Spruch:
Die Aufhebung einer Beschlagnahme durch das Strafgericht schafft als Maßnahme des öffentlichen Rechtes keinen Titel über privatrechtliche Ansprüche und stellt daher kein Erkenntnis im Sinne des § 1 Z. 8 EO. dar
Entscheidung vom 13. Jänner 1965, 3 Ob 148/64
I. Instanz: Exekutionsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Die Ratskammer beim Landesgericht für Strafsachen Wien verfügte mit Beschluß vom 25. Februar 1962 die Aufhebung der Beschlagnahme von verschiedenen Gegenständen und ordnete bezüglich der davon noch in Verwahrung des Zollamtes Wien befindlichen Platinbrosche, zweier Golddukaten und eines Schecks über 500 sfr an, daß das Zollamt Wien diese Gegenstände an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien als Pflegschaftsgericht für Hans O. auszufolgen habe.
Das Erstgericht bewilligte auf Grund einer mit Vollstreckbarkeitsklausel versehenen Ausfertigung dieses Beschlusses dem betreibenden Gläubiger (Hans O., vertreten durch seinen Abwesenheitskurator) zur Erwirkung der Herausgabe der oben einzeln angeführten Gegenstände gegen die Verpflichtete (Republik Österreich - Zollamt Wien) die Exekution gemäß § 346 EO. und zur Hereinbringung der Antragskosten die Fahrnisexekution.
Das Rekursgericht wies den Antrag ab, die Bestimmungen des § 1 Z. 8 - 10 EO. seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der Beschluß der Ratskammer beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 25. Februar 1962 enthalte nach seinem Wortlaut keinen Befehl zu einer privatrechtlich geschuldeten Leistung, wie dies zu einem "Erkenntnis über die privatrechtlichen Ansprüche" im Sinne des § 1 Z. 8 EO. erforderlich wäre, sondern nur eine Weisung an eine zur Unterstützung des Strafgerichtes einschreitende Behörde, somit eine öffentlich-rechtliche Anordnung. Die übrigen Bestimmungen des § 1, insbesondere Z. 9 und 10, EO. kämen für diesen Fall nicht in Betracht.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Rekursgericht hat dem vorgelegten Beschluß der Ratskammer mit Recht die Eigenschaft eines Exekutionstitels gemäß § 1 EO. abgesprochen. Die Ratskammer ist eine Gerichtsabteilung des Gerichtshofes erster Instanz und hat als solche entschieden. Das Rekursgericht hat daher die Eignung des vorgelegten Beschlusses als eines Exekutionstitels zutreffend nach der Bestimmung des § 1 Z. 8 EO. geprüft. Danach sind Exekutionstitel im Sinne der EO. rechtskräftige Erkenntnisse der Strafgerichte, welche über die Kosten des Strafverfahrens oder über die privatrechtlichen Ansprüche ergehen oder eine bestimmte Sicherheit für verfallen erklären. Der vorgelegte Beschluß der Ratskammer beim Landesgericht für Strafsachen Wien ist kein Erkenntnis im Sinne dieser Gesetzesbestimmung. Auch zählen zu den nach dem Inhalt des Beschlusses allein in Betracht kommenden privatrechtlichen Ansprüchen nur die einem Dritten (Privatbeteiligten) gegen den Angeklagten (Beschuldigten) zuerkannten Ansprüche, nicht aber auch Ansprüche, die dem von der Beschlagnahme Betroffenen (hier betreibenden Gläubiger) nach der Aufhebung einer Beschlagnahme auf Herausgabe der beschlagnahmt gewesenen Gegenstände gegen den vom Strafgericht bestellten Verwahrer zustehen (vgl. § 373 und die §§ 365 ff. StPO.; dazu die Fußnote 2 zu § 1 Z. 8 in MGA. der EO.[10]). Dies folgt auch daraus, daß die Beschlagnahme durch das Strafgericht eine Maßnahme des öffentlichen Rechtes ist und daher auch die Aufhebung der Beschlagnahme dem öffentlichen Recht angehört. Der Aufhebungsbeschluß und die Weisung des Strafgerichtes an den von ihm bestellten Verwahrer, die beschlagnahmten Gegenstände an denjenigen, gegen den sich die Beschlagnahme gerichtet hat, herauszugeben, schafft keinen Titel über privatrechtliche Ansprüche.
Die im Revisionsrekurs vertretene Rechtsansicht, daß ein Exekutionstitel nach § 1 Z. 10 EO. vorliege, entbehrt jeder Grundlage, weil davon nur Entscheidungen "von Verwaltungsbehörden oder anderen hiezu berufenen öffentlichen Organen" betroffen werden und rechtskräftige Erkenntnisse der Strafgerichte (hier der Ratskammer eines Strafgerichtes) der Bestimmung des § 1 Z. 8 EO. zu unterstellen sind. Im übrigen wäre dem betreibenden Gläubiger auch mit der Bestimmung der Z. 10 nicht gedient, weil auch sie nur vollstreckbaren Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche die Eigenschaft eines Exekutionstitels im Sinne der EO. verleiht, mit dem vorliegenden Titel aber aus den oben angeführten Gründen über privatrechtliche Ansprüche nicht entschieden wurde.
Liegt somit ein Exekutionstitel im Sinne der EO. nicht vor, dann konnte die beantragte Exekution auch nicht bewilligt werden.
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