Spruch:
Die Klagebehauptung, daß der beklagten Partei ein Nachlaß auf Grund bedingter Erbserklärung eingeantwortet worden sei, ist für die Haftung der beklagten Partei schlüssig. Eine weitere Behauptung, daß die beklagte Partei aus dem Nachlaß Aktiva übernommen oder Einnahmen habe, ist nicht notwendig
Entscheidung vom 22. April 1965, 2 Ob 86/65
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz
Text
Der Kläger hat in der Klage behauptet, daß der am 11. Oktober 1959 verstorbene Sohn der Beklagten Friedrich M. in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1958 als Lenker eines Motorrades dadurch einen Verkehrsunfall verschuldet habe, daß er mit überhöhter Geschwindigkeit auf die falsche Fahrbahnseite gefahren sei und dort mit ihm zusammengestoßen sei. Friedrich M. sei wegen dieses Unfalles vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt worden. Ein Teil seines Verdienstentganges sei ihm auf Grund einer gegen Friedrich M. erhobenen Klage zugesprochen worden. Infolge der beim Unfall erlittenen Verletzungen sei bei ihm eine dauernde Minderung seiner Erwerbsfähigkeit in der Höhe von 25% eingetreten, so daß er einen monatlichen Verdienstentgang von 531.25 S habe, den ihm Friedrich M. zu ersetzen habe. Der Nachlaß nach dem verstorbenen Friedrich M. sei zu A ... /59 des Bezirksgerichtes W. mit Einantwortungsurkunde vom 11. Mai 1960 der Beklagten, die eine "bedingte Erbserklärung" abgegeben habe, eingeantwortet worden. Sie hafte daher für die Rentenschuld. Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Rente von 531.25S ab 1. März 1959 begehrt.
Am 27. Jänner 1961 ist gegen die Beklagte ein Versäumungsurteil ergangen. Da die Prozeßakten in der Folge in Verlust geraten sind, mußten sie rekonstruiert werden. Nunmehr hat das Berufungsgericht über die Berufung der Beklagten gegen das Versäumungsurteil entschieden. Es hat der Berufung teilweise Folge gegeben und das Versäumungsurteil dahin abgeändert, daß es die Beklagte schuldig erkannt hat, dem Kläger ab 1. März 1959 eine monatliche Rente von
531.25 S, aber nur insoweit zu bezahlen, als diese Verbindlichkeit im Werte des der Beklagten eingeantworteten Nachlasses des Friedrich M. Deckung findet. Das Berufungsgericht war der Meinung, daß das Erstgericht gemäß § 396 ZPO. das tatsächliche Vorbringen des Klägers für wahr zu halten hatte und daher auch die in der Klage angeführte Tatsache seiner Entscheidung zugrundelegen hätte müssen, daß der Nachlaß des Friedrich M. der Beklagten auf Grund einer "bedingten Erbserklärung" eingeantwortet worden sei. Dem Klagebegehren sei daher nur mit dieser Einschränkung stattzugeben gewesen. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie macht den Revisionsgrund nach § 503 Z. 4 ZPO. geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß "das Versäumungsurteil" abgewiesen werde, womit offenkundig gemeint ist, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagte meint, daß das Berufungsgericht noch weitere Schlüsse rechtlicher Art hätte ziehen müssen, die zur Abweisung des Klagebegehren geführt hätten. Die Klagsausführungen seien nicht schlüssig. Die bloße Behauptung, daß sie eine "bedingte Erbserklärung" abgegeben habe, sei ungenügend, um daraus schon eine Haftung ihrerseits abzuleiten. Der Kläger hätte behaupten müssen, daß sie aus dem Nachlaß ihres Sohnes Aktiva übernommen habe.
Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Mit der Behauptung in der Klage, daß der Nachlaß des Friedrich M. der Beklagten, die sich mit der Rechtswohltat des Inventars erbserklärt hatte, eingeantwortet worden sei, sind auch alle Voraussetzungen für die vom Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung des Urteilsbegehrens des Klägers schlüssig dargetan worden. Einer weiteren Behauptung, daß die Beklagte aus dem Nachlaß Aktiva übernommen oder Einnahmen habe, ist für die Schlüssigkeit der vom Kläger behaupteten Haftung der Beklagten nicht notwendig. Das Berufungsgericht hat bereits alle rechtlichen Schlüsse aus dem Klagsvorbringen gezogen. Die Beklagte ist selbst nicht in der Lage, aufzuzeigen, welche weiteren rechtlichen Schlüsse zu ziehen gewesen wären, um die Abweisung des Klagebegehrens zu rechtfertigen. Der Erbe, der die Erbschaft mit der Rechtswohltat des Inventars angenommen hat, haftet nach der Einantwortung zwar mit seinem ganzen Vermögen, aber der Höhe nach beschränkt in bezug auf die übernommenen Aktiven des Nachlasses.
Das Berufungsgericht hat daher die Sache rechtlich richtig beurteilt, weshalb dem Rechtsmittel der Beklagten kein Erfolg beschieden sein kann.
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