OGH 7Ob105/65

OGH7Ob105/6526.5.1965

SZ 38/90

Normen

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §12
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §12

 

Spruch:

Über den Betriebsschaden im Sinne des § 12 AKB.

Entscheidung vom 26. Mai 1965, 7 Ob 105/65

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz

Text

Der Kläger hatte von der Gemeinde Neufelden den Auftrag erhalten, eine Müllablagerungsstätte zu planieren. Er führte diese Arbeit am 5. Oktober 1962 mit der ihm gehörigen Planierraupe durch. Das Fahrzeug sank im Zuge dieser Arbeit am Rande der Ablagerungsstätte ein, stürzte über deren Böschung in einen tiefen Graben und wurde beschädigt. Der Kläger war mit seiner Planierraupe bei der Beklagten versichert. Er begehrt Ersatz des Schadens; die Beklagte lehnt jedoch dessen Liquidierung ab, weil es sich um einen Betriebsunfall im Sinne des § 12 AKB. handle.

Der Erstrichter hat die Beklagte zur Zahlung des mit 21.376.50 S der Höhe nach außer Streit gestellten Schadens verhalten. Die Ursache des Absturzes der Raupe sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Unhomogenität des abgelagerten Mülls zurückzuführen. Das gelagerte Schüttgut sei deshalb nicht homogen, weil sich Reisigbundel darunter befunden hätten, die im Laufe der Zeit zerfallen und verfault seien. Dadurch seien von außen nicht erkennbare Hohlräume im Ausmaße von 0.75 bis 1 m3 entstanden, so daß der Grund die Belastung durch die Raupe nicht ausgehalten habe. Es sei allerdings nicht auszuschließen, daß der Kläger insofern fahrtechnisch unrichtig gehandelt habe, als er zu weit über die Böschungskrone der Müllablagerungsstätte hinausgefahren sei. Die Unhomogenität des Schüttgutes sei ein außergewöhnliches Ereignis, das nicht vom Betriebsrisiko erfaßt sei. Da die Beschaffenheit des Mülls die Hauptursache des Schadensfalls gewesen sei, habe die Beklagte dem Kläger auf Grund des Versicherungsvertrages den Schaden zu vergüten.

Das Berufungsgericht hat das angefochtene Urteil, aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Es hat ausgesprochen, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei. Zur Beurteilung, ob der vorliegende Schaden als Betriebsschaden zu werten sei, sei die Feststellung seiner Ursache erforderlich. Die Ursache des Absturzes habe der Erstrichter jedoch nicht eindeutig festgestellt. Hiezu bedürfe es einer ergänzenden Vernehmung des Sachverständigen. Überdies sei noch zu prüfen, ob der Unfall nicht etwa darauf zurückzuführen sei, daß der Kläger mit seiner Raupe auf das lockere Material gefahren sei, das von ihm im Zuge der Planierungsarbeiten bereits über die Böschungskrone hinausgeschoben worden war. Zur Beurteilung, ob sich der Schaden im Rahmen des Betriebsrisikos ereignet habe, seien auch Feststellungen erforderlich, ob ein gewissenhafter Raupenlenker bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit das Abstürzen des Fahrzeuges hätte voraussehen oder erkennen können. Die Beweislast dafür, daß kein Betriebsschaden vorliege, treffe den Kläger.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 12 AKB., der Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrages geworden ist, umfaßt die Fahrzeugversicherung die Beschädigung, die Zerstörung und den Verlust eines Fahrzeuges durch Unfall, d. h. durch ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis; ausdrücklich ausgeschlossen als Unfallsschäden im Sinne dieser Bestimmung sind Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden.

Nach den unbekämpften Feststellungen des Erstrichters ist die Planierraupe des Klägers von dem Plateau der Müllablagerung in den anschließenden Graben gestürzt, weil sie am Rande der Müllablagerung eingesunken war und dadurch Übergewicht nach vor bekam. Dieses Ereignis erfüllt die in § 12 AKB. enthaltenen Voraussetzungen für einen Unfall: es hat von außen her eingewirkt, d. h., es beruhte nicht auf einem inneren Betriebsvorgang; es hat unmittelbar auf das Fahrzeug selbst eingewirkt, da der Schaden die unmittelbare Folge des Schadensereignisses war; es lag dem schädigenden Ereignis eine Einwirkung mechanischer Gewalt zugrunde, da die Einwirkung mit den Gesetzen der Mechanik, nämlich der Lehre von der Bewegung und dem Gleichgewicht der Körper, zu erklären war; schließlich hat sich das schädigende Ereignis plötzlich, d. h. innerhalb einer kurz bemessenen Zeitspanne, vollzogen (vgl. NJW. 1954 S. 596).

