Spruch:
Reine Erfolgshaftung des Mieters nach § 1109 ABGB.
Nach § 1323 ABGB. ist der Wert einer neuen Sache zur Zeit der Beschädigung nach Abzug einer verhältnismäßigen Abnützungsquote zu vergüten.
Entscheidung vom 18. November 1964, 6 Ob 212/64. I. Instanz:
Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Kläger, der seit 1960 Eigentümer des Hauses W., Sch.-gasse 14, ist, begehrt von der Beklagten die Bezahlung eines Betrages von 1.690 S mit der Begründung, daß sie Hauptmieterin des in diesem Hause gelegenen Ateliers Nr. 8 gewesen sei und anläßlich ihres Auszuges am 11. Oktober 1962 die Eingangstür zu diesem Atelier mitgenommen habe. Sie vertrete den Standpunkt, Eigentümerin dieser Tür zu sein, welche sie nach Kriegsende aus eigenen Mitteln angeschafft habe, wobei die alte Eingangstür auf den Dachboden gestellt worden sei. Dort sei sie aber nicht mehr vorhanden, weshalb der Kläger genötigt gewesen sei, eine neue Tür anfertigen zu lassen, wofür ihm Auslagen in der Höhe des eingeklagten Betrages entstanden seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Die Beklagte war seit 1918 Mieterin des genannten Ateliers. Die damals dort vorhandene Eingangstür im Ausmaß von zirka
2.10 m X 1 m war nicht solid gearbeitet, sondern dünn und teilweise morsch. Sie wurde durch zwei Einbrüche in den Jahren 1932 und 1936 beschädigt und von der Beklagten wieder instandgesetzt. Eine weitere Beschädigung erlitt die Tür im Jahre 1945 durch die Auswirkungen eines Granattreffers in das Stiegenhaus. Auch diesen Schaden ließ die Beklagte provisorisch beheben. Sie versuchte während der Jahre 1946/47 vergeblich, von der damaligen Hausinhabung die Instandsetzung der Eingangstür zu erreichen, worauf sie eine neue Tür auf ihre Kosten anschaffte. Die alte Eingangstür wurde vom Tischler auf den Dachboden in der Nähe der Eingangstür abgestellt, ist aber dort, als der Kläger im Frühjahr 1960 das Haus erwarb und auch beim Auszug der Beklagten aus dem Atelier, nicht mehr vorhanden gewesen. Die Beklagte hat, als sie am 11. Oktober 1962 aus dem Atelier auszog, die von ihr angeschaffte Eingangstür mitgenommen. Der Kläger hat für die Anschaffung einer neuen Eingangstür einen Betrag von 1.690 S aufgewendet.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht dahin, daß der Kläger nicht Eigentum an der von der Beklagten angeschafften Eingangstür erworben habe, weshalb letztere berechtigt gewesen sei, diese bei ihrem Auszug aus dem Atelier mitzunehmen. Was die ihr gemäß § 1109 ABGB. obliegende Verpflichtung anlange, den Bestandgegenstand in dem Zustand zurückzustellen, wie sie ihn seinerzeit übernommen habe, sohin mit der alten Eingangstür, so habe die Beklagte diese Verpflichtung infolge Abhandenkommens dieser Tür, also ohne ihr Verschulden, nicht erfüllen können, weshalb sie auch nicht schadenersatzpflichtig sei. Überdies wäre der frühere Hauseigentümer gemäß § 6 MietG. verpflichtet gewesen, die alte Tür instandsetzen zu lassen. Da dies nicht geschehen sei, so sei der Kläger als deren Rechtsnachfolger nicht berechtigt, einen Ersatz für die seinerzeit versäumte und nunmehr nachgeholte Leistung von der Beklagten zu begehren.
