn ein Verlassenschaftsgläubiger auf ein zur Verlassenschaft gehöriges Vermögensstück Exekution führt (vgl. dazu Lehmann, Kommentar zur Österr. Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, I 57, der, anders als SP. XV 54, eine Zugehörigkeit der Verlassenschaft bereits als "Bestandteil" des gemeinschuldnerischen Vermögens zur Konkursmasse - nicht bloß eine Legitimation des Masseverwalters - annimmt; ferner Bartsch - Pollak, Konkursordnung, S. 58, Fußnote 4, der unter Hinweis auf Rintelen und Lehmann ausführt, daß die Rechte des Erben hinsichtlich des "zur Masse gehörigen Nachlasses" der Masseverwalter auszuüben hat). Diese Vertretungsbefugnis ist davon unabhängig, daß das Nachlaßvermögen, solange die Einantwortung nicht erfolgt ist, vom Konkursvermögen insofern geschieden bleibt, als schließlich nur das in die Konkursmasse fällt, was dem Gemeinschuldner aus der Verlassenschaft frei zukommt (§ 98 KO.).
Der Masseverwalter Dr. N. N. hat vorliegendenfalls von seiner gesetzlichen Vertretungsbefugnis Gebrauch gemacht. Schon der Exekutionstitel selbst ist gegen die verpflichtete Verlassenschaft, vertreten u. a. durch Dr. N. N. als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Erben Josef K. ergangen. Der Masseverwalter hat auch alle Zustellungen in der nunmehr auf Grund des Exekutionstitels anhängigen Exekutionssache angenommen. Er ist gemäß diesem tatsächlichen Verhalten in sinngemäßer Anwendung es § 4 KO. der gesetzliche Vertreter des Josef K. bei der Verfolgung und Verteidigung der Rechte desselben aus dem Erbanfall nach Friederike K. Nur er wäre in Vertretung des Gemeinschuldners und der Konkursmasse zu dem vom Gemeinschuldner selbst eingebrachten Rekurs berechtigt gewesen.
Daß es sich hier um eine reine Exekution handelt, bei der - anders als bei einer kridamäßigen Versteigerung gemäß § 119 KO. auf Antrag des Masseverwalters im Konkurs des Gemeinschuldners - der Gemeinschuldner durch den Masseverwalter vertreten wird (SZ. XXXII 91), hat schon das Rekursgericht, wenn auch unter der irrigen Annahme, daß die betreibende Partei eine "Absonderungsgläubigerin" sei, zutreffend ausgeführt. Der Ausnahmefall einer kridamäßigen Versteigerung durch den Masseverwalter im Konkurs des Verpflichteten ist hier auch schon deshalb nicht in Frage gekommen, weil es sich nicht um eine Exekutionsführung auf Grund einer Schuld des Verpflichteten, sondern zur Hereinbringung der Schuld einer Erblasserin handelt, zu deren Nachlaß der Verpflichtete, gleich den Miterben, eine Erbserklärung abgegeben hat.
Das Rekursgericht hat daher den Rekurs des Josef K. wegen Fehlens der Rekurslegitimation mit Recht als unzulässig zurückgewiesen.
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