Spruch:
Hat der Eigentümer eines Liegenschaftsanteiles, der gegenüber seinem Miteigentümer auf Teilung der Liegenschaft verzichtet hat, seinen Anteil unter Überbindung dieses Verzichtes an einen Dritten verschenkt, so kann sich der Miteigentümer auf den Verzicht gegenüber dem Dritten berufen
Entscheidung vom 27. April 1965, 8 Ob 106/65
I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Die Beklagte ist Hälfteeigentümerin der Liegenschaft EZ. 38 Kat.- Gem. R. Je 1/4 dieser Liegenschaft gehörte den Ehegatten Georg und Ludmilla G. Nach Klage der heutigen Beklagten auf Teilung des Eigentums an dieser Liegenschaft durch gerichtliche Feilbietung schlossen die Beklagte und die Ehegatten G. am 4. Juni 1963 im Rechtsstreit ... des Kreisgerichtes Wiener Neustadt einen gerichtlichen Vergleich, in dessen Punkt 1 die dortigen Streitteile für sich und ihre Rechtsnachfolger auf eine Zivil- und Realteilung der Liegenschaft verzichteten und vereinbarten, daß im Falle der Veräußerung der Liegenschaftsanteile diese Verpflichtung in den Veräußerungsvertrag aufzunehmen sei. Im Punkt 2 dieses Vergleiches räumten sich die damaligen Streitteile gegenseitig an den ihnen gehörigen Liegenschaftsanteilen das Vorkaufsrecht ein und trafen in den Punkten 3 und 4 hinsichtlich der Liegenschaft eine Benützungsregelung.
Die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit, erwarb mit Notariatsakt vom 15. Juni 1963 schenkungsweise die Anteile der Ehegatten Georg und Ludmilla G. an der in Rede stehenden Liegenschaft und ist jetzt Hälfteeigentümerin derselben.
Punkt VII dieses Notariatsaktes lautet: "Die Geschenkgeber leisten keine Gewähr für ein bestimmtes Ausmaß, eine besondere Eignung oder Beschaffenheit der geschenkgegenständlichen Liegenschaftsanteile, wohl aber dafür, daß die geschenkgegenständlichen Liegenschaftsanteile mit Ausnahme der in dem vor dem Kreisgericht Wiener Neustadt am 4. Juni 1963 zu ... zwischen den Geschenkgebern einerseits und der anderen Hälfteeigentümerin der Liegenschaft EZ. 38 des Grundbuches der Kat.-Gem. R., Frau Anna L., andererseits abgeschlossenen Vergleich den Geschenkgebern auferlegten Verpflichtungen satz- und lastfrei in das Eigentum der Geschenknehmerin übergehen.
Die Geschenknehmerin nimmt den oben angeführten Vergleich mit Unterfertigung dieses Schenkungsvertrages an und zur Kenntnis und verpflichtet sich, sämtliche den Geschenkgebern in diesem Vergleich auferlegten Verpflichtungen in ihre Erfüllungspflicht zu übernehmen. Selbstverständlich gehen aber auch die in diesem Vergleich den Geschenkgebern zustehenden Berechtigungen auf die Geschenknehmerin über.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt nun die Klägerin, es werde ihr wider die beklagte Partei die Aufhebung des gemeinschaftlichen Eigentums an der gegenständlichen Liegenschaft durch gerichtliche Feilbietung bewilligt. Sie begrundet dies damit, daß ihr die Aufrechterhaltung der Gemeinschaft wegen Differenzen mit der Beklagten nicht mehr zumutbar sei.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, auch die Klägerin sei als Rechtsnachfolgerin der Ehegatten G. an den Vergleich vom 4. Juni 1963 gebunden, das Teilungsbegehren erfolge zur Unzeit und sei eine Schikane.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Es ging dabei von der rechtlichen Erwägung aus, daß grundsätzlich der Einzelnachfolger, ebenso wie der Universalsukzessor, an einen Teilungsverzicht seines Vorgängers wegen der obligatorischen Wirkung einer derartigen Vereinbarung nicht gebunden sei. Dieser Grundsatz gelte aber dann nicht, wenn sich der Rechtsnachfolger eines Miteigentümers einer derartigen Vereinbarung unterworfen habe. Eine solche Unterwerfung der Klägerin müsse aber im vorliegenden Fall auf Grund des Punktes VII des Schenkungsvertrages vom 15. Juni 1963 angenommen werden. Eine etwaige Mentalreservation der Klägerin könne den Schenkungsvertrag nicht beeinträchtigen. Wäre der Schenkungsvertrag zwischen der Klägerin und den Ehegatten G. nur zum Schein zwecks Umgehung der Bestimmungen des Vergleiches abgeschlossen worden, so wäre er dennoch gegenüber der Beklagten als gutgläubiger Dritter wirksam. Die Klägerin müsse daher den Teilungsverzicht gegen sich gelten lassen. Es gehe nicht an, daß die im Notariatsakt getroffenen Vereinbarungen, die ein einheitliches Ganzes bilden, auseinandergerissen werden und die Klägerin nur den für sie vorteilhaften Teil gelten lasse, während sie die lästigen Verpflichtungen ablehne. Die Klägerin habe Sittenwidrigkeit dieser Bestimmung nicht eingewendet und nur behauptet, die im Vergleich vereinbarte Benützungsregelung (nicht der Teilungsverzicht) stelle eine societas leonina dar und sei daher sittenwidrig.
