OGH 8Ob141/65

OGH8Ob141/651.6.1965

SZ 38/92

Normen

ABGB §1431
KO §1 (1)
KO §79
ABGB §1431
KO §1 (1)
KO §79

 

Spruch:

Gegen den Dritten, dem aus einem Guthaben der Masse auf Grund einer rechtswidrigen Verfügung des Konkurskommissärs geleistet wurde, besteht ein Rückforderungsanspruch des Masseverwalters

Entscheidung vom 1. Juni 1965, 8 Ob 141/65

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck

Text

Der klagende Masseverwalter begehrte Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung von 10.140.45 S samt 4% Zinsen seit 15. Oktober 1962, da die Beklagte diesen Betrag aus der Rückkaufsumme zweier Lebensversicherungen ihres Mannes, über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden sei, zuunrecht empfangen habe.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es ist hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen: Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. März 1962 sei das Konkursverfahren über das Vermögen des Heinz A., des Gatten der Beklagten, "anhängig gemacht" (d. h. offenbar eröffnet), und mit Beschluß desselben Gerichtes vom 20. März 1962 sei der Kläger zum Masseverwalter in diesem Konkursverfahren bestellt worden. Über Auftrag des Konkurskommissärs vom 18. April 1962 habe der Kläger Verhandlungen über den Rückkauf zweier Lebensversicherungen, die der Gemeinschuldner bei der Lebensversicherungsaktiengesellschaft "D."

