Spruch:
Die Schuldhafte Vereitlung der Erfüllung einer im Vertrag übernommenen wesentlichen Nebenverpflichtung gibt dem anderen Teil das Recht auf Rücktritt
Entscheidung vom 15. Juni 1965, 8 Ob 171/65
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz
Text
Der Beklagte verpflichtete sich nach der zwischen ihm und dem Kläger getroffenen Vereinbarung vom 31. Dezember 1963 für das Jahr 1964, vom Kläger 30.000 Stück Lenkradschutzbänder in Teillieferungen von je 5000 Stück, und zwar nach Abruf innerhalb von je zwei Monaten, zum Preis von 18 S pro Stück zu beziehen. Der Kläger überließ dem Beklagten das alleinige Verkaufsrecht für diese Artikel im Inland. Es wurde zwischen den Streitteilen auch festgelegt, daß der Beklagte den Export der Ware in die Wege zu leiten und über die Absatzchancen im Ausland dem Kläger zu berichten habe. Der Kläger verpflichtete sich, zumindest drei Monate lang die Ware auf Exportmärkten nicht anzubieten. Nach Ablauf dieser drei Monate sollte zwischen den Parteien ein weiteres Übereinkommen getroffen werden, wer von den Streitteilen in Zukunft die einzelnen Exportmärkte zu bearbeiten berechtigt sein sollte. Der Kläger richtete schon Anfang Jänner 1964 an mehrere österreichische Handelsdelegierte im Ausland, darunter an die Delegierten in Schweden und in der Schweiz, ein vom 3. Jänner 1964 datiertes Rundschreiben, in dem er das Schutzband anpries und die Handelsdelegierten ersuchte, ihn mit Firmen in diesen Ländern in Verbindung zu setzen, die ein Importinteresse haben könnten. Zugleich übersandte er ein Muster der Ware. Den Preis gab er mit 16 S pro Stück an. Gleiche Schreiben richtete der Kläger an die Handelsdelegierten der Bundesrepublik Deutschland, Frankreichs, Dänemarks und Belgiens. Auch der Beklagte suchte Verbindung für den Absatz der Ware im Ausland und richtete u. a. das Schreiben vom 14. Jänner 1965 an den österreichischen Handelsdelegierten in Schweden, in welchem Schreiben er um Bekanntgabe eines geeigneten Vertreters oder von Importfirmen bat. Der Beklagte nannte als Preis 26 S pro Stück. Gleichlautende Schreiben richtete er an die Handelsdelegierten in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz. Der Handelsdelegierte in Schweden teilte dem Beklagten auf sein Schreiben mit, daß der Kläger bereits früher das gleiche Lenkradschutzband zu einem wesentlich billigeren Preis angeboten habe. Daraufhin erklärte der Beklagte in seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 20. Jänner 1964, daß der Kläger die Vereinbarung vom 13. Dezember 1963 dadurch gebrochen habe, daß er wegen des Exportes mit Schweden Verbindung aufgenommen habe. Am 31. Jänner 1964 vertrat der Kläger in einem Telephongespräch mit einem Angestellten des Beklagten den Standpunkt, daß es sich nur um eine Anfrage an den Handelsdelegierten in Schweden, aber nicht um ein Anbot der Ware gehandelt habe. Mit Schreiben vom 4. Februar 1964 gab hierauf der Beklagte dem Kläger seinen Rücktritt vom Vertrag mit der Begründung bekannt, daß der Kläger vertragsbrüchig geworden sei. In einem Rundschreiben des österreichischen Handelsdelegierten in der Bundesrepublik Deutschland vom Jahre 1964 seien sowohl der Kläger als auch der Beklagte als Exportinteressenten für das Schutzband aufgenommen gewesen.