Die zur Begründung des Teilungsbegehrens beantragten Beweise der Klägerin hat das Erstgericht abgelehnt, weil gemäß § 830 ABGB. jeder Teilhaber einer Eigentumsgemeinschaft die Aufhebung begehren könne, sofern nicht seinen Anspruch entkräftende Umstände bewiesen würden. Ebenso lehnte das Gericht die Aufnahme der Beweise ab, die die Klägerin dafür abgeboten hat, daß sie sich den Bestimmungen des Vergleiches vom 4. Juni 1963 nicht unterworfen habe. Es ergebe sich aus den Bestimmungen des Schenkungsvertrages eindeutig das Gegenteil, sodaß die Erforschung des Willens der Vertragspartner nicht notwendig gewesen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Es übernahm die Feststellung des Erstgerichtes und billigte dessen rechtliche Beurteilung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Keine Berechtigung kommt den Ausführungen der Revisionswerberin zu, soweit diese sich gegen die Rechtsansicht der Untergerichte wenden, daß die von der Beklagten mit den Voreigentümern der Klägerin getroffene Vereinbarung über den Verzicht auf eine Teilung der gegenständlichen Liegenschaft für die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Ehegatten G. deshalb bindend sei, weil sich die Klägerin dieser Vereinbarung im Schenkungsvertrag unterworfen hat.
Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß eine von einem Miteigentümer mit einem anderen Miteigentümer geschlossene Vereinbarung über die Fortsetzung einer Gemeinschaft im Sinne des § 831 ABGB., entgegen der zum Teil in der Lehre vertretenen Ansicht, an sich den Singularsukzessor nicht bindet, daß aber die Verpflichtung dann auf diesen übergeht, wenn er sich dieser Verpflichtung unterworfen hat (SZ. XII 281; EvBl. 1959, Nr. 70, S. 128; 5 Ob 350/61; vgl. auch MietSlg. 7813; 8 Ob 6/64). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlaß.
Zutreffend beurteilten daher die Vorinstanzen den von ihnen auf Grund des Vergleiches vom 4. Juni 1963 und des Notariatsaktes vom 15. Juni 1963 festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Klägerin sich den Vereinbarungen im Vergleich vom 4. Juni 1963 im Schenkungsvertrag vom 15. Juni 1963 unterworfen hat, sodaß sie grundsätzlich, da keine Umstände, die die Teilung unvermeidlich machen würden, behauptet wurden, an den Teilungsverzicht gebunden ist.
Völlig ins Leere geht das Vorbringen der Revisionswerberin, die Beklagte habe an der Errichtung des Schenkungsvertrages nicht teilgenommen, weil es einer derartigen Beteiligung durch die Beklagte nicht bedürfte, um die Klägerin im Sinne ihrer Unterwerfungserklärung im Schenkungsvertrag zu binden. Da die Überbindung des Teilungsverzichtes in Erfüllung einer gegen die Beklagte übernommenen Verpflichtung erfolgte, kann sich die Beklagte auf die Verpflichtungsübernahme durch die Klägerin analog § 881 (2), § 1405 Satz 1 ABGB. unmittelbar gegenüber der Klägerin berufen. Daß die Klägerin keine Verpflichtung zugunsten Dritter übernommen habe, widerspricht dem klaren Wortlaut des Punktes VII des Schenkungsvertrages.
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