OGH 6Ob32/65

OGH6Ob32/6510.2.1965

SZ 38/24

Normen

ABGB §37
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §209
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §211
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §218
ABGB §37
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §209
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §211
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §218

 

Spruch:

Die Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 218 BGB. gilt für Österreich, wenn die Verjährungsfrage nach deutschem Recht zu beurteilen ist auch dann, wenn der deutsche Exekutionstitel gemäß Art. 19 (1) des Vertrages BGBl. Nr. 105/1960 hier nicht vollstreckbar ist

Entscheidung vom 10. Februar 1965, 6 Ob 32/65

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck

Text

Das Erstgericht gab der auf Zahlung von 5927.43 DM s. A. lautenden Klage mit folgender Begründung statt:

Die klagende Partei, die in der Deutschen Bundesrepublik ihren Sitz hat, habe im Jahre 1955 in Deutschland dem Kaufmann Walter N., der deutscher Staatsangehöriger war, Kraftstoff geliefert. Mit rechtskräftigem Zahlungsbefehl des Amtsgerichtes Frankfurt/Main - Höchst vom 24. Jänner 1957 sei Walter N. verpflichtet worden, der klagenden Partei hiefür den Betrag von 5927.43 DM samt 9% Zinsen seit 1. Oktober 1955 sowie Verfahrenskosten von 56.30 DM binnen drei Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Walter N. habe zuletzt in Bregenz gewohnt und sei am 30. Oktober 1962 verstorben. Seine Witwe Alma N,. seine Mutter Lina N. und sein Bruder Erich N. hätten sich auf Grund des Gesetzes unbedingt zu Erben erklärt. Die klagende Partei habe ihre Forderung in dem beim Bezirksgericht B. anhängigen Verlassenschaftsverfahren angemeldet, die Forderung sei aber von den Erben bestritten worden.

Gemäß Art. 19 (1) des Staatsvertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. 1960 Nr. 105, sei der obige Zahlungsbefehl in Österreich nicht vollstreckbar, weil er vor dem 31. Dezember 1959 entstanden sei. Da eine deutsche Firma mit einem deutschen Staatsbürger in der Bundesrepublik Deutschland ein Rechtsgeschäft über Kraftstofflieferungen geschlossen habe, sei gemäß § 37 ABGB. auch die Verjährungsfrage nach deutschem Recht zu beurteilen. Gemäß § 196 (1) Nr. 1 BGB. verjähren Ansprüche von Kaufleuten für Warenlieferungen in zwei Jahren. Die klagende Partei habe ihren Anspruch innerhalb dieser Frist eingeklagt und einen Zahlungsbefehl erwirkt, der in Rechtskraft erwachsen sei. Gemäß § 209 Nr. 1 und § 213 BGB. sei hiedurch die kurze Verjährungsfrist unterbrochen worden. Gemäß § 218 BGB. verjähre ein rechtskräftig festgestellter Anspruch in 30 Jahren. Da diese Bestimmungen sich mit denen des österreichischen Rechtes decken, liege in der Anwendung der 30jährigen Verjährung auch kein Verstoß gegen den österreichischen ordre public. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB. komme, wie überhaupt österreichisches Recht, nicht zur Anwendung.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 37 ABGB. sind Rechtsgeschäfte, die von Ausländern im Ausland geschlossen werden, nach den Gesetzen des Ortes, wo das Geschäft abgeschlossen wurde, zu beurteilen, sofern dem Geschäftsabschluß nicht offenbar ein anderes Recht zugrunde gelegt wurde. Da das hier zur Beurteilung stehende Rechtsgeschäft zwischen einer deutschen Firma und einem deutschen Bundesbürger in der deutschen Bundesrepublik abgeschlossen wurde und die Zugrundelegung eines anderen Rechtes nicht behauptet wurde, ist das Rechtsgeschäft nach deutschem Recht zu beurteilen.