Das Erstgericht erachtete den Rücktritt des Beklagten vom Vertrag für begrundet, weil der Kläger durch Nichteinhaltung seiner Zusicherung, die Ware im Ausland nicht anzubieten, dem Beklagten durch die an die Handelsdelegierten gerichteten Schreiben den Export unmöglich gemacht habe. Dies sei ein Bruch der Vereinbarung vom 13. Dezember 1963 gewesen. Eine Nachfristsetzung sei nicht nötig gewesen, weil der Kläger durch sein Verhalten den Export vereitelt habe.
Das Erstgericht wies daher das Klagebegehren auf Zahlung von 90.000 S samt Zinsenanhang sowie auf Feststellung, daß die Vereinbarung vom 13. Dezember 1963 aufrecht bestehe, ab.
Das Berufungsgericht übernahm die oben wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes. Es nahm aber zur Feststellung des Erstgerichtes, es seien Anbote an ausländische Firmen bereits vor dem 13. März 1964 vom Kläger gestellt worden, nicht Stellung, weil es das Klagebegehren bereits mit Rücksicht auf den oben wiedergegebenen Sachverhalt als berechtigt erkannte und daher ein Eingehen auf die Ausführungen der Berufung des Klägers bezüglich der Feststellung von Anboten des Klägers vor dem 13. März 1964 an ausländische Firmen aus dem Gründe der unrichtigen Beweiswürdigung für entbehrlich hielt. Den Bericht über die Absatzchancen im Ausland habe nicht der Kläger, sondern der Beklagte zu erstatten gehabt. Es sei dem Beklagten nach der Vereinbarung vom 13. Dezember 1963 überlassen gewesen, den Auslandsmarkt zu erforschen; danach habe der Kläger dem Beklagten diese Aufgabe auch zu überlassen gehabt. Es sollte der Beklagte am Auslandshandel wesentlich beteiligt werden, wenn auch die endgültige Beteiligung erst nachträglich geregelt werden sollte. Der Beklagte habe sich zur Abnahme von 30.000 Stück der Ware verpflichtet, einer Menge, die er, wie beiden Teilen bekannt gewesen sei, im Inland gar nicht hätte absetzen können. Der Beklagte sei sohin auf den Auslandsmarkt angewiesen gewesen. Die Schreiben an die Außenhandelsdelegierten habe der Kläger so gefaßt, daß nicht bloß um eine Schilderung der Marktlage ersucht, sondern um die Vermittlung eines Kontaktes mit interessierten Firmen gebeten worden sei. Richtig sei, daß die Schreiben an die Handelsdelegierten keine Anbote im Sinne des § 861 ABGB. gewesen seien. Die Schreiben hätten aber der Aufnahme der Geschäftsverbindung mit den von den Handelsdelegierten namhaft zu machenden Firmen gedient. Sinn und Zweck der Vereinbarung sei gewesen, daß sich der Kläger vorerst vom Auslandsmarkt fern halte und erst nach einer neuerlichen Aussprache die Aufteilung eines Auslandsmarktes vorgenommen werden solle. Es sollten nicht zwei Firmen mit dem gleichen Artikel, zumindest nicht ohne vorherige Abstimmung untereinander, den ausländischen Markt bearbeiten, wobei wesentlich verschiedene Preise geboten würden. Daher habe es auch der Handelsdelegierte in Schweden vorerst überhaupt abgelehnt, dem Beklagten Firmenanschriften mitzuteilen, weil offenbar die Erzeugerfirma selbst (nämlich der Kläger) den Export nach Schweden aufzunehmen wünsche und einen wesentlich niedrigeren Preis biete. Damit seien für den Beklagten unüberbrückbare Schwierigkeiten für den Export nach Schweden erwachsen. Das gleiche gelte hinsichtlich der übrigen Länder, wo sich der Kläger gleichfalls an die Handelsdelegierten gewendet und die Preise des Beklagten wesentlich unterboten habe.