zugunsten seiner Frau, der Beklagten, jedoch ohne Verzicht auf den Widerruf dieser Begünstigungsklausel, abgeschlossen hatte, eingeleitet. Die Versicherungsgesellschaft sei mit dem Rückkauf einverstanden gewesen und habe sich bereit erklärt, den Restrückkaufswert von 3127.40 DM (d. i. nach dem Kurs vom Sommer 1962 von 6.44 S für 1 DM 20.140.45 S) an die Konkursmasse zu überweisen. Vom Rückkaufswert in der Höhe von 3251.90 DM habe die Versicherungsgesellschaft rückständige Krankenversicherungsbeiträge von 124.50 DM abgezogen. Der Gläubigerausschuß habe am 16. Juni 1962 beschlossen, daß von der Rückkaufssumme ein Teilbetrag von 10.000 S in monatlichen Raten von 1000 S ab 1. September 1962 dem Gemeinschuldner und seiner Frau für den Lebensunterhalt überwiesen werden sollte, während der Rest von 10.140.45 S in die Masse zu fließen habe. Den Inhalt dieses Beschlusses habe der Kläger am 21. Juni 1962 der Beklagten und ihrem Manne und am 25. Juli 1962 in seinem dritten Bericht dem Konkursgericht mitgeteilt. Die Eheleute A. hätten darauf den Konkurskommissär aufgesucht und ihn gebeten, zu veranlassen, daß ihnen der gesamte Rückkaufswert für den Lebensunterhalt überlassen werde. Da der Konkurskommissär, wie schon bei einer früheren Vorsprache des Gemeinschuldners und seiner Gattin, die Meinung geäußert habe, daß der gesamte Rückkaufswert der Beklagten zustehe und nicht in die Konkursmasse falle, hätten die Eheleute A. am 23. Juli 1964 der Versicherungs-AG. mitgeteilt, in einigen Tagen sei eine Entscheidung des Konkursgerichtes über den Rückkauf der beiden Lebensversicherungen zu erwarten und die Versicherungs-AG. möge mit der Auszahlung des Rückkaufswertes noch etwas zuwarten. Am 20. August 1962 habe die Versicherungs-AG. das Konkursgericht um Nachricht, betreffend die Auszahlung des Rückkaufserlöses, gebeten, worauf der Konkurskommissär mit Schreiben vom 24. September 1962 die Versicherungs-AG. ersucht habe, die gesamte Rückkaufssumme aus beiden Lebensversicherungen an die Beklagte auszuzahlen. Die Beklagte habe am 28. September 1962 mit telegraphischer Postanweisung den Betrag von 2863.90 DM erhalten. Dieser Betrag habe sich nach Abzug weiterer Krankenversicherungsbeiträge, den die Beklagte oder ihr Mann mit Schreiben vom 7. September 1962 an die Versicherungs-AG. angeordnet hatten, und nach Abzug der Überweisungsspesen von 12 DM ergeben. Die Beklagte habe den gesamten Rückkaufserlös zur Bezahlung von Schulden, die sie und ihr Mann für die Bestreitung des Unterhaltes eingegangen waren, und zum Einkauf von Lebensmitteln für 14 Tage verbraucht. Ebenfalls am 28. September 1962 habe der Konkurskommissär die Durchführung des Gläubigerausschußbeschlusses vom 16. Juni 1962 untersagt. Das Oberlandesgericht Innsbruck habe dem dagegen vom Masseverwalter (Kläger) und von einem Mitglied des Gläubigerausschusses erhobenen Rekurs Folge gegeben, den Beschluß aufgehoben und dem Masseverwalter aufgetragen, für die Einbringlichmachung des den Betrag von 10.000 S übersteigenden Teiles der Rückkaufssumme aus den beiden Lebensversicherungen von der Beklagten zu sorgen. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Der Kläger könne keine Bereicherungsklage nach § 1431 ABGB. erheben, weil er keine Leistung an die Beklagte erbracht habe, die er zurückfordern könnte. Eine solche Bereicherungsklage stunde nur der Versicherungs-AG, gegen die Beklagte zu, wenn sie ihre Leistung irrtümlich erbracht hätte oder wenn der Rechtsgrund für ihre Leistung nicht eingetreten oder wieder weggefallen wäre. Der Kläger könne aber die Herausgabe der Klagssumme auch nicht nach § 1041 ABGB. verlangen, weil er bzw. die Masse nicht Eigentümer der verwendeten Geldsumme gewesen sei, ganz abgesehen davon, daß eine Klage nach § 1041 ABGB. wegen eines Geldaufwandes nicht zustehe.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß die Beklagte schuldig sei, dem Kläger als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Heinz A. den Betrag von 8443.52 S s. A. zu bezahlen, und daß das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 1697.93 S s. A. abgewiesen werde. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß der Anspruch aus den beiden Versicherungsverträgen unter Lebenden, also auch der Anspruch auf die Rückkaufssumme, nur dem Gemeinschuldner zugestanden sei. Dieser Anspruch habe also einen Teil des Massevermögens gebildet. Die Verfügung des Konkurskommissärs vom 24. September 1962 sei ohne gesetzliche Grundlage und in Überschreitung der Zuständigkeit des Konkurskommissärs erfolgt und überdies materiellrechtlich falsch gewesen. Die Auszahlung der Rückkaufssumme die Beklagte habe daher auf einer rechtswidrigen Verfügung des Konkurskommissärs beruht, die ihrer äußeren Form nach vom Adressaten (der Versicherungsgesellschaft) als Auftrag des Konkursgerichtes habe aufgefaßt werden müssen. Der Anspruch des Klägers sei berechtigt, weil eine Vermögensverschiebung ohne rechtlichen Grund infolge einer gesetzwidrigen behördlichen Verfügung eingetreten sei und nicht auf einer rechtskräftigen Entscheidung beruht habe, sie also schon nach dem allgemeinen Grundsatz, daß sich niemand auf Kosten anderer bereichern dürfe, rückgängig gemacht werden müsse. Der Anspruch des Klägers sei daher dem Gründe nach zu bejahen; er reiche aber nur so weit, als die Beklagte tatsächlich die Leistung in Empfang genommen habe. Da sie unbestritten nur den Betrag von 2863.90 DM, d. s. 8443.52 S, erhalten habe, sei dem Kläger dieser Betrag zuzusprechen, das Mehrbegehren aber abzuweisen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der beklagten Partei nicht Folge, der Revision der klagenden Partei teilweise Folge gegeben und das berufungsgerichtliche Urteil, das im Ausspruch über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger den Betrag von 8443.52 S samt 4% Zinsen seit 15. Oktober 1962 und 2529.66 S an Prozeßkosten und 825.88 S an Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen, und im Ausspruch über die Abweisung des Mehrbegehrens auf Zahlung von 77.28 S samt 4% Zinsen seit 15. Oktober 1962 bestätigt wird, im übrigen dahin abgeändert, daß die beklagte Partei ferner schuldig ist, der klagenden Partei den weiteren Betrag von 1619.65 S samt 4% Zinsen seit 15. Oktober 1962, 1138.08 S an weiteren Prozeßkosten und 412.93 S an weiteren Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Zur Revision der beklagten Partei:

