OGH 2Ob378/64

OGH2Ob378/6418.2.1965

SZ 38/28

Normen

AHG §1
KFG §38
AHG §1
KFG §38

 

Spruch:

§ 38 Kraftfahrgesetz bezweckt nicht die Verhütung von Unfällen, sondern soll den Beteiligten den Schutz der Haftpflichtversicherung sichern

Entscheidung vom 18. Februar 1965, 2 Ob 378/64

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien

Text

Am 7. Oktober 1960 verschuldete Josef B. als Lenker eines Motorfahrrades einen Verkehrsunfall, bei dem Adolf S. ums Leben kam. Die Klägerin erbringt aus diesem Grund Leistungen an dessen Angehörige. Sie machte gemäß § 332 ASVG. Regreßansprüche gegen Josef B. geltend, die sich jedoch als uneinbringlich erwiesen. Sie nimmt nunmehr die Haftung der Beklagten (Republik Österreich) auf Grund des Amtshaftungsgesetzes in Anspruch, die sie darauf grundet, daß das Verkehrsamt der Polizeidirektion die Zulassung des Motorfahrrades zum Verkehr nicht rechtzeitig zurückgenommen habe. Mit dem Leistungsbegehren verband sie ein Feststellungsbegehren.

Der Erstrichter wies das erst im Laufe des Verfahrens erhobene Feststellungsbegehren unter Hinweis auf § 8 AHG. zurück. Das Leistungsbegehren wies er ab. Er stellte u. a. fest: Josef B. habe die für das erste Versicherungsjahr (13. Mai 1959 bis 13. Mai 1960) fällige Prämie zunächst nicht bezahlt. Der Versicherer (die Nebenintervenientin) habe die Prämie am 14. Oktober 1959 eingeklagt. Mit Schreiben vom 28. Dezember 1959 habe er den Versicherungsvertrag "storniert". Nachträglich sei jedoch die Prämie für dieses Versicherungsjahr bezahlt worden. Es sei der alte Vertrag fortgesetzt (reaktiviert) worden, was auch in der Korrespondenz zum Ausdruck gebracht worden sei. Die Prämie für das folgende Versicherungsjahr (13. Mai 1960 bis 13. Mai 1961) sei wiederum nicht bezahlt worden. Die Nebenintervenientin habe mit Schreiben vom 30. Juni 1960 den Josef B. unter Setzung einer 14tägigen Nachfrist aufgefordert, die Prämie zu bezahlen, welcher Aufforderung B. nicht nachgekommen sei. Die Nebenintervenientin habe aber den Versicherungsvertrag nicht aufgekundigt. Mit Schreiben vom 23. August 1960 habe die Nebenintervenientin dem Verkehrsamt der Polizeidirektion Wien angezeigt, daß die Haftung aus der gegenständlichen Haftpflichtversicherung wegen Nichtzahlung der Prämie erloschen sei. Die Zulassung des Motorfahrrades zum Verkehr sei erst nach dem Unfall, nämlich mit Bescheid vom 10. November 1960, zurückgenommen worden. Der Erstrichter war der Ansicht, die Voraussetzungen des § 55 (5) KFG. 1955. wonach jede Unterbrechung der Haftung vom Versicherer anzuzeigen sei, seien nicht vorgelegen. Die Haftung sei entgegen der Behauptung der Nebenintervenientin nicht erloschen gewesen. Es habe sich um die Nichtzahlung einer Folgeprämie nach § 39 VersVG. gehandelt, die vom Versicherer nicht zum Anlaß einer Kündigung des Versicherungsvertrages genommen worden sei. Für die Organe der Beklagten habe daher auch keine Verpflichtung bestanden, die Zulassung des Motorfahrrades zum Verkehr zurückzunehmen.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstrichters über das Feststellungsbegehren auf und trug dem Erstrichter die neuerliche Entscheidung über diesen Teil des Klagebegehrens auf. Es war der Ansicht, die Zulässigkeit des Rechtsweges sei gemäß § 8 AHG. gegeben. Über das Feststellungsbegehren sei daher meritorisch zu entscheiden. Die Entscheidung des Erstrichters über das Leistungsbegehren bestätigte das Berufungsgericht mit Teilurteil. Es pflichtete dem Erstrichter darin bei, daß es sich infolge der Wiederinkraftsetzung des ursprünglichen Versicherungsvertrages bei der Prämie für das Versicherungsjahr vom 13. Mai 1960 bis 13. Mai 1961 um eine Folgeprämie nach § 39 VersVG. gehandelt habe, weshalb der Versicherungsvertrag nur durch Kündigung nach § 39 (3) VersVG. hätte aufgehoben werden können. Der Versicherer sei zwar im Hinblick auf die erfolglose Einmahnung der Prämie dem Versicherten gegenüber von der Leistung frei geworden, weshalb entgegen der Meinung des Erstrichters die Voraussetzungen für die Anzeige an das Verkehrsamt nach § 55 (5) KFG. vorgelegen seien. Dritten Personen gegenüber, also auch dem S. gegenüber, habe aber mangels Aufkündigung des Vertragsverhältnisses die Haftung des Versicherers gemäß § 158c VersVG. weiterbestanden. Damit fehle es an den Voraussetzungen für die Amtshaftung der Beklagten.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin meint, es sei im vorliegenden Fall nicht entscheidend, ob zur Unfallszeit das Versicherungsverhältnis noch bestanden habe und der Klägerin ein Anspruch gemäß § 158c VersVG. gegen den Vertragsversicherer zugestanden sei. Die Beklagte hafte ihr gegenüber auf jeden Fall gemäß § 1311 ABGB., weil der Schaden im Falle pflichtgemäßer Einziehung der Zulassung des Motorfahrrades zum Verkehr nicht eingetreten wäre. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Ein Zuwiderhandeln gegen eine Rechtsnorm löst nach ständiger Rechtsprechung einen Schadenersatzanspruch nur insoweit aus, als durch das Zuwiderhandeln gegen die Norm Interessen verletzt werden, deren Schutz die Norm betrifft. Es muß der sogenannte Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben sein. Das Zuwiderhandeln ist rechtswidrig nur gegenüber den durch die Rechtsnorm geschützten Interessen (vgl. SZ. XXVIII 127 u. a.). Die Bestimmungen des VI. Abschnittes des KFG. 1955 (§§ 53 ff.) über die Verpflichtung zur Eingehung und Aufrechterhaltung einer Haftpflichtversicherung und des § 38 KFG. 1955 über das Eingreifen der Organe der Beklagten für den Fall, daß den Bestimmungen des VI. Abschnittes über die Haftpflichtversicherung nicht mehr Genüge geleistet ist, bezwecken nicht schlechthin die Verhütung von Unfällen. Diesem Zwecke dienen die Verkehrsregeln, die Vorschriften über den Erwerb eines Führerscheines, über die Ausstattung der Kraftfahrzeuge usw. Die Vorschriften des VI. Abschnittes und des § 38 des KFG. 1955 haben zum Ziel, den Beteiligten bei Eintritt eines Schadensfalles den Schutz der Haftpflichtversicherung zu sichern. Es soll gewährleistet sein, daß im Falle eines Schadensereignisses der Schaden durch eine bestehende Haftpflichtversicherung gedeckt ist. War demnach der Versicherungsschutz zugunsten des Adolf S. im Unfallszeitpunkt noch aufrecht, kann von einer Schädigung der Interessen der Klägerin im Sinne der vorstehenden Ausführungen nicht gesprochen werden.