Der Kläger habe bewußt das Exportgeschäft vorzeitig und auf eigene Faust in die Wege geleitet und nicht bloß Informationen eingeholt, sondern durch Konkurrenzierung seines Vertragspartners selbst auf den Export hingearbeitet. Dazu sei er nicht berechtigt gewesen. Er habe gegen die Vertragstreue verstoßen, so daß dem Beklagten nicht zumutbar gewesen sei, sich an die Abnahmeverpflichtung weiterhin zu halten, zumal er auf das Exportgeschäft schon mit Rücksicht auf die Verpflichtung zur Abnahme eines über den Inlandbedarf hinausgehenden Quantums von Lenkradschutzbändern angewiesen gewesen sei. Trotz der Umsatzsteuerrückvergütung hätte der Beklagte neben dem niedrigeren Preis des Klägers nicht bestehen können.
Die Abnahmeverpflichtung des Beklagten sei unter die Sukzessivlieferungsverträge einzureihen. Die vertragsbrüchige Partei könne das Entgelt für eine bereits erbrachte Lieferung dann nicht fordern, wenn diese Lieferung infolge der Vertragsverletzung den wirtschaftlichen Wert für den Vertragspartner verloren habe. Die Anbringlichkeit der Ware durch den Beklagten sei infolge des Verhaltens des Klägers in Frage gestellt, wenn nicht überhaupt unmöglich gemacht worden. Wenn jemand den Alleinabsatz im Inland übernehme und die Zusage habe, weil der größere Teil der Ware nur im Ausland abgesetzt werden könne, auch ins Ausland verkaufen zu können, ihm also auch ein bestimmtes Absatzgebiet im Ausland eingeräumt werde, so dürfe er in diesen Rechten vom Lieferanten der Ware nicht beeinträchtigt werden. Die Vereinbarung zwischen den Streitteilen sei in diesem Sinne getroffen worden, wenn auch dem Kläger nicht ausdrücklich untersagt worden sei, sich an das Ausland zu wenden. Der Kläger habe nicht nur gegen diesen Vertragsinhalt, sondern auch gegen die Übung des redlichen Verkehrs, die gegenseitige Loyalität erfordere, verstoßen und sei damit vertragsbrüchig geworden (GH. 1933, S. 6). Sei durch Vereitlung einer Nebenpflicht im Sinne des § 920 ABGB. das Interesse des Vertragsgegners am Leistungsaustausch weggefallen, so könne der Vertragsgegner vom ganzen Vertrag zurücktreten, wenn die Umstände der Vereitlung dem anderen bekannt oder doch erkennbar gewesen seien (Gschnitzer in Klang[2], IV, S. 491). Da der Kläger durch Nichteinhaltung der einen wesentlichen Teil der Vereinbarung bildenden Nebenverpflichtung, dem Beklagten die Bearbeitung des Auslandsmarktes während der drei Monate nach Vertragsabschluß zu überlassen, bewußt die geschäftlichen Chancen des Beklagten für den Export vereitelt habe, sei der Beklagte zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte daher das Ersturteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Geht man von den Feststellungen der Untergerichte aus, dann hatte der Kläger, dem bekannt war, daß der Beklagte die gekaufte Ware nur zu einem Bruchteil im Inland abzusetzen in der Lage war und daher auf den Auslandsmarkt angewiesen war, dem Beklagten die Bearbeitung des Auslandsmarktes zumindest in den ersten drei Monaten nach Vertragsabschluß zu überlassen (Punkt 3 der Vereinbarung vom 13. Dezember 1963). Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß der Kläger durch sein Verhalten dem Beklagten die Chancen für den Aufbau des Exportgeschäftes in einem solchen Ausmaß beeinträchtigt hat, daß dies vom wirtschaftlichen Standpunkt als Vereitlung des Vertragszweckes, nämlich dem Beklagten den Verkauf der Ware im Ausland zu ermöglichen, anzusehen ist, was dem Kläger als Kaufmann nicht zweifelhaft sein konnte.