Die vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene Berufung wurde, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wurde, verworfen; im übrigen wurde ihr Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur fortgesetzten Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Das Berufungsgericht billigte zwar die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß es sich bei der von der Beklagten neu angeschafften Eingangstür nicht um ein Zubehör gehandelt habe, welches in das Eigentum des Klägers als Eigentümer der Hauptsache übergegangen sei. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, bei ihrem Auszug diese neue Tür mitzunehmen. Sie wäre aber verpflichtet gewesen, den Bestandgegenstand durch Anbringung der alten Tür wieder in eine zum ordentlichen Gebrauch tauglichen Zustand zu versetzen und in diesem Zustand dem Kläger zu übergeben, wozu sie aber infolge Abhandenkommens der alten Tür nicht in der Lage gewesen sei. Nicht entscheidend sei, ob sie daran ein Verschulden treffe oder nicht, denn sie habe auf jeden Fall ihre Verpflichtung nach § 1109 ABGB. nicht erfüllt, welcher Umstand allein genüge, um nach § 1295 (1) ABGB. einen Schadenersatzanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten zu begrunden. Dieser könne, da die alte Tür nicht mehr aufzufinden sei, nicht durch Naturalrestitution, sondern nur durch Geldersatz befriedigt werden. Der Hinweis des Erstgerichtes auf die aus § 6 MietG. sich ergebende Verpflichtung des Vermieters zur laufenden Instandhaltung der Bestandsache greife deshalb nicht durch, weil diese Verpflichtung des Vermieters nichts mit der Pflicht des Mieters nach § 1109 ABGB. zu tun habe. Was die Höhe des Schadenersatzanspruches des Klägers anlange, so habe er nur Anspruch auf Ersatz des Schätzwertes der alten keineswegs mehr neuwertigen Tür, bezogen auf den Zeitpunkt der Rückstellung des Bestandobjektes. Es sei daher notwendig, die Beschaffenheit und den Zustand der alten Tür festzustellen. Die Feststellung des Erstgerichtes, die alte Tür sei bereits im Jahre 1918 nicht solid gearbeitet, dünn und teilweise morsch gewesen, sei bedenklich und es sei auch noch zu klären, ob nicht etwa Teile der alten Tür, wie z. B. Schlösser und Beschläge, für die neue Tür verwendet worden seien, was mit Rücksicht auf die im Zeitpunkt der Anschaffung der neuen Tür bestehende Materialknappheit naheliegend gewesen sei. Hierauf wäre allenfalls durch Vernehmung eines Sachverständigen zu klären, ob der vom Kläger für die Anschaffung der neuen Tür aufgewendete Betrag angemessen und wie hoch der Schätzwert der alten Tür anzunehmen ist, wobei unter Umständen nach § 273 ZPO. vorzugehen sein werde.
Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Parteien erhobenen Rekursen nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Untergerichte haben zutreffend erkannt, daß die von der Beklagten auf ihre Kosten angeschaffte neue Eingangstür in ihrem Eigentum verblieben und nicht als Zubehör in das Eigentum des Klägers als Liegenschaftseigentümers übergegangen ist. Es besteht nämlich keine Identität zwischen der Eigentümerin der einen selbständigen Bestandteil bildenden neuen Tür und dem Eigentümer der Liegenschaft und es liegt auch eine dauernde Verbindung der Tür als Nebensache mit dem Haus als Hauptsache bzw. ihre dauernde Widmung für die Zwecke der Hauptsache nicht vor, wie sich aus der Entfernung der Tür durch die Beklagte ergibt (SZ. XIX 158, RiZtg. 1961 S. 102, SZ. XX 98, 160, Klang[2] II S. 17 bis 21 zu § 294 ABGB.). Die Beklagte war daher berechtigt, die von ihr aus ihren Mitteln angeschaffte und in ihrem Eigentum verbliebene neue Tür bei ihrem Auszug aus dem Atelier mitzunehmen. Sie hatte aber auch bei ihrem Auszug die ihr gemäß §§ 1109, 1110 ABGB. obliegende Verpflichtung, die Sache in dem Zustand, in welchem sie diese übernommen hatte, dem Bestandgeber zurückzugeben, zu erfüllen. Hat sie, wie im vorliegenden Fall, diese Verpflichtung nicht erfüllt, so wird sie dadurch, sofern sie daran ein Verschulden trifft, schadenersatzpflichtig. § 1109 ABGB. regelt nur Zeitpunkt und Inhalt der Rückgabepflicht, während § 1111 ABGB. die Haftung für die Beschädigung der Bestandsache regelt (Klang[2] V S. 88 Vorbemerkungen zu §§ 1109 bis 1111 ABGB.). Es ist daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes für eine Haftung des Mieters notwendig, daß ihn ein Verschulden trifft, da § 1111 ABGB. die Zufalls- und damit die Erfolgshaftung ausdrücklich ausschließt (MietSlg. 4396, s. auch Klang[2] V S. 93 zu § 1111 ABGB.). Wenn also die Beklagte ein Verschulden am Abhandenkommen der alten Tür trifft, wodurch sie an der Erfüllung ihrer Verpflichtung nach §§ 1109, 1110 ABGB. gehindert wurde (den Entschuldigungsbeweis hat gemäß § 1298 ABGB. sie zu erbringen), so hat der Kläger ihr gegenüber einen Schadenersatzanspruch nach §§ 1111, 1295, 1323, 1324 ABGB., wobei im vorliegenden Fall, da die Beklagte jegliche Schadenersatzpflicht bestreitet, nur Geldersatz in Betracht kommt (SZ. XXXII 5). Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch, mit welchem Schadloshaltung (§§ 1323, 2. Satz, 1. Halbsatz und 1324 zweiter Halbsatz ABGB.) begehrt wird, wurde auch innerhalb der Jahresfrist des § 1111 ABGB. geltend gemacht, da die Beklagte am 11. Oktober 1962 ausgezogen ist und die Klage am 10. Mai 1963 eingebracht wurde.
Nun vermeint die Beklagte in ihrem Rekurs, der Beschluß des Berufungsgerichtes verstoße gegen die Bestimmung des § 405 ZPO., weil mit dem Klagebegehren kein Schadenersatzanspruch geltend gemacht worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß in der Klagserzählung ein Sachverhalt ohne Geltendmachung eines bestimmten Rechtsgrundes geschildert wurde, der sich rechtlich als Schadenersatzanspruch beurteilen läßt. Überdies hat sich der Kläger in der Verhandlungstagsatzung vom 21. Oktober 1963 auch auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes berufen. Der gerügte Verstoß gegen § 405 ZPO. liegt daher nicht vor.
Wenn ferner die Beklagte meint, der Kläger müsse ihr beweisen, daß sie an dem Abhandenkommen der alten Tür ein Verschulden treffe, so übersieht sie, daß ihr die Nichterfüllung einer gesetzlichen Verbindlichkeit, nämlich der nach § 1109 ABGB., angelastet wird, weshalb sie gemäß § 1298 ABGB. zu beweisen hat, daß sie daran ohne ihr Verschulden gehindert worden sei.
Dadurch, daß der Tischler einfach die alte Tür auf dem Dachboden, auf welchem die Beklagte nicht einmal ein Bodenabteil hat, abgestellt hat, wurde von der Beklagten keineswegs der Entschuldigungsbeweis erbracht, denn sie hat durch diesen Vorgang mangels entsprechender Vereinbarung mit der Hausverwaltung die Tür weder in deren Obhut übergeben noch wurde sie von dieser in ihre Obhut übernommen. Es hätte daher die Beklagte bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt die Tür entweder weiter in ihrem Atelier verwahren oder bei der Verwahrung auf dem Dachboden besondere Vorkehrungen gegen ein Abhandenkommen der Tür treffen müssen. Der Umstand, daß nach den Behauptungen der Beklagten der Schlüssel für die Tür zum Dachboden von der Hausbesorgerin verwahrt und nur an die Hausparteien ausgefolgt wurde, vermag keineswegs die oben aufgezeigte Verpflichtung der Beklagten zu beseitigen. Diese hat dadurch, daß sie die alte Tür einfach auf den Dachboden stellen ließ und sich um diese nicht weiter kümmerte, auf jeden Fall fahrlässig gehandelt und haftet daher für den Schaden, der dem Kläger dadurch entstanden ist, daß sie infolge des von ihr verschuldeten Abhandenkommens der alten Tür ihre Verpflichtung nach § 1109 ABGB. nicht erfüllt hat.
Wenn schließlich im Rekurs der Beklagten noch die Auffassung vertreten wird, es sei der Schadenersatzanspruch deshalb nicht gegeben, weil der Kläger erst im Jahre 1960, als bereits die alte Tür abhandengekommen war, Eigentümer des Hauses wurde, so wird übersehen, daß die Verpflichtung nach § 1109 ff. ABGB. gegenüber dem bei Beendigung des Bestandvertrages vorhandenen Bestandgeber besteht, und zwar hinsichtlich ihres Umfanges ohne Rücksicht darauf, wann der nach dieser Gesetzesstelle Berechtigte die Stellung eines Bestandgebers erlangte und ob zu diesem Zeitpunkt noch alle von seinem Rechtsvorgänger in Bestand gegebenen und nunmehr zurückzustellenden Sachen vorhanden waren oder nicht.