Wird von dieser Ansicht ausgegangen, dann braucht im vorliegenden Falle auf die Frage, ob die Organe der Beklagten verpflichtet gewesen wären, auf die Anzeige der Nebenintervenientin vom 23. August 1960 hin die Zulassung des Motorfahrrades zum Verkehr einzuziehen, gar nicht eingegangen werden. Die Interessen der Klägerin waren hiedurch nicht berührt, weil der Versicherungsvertrag im Unfallszeitpunkt mangels Aufkündigung durch die Nebenintervenientin noch aufrecht war, die einmonatige Frist des § 158c (2) VersVG. daher noch gar nicht zu laufen begonnen hatte.

Der Ansicht der Nebenintervenientin, es habe im Unfallszeitpunkt mangels Zahlung der Prämie für das Versicherungsjahr vom 13. Mai 1960 bis 13. Mai 1961, die infolge Stornos des vorangegangenen Versicherungsverhältnisses wieder als Erstprämie zu beurteilen sei, überhaupt keine Versicherung bestanden, von einer Reaktivierung des ursprünglichen Versicherungsvertrages könne nicht gesprochen werden, sind die Vorinstanzen bei dem festgestellten Sachverhalte mit Recht nicht beigetreten. Sie haben zutreffend darauf hingewiesen, daß die Nebenintervenientin selbst im erstinstanzlichen Verfahren den Standpunkt eingenommen hat, das ursprüngliche Versicherungsverhältnis sei nach der, wenn auch verspäteten Zahlung der Prämie reaktiviert, also ab dem ursprünglichen Vertragsbeginn wieder in Kraft gesetzt worden. Es kann in diesem Zusammenhang auch auf das Schreiben der Nebenintervenientin an Josef B. vom 5. April 1960 verwiesen werden, in dem es ausdrücklich heißt, daß die mit Schreiben vom 28. Dezember 1959 ausgesprochene Stornierung ab 13. Mai 1959 aufgehoben werde, so daß die Versicherung von dem genannten Tage an wieder in vollem polizzenmäßigen Umfang in Kraft stehe. Wäre es bei der Beendigung des Versicherungsverhältnisses auf Grund des mit Schreiben vom 28. Dezember 1959 erklärten Rücktrittes verblieben, hätte die Nebenintervenientin nur eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen können (§ 40 (2) VersVG.). Es bestand auch kein rechtliches Hindernis dagegen, den ursprünglichen Versicherungsvertrag, von dem die Nebenintervenientin wegen Nichtzahlung der Erstprämie mit Schreiben vom 28. Dezember 1959 zurückgetreten ist, nach der, wenn auch verspäteten Zahlung der Erstprämie einvernehmlich ab dem ursprünglich vorgesehenen Vertragsbeginn wieder in Kraft zu setzen. Da dies geschehen ist, haben die Vorinstanzen die Prämie für das Versicherungsjahr vom 13. Mai 1960 bis 13. Mai 1961 mit Recht nicht als Erstprämie, sondern als Folgeprämie beurteilt. Von einem Feststellungsmangel, der darin gelegen sein soll, daß aus dem Schreiben der Nebenintervenientin vom 28. Dezember 1959 nicht die erforderlichen Schlußfolgerungen in tatsächlicher Hinsicht gezogen worden seien, kann bei dieser Sachlage keine Rede sein.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte