OGH 7Ob170/65

OGH7Ob170/6523.6.1965

SZ 38/104

Normen

ABGB §365
B-VG Art140
JN §1
Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger §5
ABGB §365
B-VG Art140
JN §1
Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger §5

 

Spruch:

Zulässigkeit des Rechtsweges für den Anspruch auf Rückgabe einer enteigneten Liegenschaft nach Aufhebung des Enteignungsgesetzes als verfassungswidrig

Entscheidung vom 23. Juni 1965, 7 Ob 170/65

I. Instanz: Landesgericht Eisenstadt; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Rückgabe verschiedener im Burgenland gelegener Liegenschaften, die früher in ihrem Eigentum gestanden seien und die durch ein burgenländisches Landesgesetz und einen Bescheid des Landeshauptmannes in das Eigentum der beklagten Partei übertragen worden seien, weil der Bescheid des Landeshauptmannes und das Landesgesetz wieder aufgehoben worden seien, soweit sie die Enteignung der klagenden Partei betrafen. Die klagende Partei sei dadurch wieder Eigentümerin der ihr entzogenen Vermögenswerte geworden und könne deren Herausgabe von der beklagten Partei verlangen, weil der Rechtsgrund, die Liegenschaften zu behalten, weggefallen sei. Die beklagte Partei wendete u. a. Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil es sich bei dem Anspruch der Klägerin nicht um einen privatrechtlichen, sondern um einen aus einem Akt der Hoheitsverwaltung abgeleiteten Anspruch handle.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es führte aus, eine Enteignung, und zwar auch eine solche durch Gesetz, stelle eine öffentlich-rechtliche Maßnahme dar, deren Vollzug den Verwaltungsbehörden zustehe. Diese haben die Enteignungsmaßnahmen auch durchgeführt und seien daher auch für die Rückführung der öffentlichen Rechte in private Rechte nach Aufhebung der Enteignung zuständig.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß dahin ab, daß es die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verwarf und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auftrug. Es führte aus, das Rechtsverhältnis zwischen Enteignetem und Enteigner sei zwar ein öffentlich-rechtliches, weshalb im Falle einer eigenmächtigen Besitzergreifung durch den Enteigner sowie wegen Rückstellung eines Grundstückes nach Aufhebung der Enteignung die Verwaltungsbehörde zuständig sei. Der vorliegende Fall sei aber deshalb anders gelagert, weil die Enteignung auf Grund eines Landesgesetzes erfolgt sei, in dem im Gegensatz zu anderen Enteignungsgesetzen ein Antrag, die Enteignung aufzuheben, nicht vorgesehen sei. Eine Aufhebung der Enteignung im Verwaltungsweg sei nur dort zulässig, wo dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet werde. Die klagende Partei hätte keine Möglichkeit, die Aufhebung der Enteignung und die Rückstellung der Liegenschaften bei der Verwaltungsbehörde zu erreichen. An der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde mangle es auch deshalb, weil das betreffende burgenländische Landesgesetz vom 15. September 1959 infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1963, G 20/62, womit bestimmte Teile als verfassungswidrig erkannt worden seien, auf die enteigneten Vermögenschaften nicht angewendet werden könne. Die klagende Partei habe ihr Begehren auf ihr Eigentum und eine nach § 1435 ABGB, zu beurteilende Bereicherung gestützt, also auf Privatrechtstitel, für deren Geltendmachung der ordentliche Rechtsweg offenstehe, da anderslautende Bestimmungen nicht bestunden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Ob eine Sache in den Kompetenzbereich der Gerichte oder der Verwaltungsbehörde fällt, entscheidet in jedem Einzelfall die positive gesetzliche Vorschrift. Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen gemäß § 1 JN. mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden. Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten besteht also eine Generalklausel zugunsten der Zivilgerichte (Fasching, Band I, S. 42 ff.). Wird ein bürgerlicher Rechtsanspruch geltend gemacht, ist grundsätzlich das Gericht zur Entscheidung berufen, es sei denn, daß der Anspruch ausdrücklich durch Gesetz vor eine andere Behörde verwiesen wird. Bei der Beurteilung, ob es sich um einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch handelt, ist in erster Linie das Vorbringen in der Klage maßgebend. Die Zulässigkeit des Rechtsweges hängt nicht davon ab, mit welchen Einwendungen sich die beklagte Partei zur Wehr setzt, das hat nur für die Sachentscheidung Bedeutung.

Im vorliegenden Fall ist dem Rekursgericht beizustimmen, daß sich die klagende Partei auf ihr Eigentumsrecht und allenfalls auf eine Bereicherung nach § 1435 ABGB. beruft, also auf bürgerliche Rechtstitel. Der Rechtsweg ist daher, wie oben ausgeführt wurde, grundsätzlich zulässig, es sei denn, daß ein Gesetz die Durchsetzung dieser Ansprüche ausdrücklich an die Verwaltungsbehörde verwiese. Ein solches Gesetz liegt aber, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hier nicht vor. Die Bestimmungen des Art. 13 des Verwaltungsentlastungsgesetzes und das Eisenbahnenteignungsgesetz kommen hier nicht zur Anwendung, weil sie auf Fälle der Verstaatlichung von Stromerzeugungs- und Stromverteilungsanlagen nach dem 2. Verstaatlichungsgesetz nicht anzuwenden sind (VwGH. v. 9. November 1950, Zl. 2235/49); Auf dieses Gesetz stützt sich aber die mittels Landesgesetz der burgenländischen Landesregierung durchgeführte Enteignung der klagenden Partei. Wenn sich auch die klagende Partei wegen der Wiedererlangung ihres Eigentumsrechtes auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes stützt, ändert das nichts daran, daß sich ihr Klagebegehren auf ihr schon früher bestandenes Eigentumsrecht, also einen bürgerlichrechtlichen Titel, stützt. Ein solcher Rückgabeanspruch, der sich aus der Aufhebung eines verfassungswidrigen Gesetzes ergibt, ist ein bürgerlichrechtlicher Titel, über den unabhängig von der materiellen Rechtslage der ordentliche Richter zu entscheiden hat (vgl. Verfassungsgerichtshof vom 13. Dezember 1957, ÖJZ. 1958 S. 249), welche Entscheidung anläßlich eines Schadenersatzanspruches aus dem Titel eines verfassungswidrigen Gesetzes erging. Die Ausführungen Klangs in Klang[2], II, 203, auf die die beklagte Partei hinweist, betreffen das Eisenbahnenteignungsgesetz, das, wie oben ausgeführt wurde, im vorliegenden Fall nicht angewendet werden kann.

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