Es bleibt daher zu prüfen, ob die Beklagte, obgleich das schädigende Ereignis die wesentlichen Merkmale eines Unfalles aufweist, deshalb im Sinn des § 12 AKB. von ihrer Leistungspflicht frei ist, weil es sich - Brems- oder reine Bruchschäden scheiden aus - um einen Betriebsschaden handelt.

Ein Betriebsschaden liegt dann vor, wenn der Schaden durch eine Einwirkung entstanden ist, der ein Kraftfahrzeug gewöhnlich ausgesetzt ist, und die es ohne weiteres überstehen muß. Nun ist es zwar richtig, daß Art und Ausmaß der als "gewöhnlich" zu wertenden Einwirkungen sich aus der Widmung des Fahrzeuges für einen bestimmten Verwendungszweck ergeben. Schließt die im Einzelfall oder allgemein vorliegende Widmung eines Fahrzeuges ein bestimmtes Risiko ein, so liegt ein Betriebsschaden vor, für den im Rahmen des Versicherungsvertrages nach § 12 AKB. nicht aufzukommen ist. So wird beispielsweise das Betriebsrisiko eines Fahrzeuges, das auf Baustellen eingesetzt ist, in dem Sinne umgrenzt, daß Unebenheiten des Weges oder Platzes, wie sie bei Baustellen üblich sind, in das Betriebsrisiko eingeschlossen werden (vgl. Stiefel - Wussow, Kraftfahrversicherung[5], S. 376); ebenso sind die Schäden eines auf einem Kohlenplatz verwendeten Lastkraftwagens, die auf die Eigenheiten eines Kohlenplatzes zurückzuführen sind (Unebenheiten und Schlamm), Betriebsschäden (VersR. 1963 S. 772). Es liegt jedoch kein normaler Betriebsvorgang darin, daß ein auf einem Kohlenplatz eingesetzter Lastkraftwagen auf einen Kohlenhaufen fährt, und dadurch zu Schaden kommt (VersR. 1963, S. 772).

Es gehört nicht zum normalen Betrieb einer zu Planierarbeiten eingesetzten Planierraupe, daß diese derart an dem Rand der einzuebnenden Fläche einsinkt, daß sie in einen Abgrund stürzt. Das Betriebsrisiko wird bei einem derartigen Einsatz wohl Beschädigungen des Kettenfahrzeuges durch die gelagerten Gegenstände einschließen oder Schäden, die unmittelbar mit der Planiertätigkeit im Zusammenhang stehen, nicht aber einen Schaden der darauf zurückzuführen ist, daß das Fahrzeug, aus welcher Ursache immer, derart einsinkt, daß es als Folge des Einsinkens, bzw. der Bemühungen, auf festen Grund zu kommen, viele Meter tief abgestürzt.

Dem Berufungsgericht ist zwar darin beizustimmen, daß der Vorgang, die Verhandlung vor Erstattung des Gutachtens durch einen Sachverständigen gemäß § 193 (3) ZPO. zu schließen und überdies die beantragte Wiedereröffnung des geschlossenen Verfahrens abzulehnen (trotz eines diesbezüglichen Vorbehalts der Parteien), den Prozeßgesetzen widerspricht. Dieser Verstoß des Erstgerichtes hatte jedoch keinen für den Ausgang des Verfahrens entscheidenden Mangel zur Folge, weil es der Beiziehung eines Sachverständigen über die Ursachen des Einsinkens des Raupenfahrzeuges nicht bedurft hätte. Es ist rechtlich nicht entscheidend, ob die Unhomogenität des aufgeschütteten Materials die Ursache für das Einsinken und das sich anschließende Abstürzen des Fahrzeuges war oder ob diese Ursache darin lag, daß der Kläger zu nahe an den Abhang herangefahren ist, oder ob das Material nahe dem Abhang noch nicht tragfähig war. Ein Einsinken, das schließlich zum Abstürzen der Planierraupe führte, ist nicht als Betriebsschaden eines zu Planierzwecken eingesetzten Fahrzeuges zu werten.

Die Frage, ob ein gewissenhafter Raupenführer im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit die Gefahr des zum Absturz führenden Einsinkens hätte erkennen können, wäre dann von Bedeutung, wenn die Beklagte ihre Leistungsfreiheit auf die Behauptung der fahrlässigen Verursachung des Schadens gestützt hätte. Ein derartiger Einwand wurde jedoch nicht erhoben.

Da die Höhe des Schadens außer Streit steht und die unbekämpft festgestellten Tatsachen die Qualifikation des schädigenden Ereignisses als Unfall im Sinne des § 12 AKB. rechtfertigen, ist die Rechtssache im Sinne der Bestätigung des Ersturteils spruchreif. Infolge eines Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes kann jedoch nicht in der Hauptsache entschieden werden, so daß die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen war.

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