OGH 6Ob44/65

OGH6Ob44/653.3.1965

SZ 38/32

Normen

ZPO §14
ZPO §14

 

Spruch:

Mehrere Miteigentümer bilden für die Klage auf Einwilligung in die Abschreibung eines Trennstückes sowie auf Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers keine notwendige Streitgenossenschaft

Entscheidung vom 3. März 1965, 6 Ob 44/65

I. Instanz: Bezirksgericht Neumarkt; II. Instanz: Landesgericht Salzburg

Text

Die jetzt der EZ. 236 Kat.-Gem. B. zugeschriebene Parzelle 2613/1 und die der Grundbuchseinlagezahl 243 derselben KG. zugeschriebenen Parzelle 2606, die aneinandergrenzen standen im Jahre 1875 im Eigentum des Jakob und der Johanna D. Damals war, da beide Parzellen zu demselben Gutsbestand gehörten, die Grenze zwischen ihnen nur eine Kulturgrenze: Das Grundstück 2613/1 war Wiese, das Grundstück 2606 hingegen Wald. Dieser Zustand blieb bis zum Jahre 1901, in welchem Jahre die damaligen Eigentümer Anton und Therese E. Haus, Äcker und Wiesen, darunter das Grundstück 2613/1 einem gewissen En. verkauften, von dem dieses Grundstück in der Folge an Margarethe H., dann an Johann und Elise Z. und schließlich an Karl und Maria Z. überging. Die Waldparzelle 2606 hingegen wurde von Anton und Therese E. mit Kaufvertrag vom 22. Dezember 1915 an Josef R. und die Ehegatten Karl und Juliane T. verkauft, von denen sie dann zuletzt an die Beklagte kam.

Die Mappengrenze zwischen den beiden Grundstücken deckt sich nicht mit der Kulturgrenze, sondern verläuft einige Meter von dieser entfernt durch den Wald der Parzelle 2606.

Mit abänderndem Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 17. Juni 1953 (bestätigt mit Urteil des OGH. vom 20. Jänner 1954) wurde der zu C 72/52 des BG. Neumarkt anhängig gemachten Feststellungsklage des Karl Z. gegen Juliane T., daß die Mappengrenze die Besitzgrenze darstelle, stattgegeben und die zu C 73/52 desselben Gerichtes anhängig gemachte Widerklage der Juliane T., Karl und Maria Z, seien schuldig, in die Abschreibung des strittigen Grundstücksteils vom Grundstück 2613/1 sowie in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Juliane T. durch Zuschreibung dieses Trennstückes zum Grundstück 2606 zu willigen, abgewiesen. Diese Entscheidungen wurden im wesentlichen damit begrundet, daß im Zeitpunkt der Anlegung der Mappe die Mappengrenze der Kulturgrenze entsprochen habe und daß sich die Kulturgrenze in der Folge dadurch von der Mappengrenze entfernt habe, daß der Wald durch angeflogenen Bestand in die Wiese hinübergewachsen sei.

Eine zu C 114/53 des Erstgerichtes eingebrachte Wiederaufnahmsklage der Juliane T. wurde in zwei Instanzen abgewiesen.

Eine weitere, zu C 25/55 des Erstgerichtes eingebrachte Wiederaufnahmsklage der Juliane T. wurde hinsichtlich des Vorprozesses C 73/52 in allen drei Instanzen abgewiesen. Damit war die zweite Wiederaufnahmsbeklagte Maria Z. aus dem Verfahren ausgeschieden. Hingegen wurden die untergerichtlichen Abweisungen dieser Wiederaufnahmsklage hinsichtlich des Vorprozesses zu C 72/52 mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7. Jänner 1960, 6 Ob 388/59, aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Diesbezüglich wurde sodann mit Urteil des Erstgerichtes vom 8. November 1960 (bestätigt mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8. Februar 1961 und des OGH. vom 17. Mai 1961, 6 Ob 188/61) der Verlassenschaft nach der inzwischen verstorbenen Juliane T., vertreten durch die erbserklärte Erbin Juliane W., die Wiederaufnahme bewilligt.

