OGH 4Ob572/64

OGH4Ob572/6410.11.1964

SZ 37/161

Normen

ABGB §861
ABGB §1029
ABGB §861
ABGB §1029

 

Spruch:

Wer einem Angestellten die Entgegennahme von Telephongesprächen in seinem geschäftlichen Betrieb überläßt, muß es gegen sich gelten lassen, daß ein Dritter auf die Übermittlung des telephonisch Bestellten an ein vertretungsbefugtes Organ vertraut. Er muß das seinem Angestellten gegenüber Bestellte so gelten lassen, als ob es einem seiner vertretungsbefugten Organe gegenüber bestellt worden wäre.

Entscheidung vom 10. November 1964, 4 Ob 572/64. I. Instanz:

Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin begehrt von der Beklagten 76.789.35 S s. A. und nach Zahlung von 50.311.10 S den eingeschränkten Betrag von 26.478.25 S s. A. Sie leitet ihren Anspruch aus Zessionen von Forderungen der Firma D. & Co. KG. Innsbruck gegen die Beklagte in der Höhe von 90.860 S ab. Von diesen Forderungen sei ein Akzept von 17.600 S eingelöst worden. Der Zessionssaldo erhöhe sich aber um die bis 20. September 1962 aufgelaufenen 9%igen Zinsen von 3529.35 S. Die Beklagte begehrt Klagsabweisung. Sie habe ihre Schulden aus Warenlieferungen an die Firma D. & Co. KG. vollständig berichtigt und keine selbständige Verpflichtung zur Einlösung der an die Klägerin zedierten Forderungen übernommen. Im einzelnen wandte die Beklagte ein:

1. Die Beklagte habe dem Zedenten im Rahmen eines vereinbarten Zahlungsplanes über die an die Klägerin zedierten Warenforderungen von 90.860 S bereits Zahlung in Form von Akzepten in Höhe von 92.700

S gegeben. Die Buchhalterin der Beklagten Frau S. habe bei dem Telephongespräch mit dem Prokuristen der Klägerin Überdeckung der zedierten Forderungen durch bereits ausgefolgte Akzepte an den Zedenten bekanntgegeben, worauf dieser erklärt habe, diese Zahlungen würden selbstverständlich berücksichtigt, zumal ein Anerkenntnis ohne Rücksicht auf die Form und Zeit der vereinbarten Bezahlung verlangt werde. Darauf habe Frau S. mittels Fernschreibens an die Klägerin erklärt: "Zession über 90.860 S von uns anerkannt".

2. mit 1. März 1962 habe die Beklagte der Klägerin eine genaue Aufstellung der Fälligkeiten und geleisteten Zahlungen übersandt. Daraus habe sich ergeben, daß D. & Co. bisher Akzepte über insgesamt 92.700 S erhalten habe, wogegen die Fälligkeiten nur 80.800 S betragen haben, sodaß eine Überzahlung von 11.900 S gegeben gewesen sei. Da aber zum 1. April 1962 eine weitere Fälligkeit von 29.500 S vorgesehen gewesen sei, habe sich zu diesem Tage eine Schuldigkeit von 17.600 S ergeben, worüber die Klägerin ein Akzept erhalten habe.

3. Auf das Schreiben vom 1. März 1962 habe die Klägerin nicht reagiert, das Akzept über 17.600 S unbeanstandet angenommen, woraus die Beklagte habe annehmen können, daß damit die Frage der Zessionen geklärt sei.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung des eingeschränkten Betrages von 26.478.25 S samt 5% Zinsen aus 73.260 S vom 20. September 1962 bis 6. März 1964 und aus 26.478.25 S seit 7. März 1964 und wies das 5% übersteigende Zinsenmehrbegehren von weiteren 4% Zinsen ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Streitteile seien mit der Firma D. & Co. in Innsbruck, deren Inhaber Dr. Erwin D. sei, in Geschäftsverbindung gestanden. Diese Geschäftsverbindung habe sich in der Form abgewickelt, daß die Beklagte von der genannten Firma Waren bezogen habe und die jeweiligen Fakturen der Klägerin übergeben worden seien, die sie mit einem Zessionsvermerk versehen an die Beklagte übersandt habe. Die Klägerin habe hingegen der Zedentin größere Kredite gewährt, die durch die Forderungszessionen gesichert worden seien. Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17. Juli 1962 sei über das Vermögen der Zedentin der Konkurs eröffnet worden, dieser sei aber mangels Deckung der Kosten des Verfahrens gemäß § 166 (2) KO. mit Beschluß vom 11. Oktober 1962 wieder aufgehoben worden. Der Aufhebungsbeschluß des Landesgerichtes Innsbruck, sei am 2. November 1962 in Rechtskraft erwachsen. Der Klägerin seien regelmäßig und laufend Rechnungsforderungen der Firma D. & Co. an die Beklagte zediert worden. Unter anderem seien von dem Alleininhaber dieser Firma Dr. Erwin D., auch die Fakturen 0014/30 über 42.480 S, 0015/12 über 11.800 S und 0019/16 über 36.580 S somit Fakturen an die beklagte Partei in der Gesamthöhe von 90.860 S zur Zession bei der Klägerin eingereicht worden. Dr. D. habe darauf gedrängt, daß diese Forderungen von der Beklagten anerkannt werden, weil er sonst von der Klägerin keine Bevorschussung derselben erhalten hätte. Um dies zu erreichen habe Dr. D. am 23. Feber 1962 um 8 Uhr früh bei dem Prokuristen der Klägerin, Ing. Hermann Sch., vorgesprochen, der sodann auf Drängen des Dr. D. folgendes Fernschreiben an die Beklagte abgesandt habe:

"Herr Dr. D. von der Firma D. & Co., Innsbruck, hat uns heute 8 Uhr früh mitgeteilt, daß wir von Ihnen bis spätestens 11 Uhr ein Fernschreiben erhalten sollten, in dem Sie uns mitteilen, daß Sie für den gesamten Forderungsbetrag Wechsel ausstellen werden, die Sie uns auch bei gegebener Überfälligkeit als Anerkenntnis für die Forderung der Firma D. & Co. gegenüber ihrem sehr geschätzten Unternehmen direkt zur Verfügung stellen werden. Wir betonen nochmals, daß wir gerne bereit sind, Herrn Dr. D. im Rahmen des Zessionskredites eine 80%ige Bevorschussung seiner Forderungen zu gewähren. Es ist aber selbstverständlich, daß wir über die Rechtmäßigkeit der Forderung vom Zessus, im gegebenen Falle von Ihrem Unternehmen, eine Anerkenntnis erhalten wollen. Wir ersuchen Sie, uns heute fernschriftlich zu verständigen, daß die bei uns geführten Forderungen in Höhe von 42.480 S, 11.800 S und 36.580 S zusammen 90.860 S ohne Rücksicht auf die Form und Zeit der vereinbarten Bezahlung zu Recht bestehen. Da wir das angekundigte Fernschreiben noch nicht erhalten haben, wir aber für andere Fälligkeiten der Firma D. & Co. in Vorlage treten sollen, wären wir Ihnen für eine dringliche FS-Stellungnahme im Interesse unseres Kommittenten sehr verbunden. H.- und G.bank Innsbruck."

Nach Absendung dieses Fernschreibens habe der Prokurist der Klägerin, Ing. Sch., am gleichen Tage ein Telefongespräch mit der beklagten Partei geführt, für die deren Buchhalterin Elfriede S. als Gesprächspartnerin aufgetreten sei. Ing. Sch. habe der Buchhalterin der Beklagten bei dieser Gelegenheit erklärt, daß die Klägerin ein Anerkenntnis der zedierten Forderungen durch die Beklagte haben wolle und diese jetzt alle eventuell bestehenden Einwendungen gegen diese Forderungen geltend machen könne. Im Falle der Anerkennung dieser Forderungen durch die Beklagte würde die Klägerin die Zession der drei Fakturen im Gesamtbetrag von 90.860 S annehmen. Elfriede S. habe bei diesem Ferngespräch darauf hingewiesen, daß die Beklagte bereits Akzepte gegeben habe, worauf ihr Ing. Sch. erwidert habe, daß sie diese Tatsache, falls sie zu Recht bestehen sollte, als Einwand geltend machen könnte, da die Klägerin auf die Form der Zahlung, ob mit Wechseln oder in anderer Weise, keinen Einfluß nehme. Die Beklagte müßte lediglich, falls sie der Meinung sei, daß sie auf die Forderung von 90.860 S bereits Akzepte gegeben habe, diesen Einwand beim Anerkenntnis zum Ausdruck bringen. Ing. Sch. habe Frau S. gleichzeitig aufgefordert, die Angelegenheit mit ihrem zuständigen Herrn zu besprechen. Am gleichen Tage, also am 23. Feber 1962, habe die beklagte Partei durch Elfriede S. an die Klägerin ein Fernschreiben folgenden Inhaltes abgesandt:

"Zession über 90.860 S von uns anerkannt. Maw-S."