Nach einheitlicher Lehre und Rechtsprechung (Walker, Internationales Privatrecht[5] S. 327, Schnitzer, Handbuch des internationalen Privatrechtes[4] S. 667, Bolla, Grundriß des österreichischen Internationalen Privatrechtes S. 27, SZ. XXXI 33, EvBl. 1958 Nr. 73 u. a.) gehören die Bestimmungen über die Verjährung dem materiellen Recht an, die Verjährung ist somit nach den Gesetzen zu beurteilen, die für das Rechtsverhältnis selbst maßgebend sind. Sie ist daher im vorliegenden Fall nach den Bestimmungen des deutschen BGB. zu beurteilen.

Hiezu haben schon die Untergerichte zutreffend dargelegt, daß gemäß § 209 BGB. die Verjährung durch Erhebung der Klage, aber auch durch die ihr gleichstehende Zustellung eines Zahlungsbefehles im Mahnverfahren unterbrochen wird, daß diese Unterbrechung gemäß § 211 BGB. bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Prozesses fortdauert und daß ein rechtskräftig festgestellter Anspruch gemäß § 218 BGB. erst in 30 Jahren verjährt. Wendet man diese Rechtssätze auf den vorliegenden Fall an, so wurde eine etwaige kürzere Verjährungsfrist, der der Klagsanspruch allenfalls unterlag, durch die Zustellung des Zahlungsbefehles innerhalb dieser Frist unterbrochen und der in Rechtskraft erwachsene Zahlungsbefehl bildet jedenfalls für das Gebiet der deutschen Bundesrepublik einen der 30jährigen Verjährung unterliegenden Exekutionstitel.

Allerdings ist dieser Exekutionstitel in Österreich nicht vollstreckbar, weil er vor dem 31. Dezember 1959 entstanden ist und der die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen festsetzende Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland gemäß seinem Art. 19 (1) nur auf Exekutionstitel anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 1959 entstanden sind. Aus diesem Gründe muß ja die klagende Partei in Österreich neuerlich klagen, um sich einen hier gültigen Exekutionstitel zu verschaffen.

Die in der Revision angeführten Literaturstellen sprechen nicht gegen die angefochtene Entscheidung. Walker sagt a. a. O. lediglich, daß eine nach inländischem Recht zu beurteilende Verjährung durch eine im Ausland erhobene Klage nur dann unterbrochen wird, wenn das im ausländischen Verfahren ergehende Urteil im Inland als Exekutionstitel anerkannt wird. Dieser Fall liegt nicht vor, weil hier die Verjährung nicht nach inländischem, sondern gemäß § 37 ABGB. nach ausländischem, nämlich nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Auch die Ausführungen Klangs (im Kommentar[2] VI 609), daß die Regel des JME. vom 31. Juli 1858, RGBl. Nr. 105, nämlich der Eintritt der ordentlichen Verjährungsfrist an Stelle einer besonderen auf Grund eines ausländischen Urteils, nur dann Platz greift, wenn dieses Urteil im Inland vollstreckbar ist, liegen auf der selben Linie wie die Walkers. Die Anwendung des JME. auf den vorliegenden Fall kommt überhaupt nicht in Betracht, weil eben nicht inländisches, sondern deutsches Recht anzuwenden ist. Dasselbe gilt für die Darlegungen Riezlers (Internationales Zivilprozeßrecht 1949, S. 461 f., sowie in Staudingers Kommentar zu § 218 BGB.).

Die von der Revisionswerberin vertretene Anwendung österreichischen Rechtes auf die Frage der Verjährung würde zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, daß der Anspruch der klagenden Partei, der ein solcher zwischen einer deutschen Firma und einem deutschen Staatsbürger aus einem in Deutschland geschlossenen Rechtsgeschäft ist, im Geltungsbereich des deutschen Rechtes nicht verjährt wäre, sondern der 30jährigen Verjährung unterläge, für den des österreichischen Rechtes aber verjährt wäre.

Es ist somit dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, daß die Verjährung nach deutschem Recht zu beurteilen und der Klagsanspruch nicht als verjährt anzusehen ist.

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