In dem nun in der Hauptsache fortgesetzten Verfahren wurde vom Erstgericht das Klagebegehren des Karl Z., es werde festgestellt, daß nicht die in der Natur ersichtliche Grenze, sondern die Mappengrenze die Besitzgrenze zwischen den beiden Grundstücken sei und daß die Beklagte schuldig sei, allenfalls auf Grund neuer Vermessung die Mappengrenze als Besitzgrenze anzuerkennen, abgewiesen. Hingegen wurde der von der Verlassenschaft nach Juliane T. gegen Karl Z. nunmehr erhobenen Widerklage stattgegeben und Karl Z. schuldig erkannt, in die Abschreibung des in der Vermessungsurkunde des Dipl.-Ing. F. vom 12. Dezember 1952, GZ. 2819/51, mit den Rotbuchstaben B, C und D bezeichneten und in grüner Farbe dargestellten Trennstücks von seinem Grundstück 2613/1, Wiese der EZ. 236 Kat.-Gem. B., sowie in die Einverleibung des Eigentumsrechtes hieran für die Verlassenschaft nach Juliane T. durch Zuschreibung zur Parzelle 2606 Wald der EZ. 243 KG. B. zu willigen.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die heutige Mappengrenze zwischen den beiden Parzellen gehe auf die Vermessung in der Urmappe vom Jahre 1829 zurück. In dieser Urmappe seien Besitz- und Kulturgrenzen gleich stark ausgezogen, während in der Geld- oder Handmappe aus dem Jahre 1872 die Besitzgrenzen stärker ausgezogen seien als die Kulturgrenzen. Bloße Kulturgrenzen seien auch nicht vermarkt worden. Sie seien meist nicht genau zu erfassen und müßten mit den Verhältnissen in der Natur nicht unbedingt übereinstimmen. Die Genauigkeit der Erfassung bleibe dem Vermessenden überlassen, wobei auch heute Abweichungen bis zu 5 m vorkommen. Abweichungen von 10 bis 15 m gegenüber der Natur seien nicht üblich und dürften auch 1829 nicht üblich gewesen sein, doch könne nicht mehr festgestellt werden, mit welcher Genauigkeit damals die hier in Frage kommende Kulturgrenze ermittelt wurde. Jedenfalls habe zwischen den beiden Parzellen auch im Jahre 1872 nur eine Kulturgrenze bestanden, da sie zu demselben Gutsbestand gehörten und die Grenze zwischen ihnen in der Mappe nur dünn eingezeichnet war.

Auf Grund der Sachverständigengutachten stehe fest, daß der heute vorhandende Wald sowohl auf der Parzelle 2606 als auch auf dem strittigen Teil des Grundstückes 2613/1 in seinen ältesten Aufbauelementen schon um 1870 aus einem schon vorhandenen Mischwald entstanden sei. Ein allmähliches Vordringen des Waldes in die Wiese sei auszuschließen, weil dann gegen den Waldrand zu abnehmende Altersunterschiede wahrnehmbar sein müßten. Der Wald des strittigen Grundstückes bilde mit dem der Parzelle 2606 einen einheitlichen Plenterwald und sei kein angeflogener Bestand.

Die bodenkundliche Untersuchung ergebe, daß sowohl die heutige Parzelle 2606 als auch die Parzelle 2613/1 früher einen einheitlichen Waldbestand aufwiesen. Dieser sei wiederholt abgebrannt und vorübergehend durch Ackernutzung abgelöst worden. Die tonärmeren, höher am Hang gelegenen Böden der Parzelle 2606 seien stärker an Mineralnährstoffen verarmt, weshalb dort die Ackernutzung aufgegeben wurde und wieder Wald zu wachsen begann. Hingegen sei die Parzelle 2613/1 Acker geblieben und später Dauerwiese geworden. Zwischen der Parzelle 2606 und dem strittigen Stück der Parzelle 2613/1 bestehe kein Bodenunterschied, der darauf schließen ließe, daß die strittige Fläche erst seit kürzerer Zeit bewaldet sei.