Er hat somit gegen eine im Vertrag übernommene wesentliche Verpflichtung bewußt verstoßen und damit schuldhaft die Erfüllung dieser Nebenverpflichtung des Vertrages vereitelt. Daraus ergibt sich als Recht des Beklagten, gemäß § 920 ABGB. vom Vertrag zurückzutreten. Denn durch die Vereitlung der Erfüllung einer dem Kläger obliegenden, wesentlichen Vertragspflicht ist das Interesse des Beklagten am Leistungsaustausch weggefallen. Daß der Beklagte an dem Vertrag in dem Augenblick uninteressiert war, in dem ihm der Auslandsmarkt genommen wurde oder doch seine Chancen, die Ware im Ausland abzusetzen, wesentlich beeinträchtigt worden sind, war nach den Feststellungen der Untergerichte dem Kläger bekannt. Der Kläger hat, wie ausgeführt, durch den Versuch, über die Handelsdelegierten im Ausland mit ausländischen Firmen Kontakt aufzunehmen, wobei er die Preise der Waren gegenüber seinen dem Beklagten eingeräumten Preisen unterbot, die geschäftlichen Chancen des Beklagten für den Export schuldhaft vereitelt. Wenn sich der Kläger in seiner Revision gegen Schlußfolgerungen des Berufungsgerichtes tatsächlicher Natur wendet, bekämpft er damit in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen, wofür mangels eines diesbezüglichen Revisionsgrundes im Revisionsverfahren kein Raum ist. Es ist nicht richtig, wie schon das Berufungsgericht eingehend dargetan hat, daß es sich bei den Schreiben an die österreichischen Handelsdelegierten im Ausland um bloße Informationsschreiben gehandelt habe, die dem Kläger bloß die Beurteilung der Aufnahmefähigkeit der einzelnen Auslandsmärkte verschaffen sollten. Um dem Kläger eine solche Beurteilung zu ermöglichen, wäre es nicht notwendig gewesen, einen unter dem vom Beklagten dem Kläger bezahlten Preis liegenden Preis zu nennen. Wenn der Kläger ausführt, es sei Hauptzweck der Vereinbarung vom 13. Dezember 1963 gewesen, dem Beklagten den alleinigen Verkauf für das Inland zu übertragen, stellt er sich damit in Widerspruch mit der durch die Untergerichte festgestellten Absicht der Vertragsteile.
Die Revision stellt sich in ihren weitwendigen Ausführungen als ein Versuch dar, die Vertragspflichten des Klägers zu verkleinern. Es ist vor allem nicht richtig, daß die Rundschreiben des Klägers die Verbindung des Beklagten zu einzelnen Geschäftsleuten im Ausland nicht beeinflussen konnten. Der Beklagte mußte erst den Auslandsmarkt für seine Geschäfte aufschließen, was dem Kläger, wie sich schon aus dem Vertragsinhalt der Vereinbarung vom 13. Dezember 1963 ergibt, bekannt war. Es mag richtig sein, daß der Kläger finanziell besser gestellt gewesen wäre, wenn der Beklagte im Auslandsgeschäft Erfolg gehabt hätte, trotzdem hat der Kläger aber durch sein festgestelltes Verhalten der Erzeugung eines solchen Erfolges entgegengearbeitet.
Die Frage, ob der Kläger innerhalb der dreimonatigen Frist des Punktes 3 der Vereinbarung vom 13. Dezember 1963 die Ware "konkret" angeboten hat, hat das Berufungsgericht unüberprüft gelassen und ist auf die diesbezügliche erstgerichtliche Feststellung nicht eingegangen, weil es diese für unentscheidend hielt. Da also diese Feststellung des Erstgerichtes nicht Urteilsgrundlage des Berufungsgerichtes war und auch nicht die Entscheidung des Revisionsgerichtes beeinflußt, ist die Mängelrüge der Revision schon aus diesem Gründe nicht berechtigt.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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