Es ist daher entgegen der im Rekurs der Beklagten vertretenen Auffassung die Rechtssache keineswegs im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens spruchreif, weshalb ihrem Rekurs ein Erfolg zu versagen war.
Der Kläger bekämpft in seinem Rekurs die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß sein Schadenersatzanspruch auf den Ersatz des Schätzwertes der alten Tür, bezogen auf den Zeitpunkt der Rückstellung des Bestandobjektes, beschränkt sei. Nach seiner Auffassung habe er Anspruch auf Ersatz der von ihm für die Anschaffung einer Ersatztür gemachten Aufwendungen.
Auch dieser Rekurs erweist sich im Ergebnis als nicht begrundet.
Aus der Bestimmung des § 1323 ABGB. läßt sich in keiner Weise ein Anspruch des Geschädigten auf eine Werterhöhung der beschädigten oder vernichteten Sache ableiten; beide Arten der Schadensgutmachung, nämlich die der Versetzung in den vorigen Zustand, als auch die Vergütung des Schätzwertes, sind darauf abgestellt, dem Geschädigten das zu gewähren, was er zur Zeit der Beschädigung hatte; wenn auch vielleicht nicht genau die Erzielung desselben Wertes möglich ist, so soll doch wenigstens ein annähernd gleicher wirtschaftlicher Wert wiederhergestellt werden. Wer einem anderen ein ohnedies schon beschädigtes Gut vernichtet oder ein mit Mängeln behaftetes Gut beschädigt hat, hat nicht den Wert eines unbeschädigten und mangelfreien Gutes zu ersetzen oder ein solches in Natur zu liefern, wenn auch die Berücksichtigung geringer Wertschwankunger aus Gründen der Billigkeit und Zweckmäßigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes aber nicht, daß der Kläger nur Anspruch auf den Schätzwert der alten keineswegs mehr neuwertigen Tür habe. Es muß vielmehr der Schätzungswert, den der Geschädigte in diesem Fall gemäß § 1323 ABGB. begehren kann, den Geschädigten in die Lage versetzen, sich eine Ersatzsache anzuschaffen. Demnach ist nicht der Verkaufswert, sondern der Ankaufswert maßgebend, dies jedoch mit der Einschränkung, daß für die Abnützung ein angemessener Abschlag vom Ankaufspreis vorzunehmen ist, wenn es sich wie hier um den Ersatz für eine alte Sache handelt (ZVR. 1964 Nr. 100 S. 126, SZ. XXXV 87). Der Schätzungswert ist demnach jenem Wert gleichzusetzen, den eine neue Sache gleicher Art zur Zeit der Beschädigung nach Abzug der verhältnismäßigen Abnützungsquote hatte (EvBl. 1954 Nr. 413 S. 617). Im vorliegenden Fall wird bei der Abnützungsquote nicht nur die durch bloßen Zeitablauf bedingte Abnützung, sondern auch die durch Einbrüche und Bombenauswirkungen verursachte besondere Abnützung, unter Bedachtnahme auf die von der Beklagten veranlaßten Reparaturen zu berücksichtigen sein. Als der für die Errechnung des Schätzungswertes maßgebende Zeitpunkt der Beschädigung ist im vorliegenden Fall, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, der Zeitpunkt der Übergabe des Bestandobjektes zu verstehen, da erst zu diesem Zeitpunkt für den Kläger der Schaden dadurch eingetreten ist, daß die Beklagte die von ihr angeschaffte neue Tür, ohne daß die alte Tür noch vorhanden war, mitgenommen hat.
Da aber Feststellungen für die Ermittlung des Schätzungswertes fehlen und überdies das Berufungsgericht Bedenken gegen die Richtigkeit des festgestellten Zustandes der alten Tür hatte, so ist der bekämpfte Aufhebungsbeschluß im Ergebnis zu Recht ergangen.
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