Als die Vorbesitzer E. im Jahre 1915 die Waldparzelle 2606 dem Josef R. und den Eheleuten T. verkauften, habe Anton E. die Grenze gegenüber der damals der Margarethe H. gehörigen Parzelle 2613/1 mit den Worten beschrieben: "Hacke und Sense machen die Grenze; diese geht entlang des Grenzgrabens".

Nordöstlich dem strittigen Waldstück vorgelagert sei in den letzten zehn Jahren durch Anflug, teilweise vielleicht sogar durch Anbau ein junger Fichtenbestand entstanden, der sich aber von dem aus Fichten, Tannen und Rotbuchen bestehenden Wald des strittigen Teilstücks und der Parzelle 2606 deutlich unterscheide.

Während das Wiesengrundstück 2613/1 immer von Karl Z, und seinen Besitzvorgängern genutzt wurde, sei das strittige Waldstück von den Vorgängern beider Streitteile genutzt worden, und es seien auch Verhandlungen wegen einer Vermarkung geführt worden. Im strittigen Waldstück seien früher auch Pflöcke sowie ein oder zwei Grenzsteine vorhanden gewesen, doch seien sie niemals anerkannt worden und vor allem heute nicht mehr feststellbar.

Der Wald auf dem strittigen Teilstück sei somit ebenso alt wie der auf der Parzelle 2606 und der Wald dieser Parzelle sei nicht auf das Wiesengrundstück 2613/1 hinausgewachsen. Die heutige Kulturgrenze stimme mit der des Jahres 1915 im wesentlichen überein. Da damals Josef und Therese E. den ganzen Wald den Rechtsvorgängern der Beklagten verkauft hätten, während sie den Rechtsvorgängern des Klägers im Jahre 1901 nur Haus, Äcker und Wiesen, darunter die Parzelle 2613/1 verkauft hätten, könne der Kläger niemals Eigentum an dem strittigen Teilstück erworben haben, möge dies auch nach der Mappengrenze zu seinem Grundstück 2613/1 gehören.

Demnach sei erwiesen, daß sowohl die Rechtsvorgänger des Klägers als auch die der Beklagten nach der Natur gekauft, die Vorgänger des Klägers nur Wiese, die der Beklagten aber den ganzen Wald erworben hätten. Das Klagebegehren erweise sich als unbegrundet, das Begehren der Widerklage jedoch als begrundet. Eine Ersitzung komme für keinen der Streitteile in Betracht, da das strittige Teilstück von beiden Vorbesitzern genutzt worden sei. Die Mappe spreche zwar für den Kläger, sie sei aber nach den in dieser Sache schon ergangenen oberstgerichtlichen Entscheidungen nur ein Beweismittel wie jedes andere und werde im vorliegenden Fall durch die übrigen Beweisergebnisse widerlegt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wie der Oberste Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen (SZ. XXVIII 127, XXVI 216 u.a.) ausgesprochen hat, gibt die Grundbuchsmappe über die Begrenzung der einzelnen Grundstücke keinen Aufschluß. Die rechtliche Bedeutung der Grundbuchsmappe ist auf die Veranschaulichung der Lage und Gestalt der Parzellen beschränkt. Sie macht keinen Beweis für die Richtigkeit der eingezeichneten Grenzen, sondern soll nur der Festellung dienen, welche Grundstücke aneinandergrenzen (§ 3 GAG. in Verbindung mit den erläuternden Bemerkungen zur Vorlage dieses Gesetzes). Die Grundbuchsmappe ist also ein Lageplan, ein Bild der Wirklichkeit, aber ein unvollkommenes und häufig fehlerhaftes. Da sie ein Abdruck der Katastralmappe und deren Stand für sie maßgeblich ist (§ 43 GV.), gilt das vorstehende auch für die Katastralmappe.