Die Revision ist nicht begrundet.

Die Forderung auf Auszahlung des Rückkaufswertes stand nach der festgestellten Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Versicherungsgesellschaft der Masse zu. Die Beklagte hatte auf die Auszahlung mangels Eintrittes des Versicherungsfalles keinen Anspruch. Dadurch, daß der Konkurskommissär der Versicherungsgesellschaft - wenn auch rechtswidrig - den Auftrag erteilt hat, die Rückkaufssumme an die beklagte Partei auszuzahlen, hat die Masse ihre Forderung gegen die Versicherungsgesellschaft verloren, da die Versicherungsgesellschaft nach der Sachlage die ihr zugekommene richterliche Verfügung als für die Konkursmasse verbindlich ansehen mußte. Die fehlerhafte gerichtliche Verfügung erging in der Rechtssphäre der Masse, nicht der Versicherungsgesellschaft, denn sie betraf ausdrücklich die Forderung der Masse, also einen Bestandteil des Massevermögens, erging ausdrücklich für Rechnung der Masse und in einer Form, die eine Prüfung seitens der Versicherungsgesellschaft hinsichtlich der Rechtskraft der Verfügung nicht erforderlich machte. Es ist also durch diese richterliche Verfügung eine Vermögensverschiebung zum Nachteil der Masse und zugunsten der beklagten Partei eingetreten. So wie nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dem Eigentümer von Sachen, die beim Verpflichteten gepfändet würden, nach deren Versteigerung gegen den betreibenden Gläubiger, der aus dem Erlöse Befriedigung erlangt hat, der Anspruch auf Herausgabe des betreffenden Erlöses zusteht (vgl. SZ. XVI 114 u. a.), muß auch im vorliegenden Falle der klagenden Partei der Anspruch gegen die beklagte Partei auf Herausgabe des auf Grund der richterlichen Verfügung zu Unrecht erlangten Betrages zugebilligt werden. Dieser Anspruch grundet sich, wenn nicht auf § 1041 ABGB., so jedenfalls auf §§ 1431 ff. ABGB.

Der Revision der beklagten Partei war daher nicht Folge zu geben.

II. Zur Revision der klagenden Partei:

Die Revision ist teilweise begrundet.

Die klagende Partei bekämpft die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die beklagte Partei zur Rückzahlung des Betrages von 1697.93 S (richtig 1696.93 S) s. A. nicht verpflichtet sei, da die Beklagte diesen Betrag nicht erhalten habe. Nach den Feststellungen der Untergerichte war die Beklagte damit einverstanden, daß von der Rückkaufssumme weitere rückständige Krankenversicherungsteilbeträge abgezogen werden. Auch der Betrag dieser Krankenversicherungsbeiträge muß demnach als der Beklagten zugekommen angesehen werden und die Beklagte ist auch zur Herausgabe dieses Betrages verpflichtet. Nur der Betrag von 12 DM (d. s. nach dem der Klage zugrunde gelegten Umrechnungskurs 77.28 S) für die Überweisungsspesen ist der Beklagten nicht zugekommen. Die Beklagte ist daher in Abänderung des angefochtenen Urteiles auch zur Bezahlung des weiteren Betrages von 1619.65 S zu verhalten gewesen.

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