Für den Umfang des Eigentumserwerbes ist somit nicht die Mappe, sondern der Wille der Parteien maßgebend. Wurden nach diesem die Grenzen in der Natur festgelegt und das Grundstück in diesem Umfang an den Käufer übergeben, dann hat dieser Eigentum hieran ohne Rücksicht darauf erworben, welcher Umfang des Grundstückes sich aus der Mappe ergibt (RiZ. 1965 S. 9).

Die Frage, wo die Grenze zwischen dem von Anton und Therese E. im Jahre 1901 dem N. E. verkauften und heute dem Kläger und seiner Frau gehörigen Grundstück und jenem anderen verläuft, das die Eheleute E. im Jahre 1915 dem Josef R. sowie den Eheleuten T. verkauften und das heute der Beklagten gehört, ist somit eine solche der Würdigung aller Beweise einschließlich der Mappe sowie eine Frage der Feststellung von Tatsachen, die durch den Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbar ist. Demnach ist davon auszugehen, daß - wie die Untergerichte als erwiesen angenommen haben - die Eheleute E. dem N. E. nur Wiese und keinen Wald verkauft haben, daß sie sich den Wald vorbehielten, ihn erst 14 Jahre später an die Rechtsvorgänger der Beklagten verkauften und daß die Grenze zwischen Wiese und Wald immer so verlief, wie sie sich heute darstellt. Damit hat aber der Kläger an dem strittigen Waldgrundstück niemals Eigentum erworben, er kann daher nicht die Feststellung begehren, daß die von der Kulturgrenze abweichende Mappengrenze die richtige Grenze sei.

Die Revisionsausführungen, mit denen sowohl unter dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wie auch unter dem der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darzutun versucht wird, daß doch die Mappe verläßlich sei und daher ihre Einzeichnungen der Entscheidung zugrunde zu legen wären, stellen nichts anderes als eine im Revisionsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.

Zum Einwand des Klägers, daß ihm für die Widerklage die Passivlegitimation fehle, weil er nur Miteigentümer des Grundstückes 2613/1 sei und seine Frau Maria Z. als Miteigentümerin der anderen Hälfte gemäß § 14 ZPO. hätte mitgeklagt werden müssen, ist zu sagen, daß eine notwendige Streitgenossenschaft nur dann vorliegt, wenn aus rechtlichen Gründen, nämlich wegen der einheitlichen Rechtskraftwirkung eine verschiedene Entscheidung zu unlösbaren Verwicklungen führen würde (Neumann, S. 437). Aus diesem Grund können Miteigentümer auf Feststellung des Bestandes einer Dienstbarkeit oder Gestattung ihrer Ausübung oder auf Unterlassung einer Servitutsausübung nur gemeinsam geklagt werden (Sperl, S. 187, Pollak, S. 200, SZ. XXVII 64 und 101), ebenso auf Ausfolgung eines Haustorschlüssels (SZ. X 333). Dasselbe muß auch von der Feststellungsklage gelten, die gegen Miteigentümer auf Feststellung des Eigentumsrechtes an einer Liegenschaft oder an Teilen hievon erhoben wird. Es wäre untragbar und ließe sich mit der Rechtskraftwirkung des Urteils nicht vereinbaren, daß gegenüber einem von mehreren bücherlichen Eigentümern festgestellt wird, daß das Eigentumsrecht des Klägers besteht und gegenüber einem anderen, daß es nicht besteht. Anders ist es aber, wenn, wie hier, das Klagebegehren ein Leistungsbegehren auf Erteilung der Zustimmung zur Abschreibung eines Liegenschaftsanteiles sowie zur Einverleibung des Eigentumsrechtes daran für die Kläger darstellt. Die Verurteilung zu einer solchen Leistung hinsichtlich eines Miteigentümers berührt die anderen Miteigentümer nicht unmittelbar (GlUNF. 5584, vgl. auch Fasching II, S. 196, MietSlg. 4966).

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