Nachdem der Betrag von 90.860 S durch die Beklagte vorbehaltlos anerkannt worden sei, habe die Klägerin dem Dr. D. 80% der zedierten Forderungen zur Ausnutzung eingerechnet. Die Rechnungen seien auch von der Klägerin bevorschußt worden und von ihr in der Folge für Dr. D. weitere Zahlungen geleistet worden. Mit Schreiben vom 1. März 1962 habe die Beklagte der Klägerin eine Aufstellung der Liefer- und Zahlungstermine hinsichtlich der Firma D. & Co. bekanntgegeben. Diese enthalte aber keinen Hinweis auf die Bezeichnung der einzelnen Fakturen sowie auf das abgesandte Fernschreiben. Aus dieser Aufstellung sei lediglich ersichtlich, daß mit 1. April 1962 noch ein Betrag von 17.600 S ausgehaftet habe, worüber die Beklagte ein 3 Monats-Akzept der Klägerin zusenden werde, was auch tatsächlich geschehen sei. Zur Verrechnung auf die Zessionen habe die Klägerin von der Beklagten ein Akzept über 17.600 S per 12. Juli 1962 erhalten, das bei ihr am 16. oder 17. April 1962 eingelangt und auch eingelöst worden sei. Dieses sei auch von dem Zessionsbetrag von 90.860 S in Abzug gebracht worden. Weitere Zahlungen nach dem 23. Feber 1962 seien von der Beklagten an die Klägerin nicht mehr geleistet worden. Von dem Betrag von 17.600 S abgesehen, sei das Zessionskonto der beklagten Partei bei der Klägerin am 14. Feber 1962 ausgeglichen und alle Wechsel abgerechnet gewesen. Dieses Schreiben vom 1. März 1962 sei wohl bei der Klägerin eingelangt, von dieser aber mit Rücksicht auf das Anerkenntnis der Zession durch das Fernschreiben nicht mehr beantwortet worden. Mit Schreiben vom 17. April 1962 habe die Klägerin die Beklagte davon in Kenntnis gesetzt, daß ihre Zessionsschuld aus den Fakturen 0014/30, 0015/12 und 0019/16 abzüglich des Betrages von 17.600 S noch 73.260 S betrage. Sie habe um umgehende Bezahlung dieses Betrages ersucht. Eine neuerliche Mahnung sei am 8. Mai 1962 erfolgt, die von der Beklagten mit Schreiben vom 15. Mai 1962 dahin beantwortet worden sei, daß nur mehr ein Betrag von 1740 S zu Gunsten der Klägerin bzw. zur freien Verfügung des Dr. D. verblieben.

Aus diesem Sachverhalt folgerte das Erstgericht, daß die Beklagte die Forderung gegenüber der Klägerin als redliche Übernehmerin für richtig erkannt habe und deshalb verbunden sei, sie als ihren Gläubiger zu befriedigen. Die Anerkennung sei ein selbständiger Verpflichtungsgrund und heile alle Mängel der Forderung zur Zeit der Abtretung.

Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte berufen. Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil hinsichtlich des Zuspruches von 3529.35 S samt 5% Zinsen seit 7. März 1964 sowie im Kostenausspruch ohne Rechtskraftvorbehalt auf, bestätigte aber mit Teilurteil im übrigen den Zuspruch von 22.948.90 S s. A. Das erstgerichtliche Urteil verfalle deshalb einer teilweisen Aufhebung, weil nicht klar sei, inwiefern in dem zugesprochenen Betrage von 3529.35 S s. A. kapitalisierte Zinsen von über 5% enthalten seien. Im übrigen billigte das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen und teilte auch dessen rechtliche Beurteilung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Untergerichte haben für die Auslegung der mittels Fernschreiben von beiden Parteien abgegebenen Erklärungen auch das fernmündliche Gespräch zwischen dem Prokuristen der Klägerin Ing. Sch. und der Buchhalterin der Beklagten Elfriede S. herangezogen. In der Revision meint die Beklagte, auf das Ferngespräch sei nicht zu achten, weil die Klägerin weder behauptet, noch bewiesen habe, daß Frau S. ein vertretungsbefugtes Organ der Beklagten gewesen sei. Auf diese im Verfahren I. Instanz gar nicht erhobene Einwendung der mangelnden Berechtigung von Elfriede S., für die Beklagte verpflichtende Erklärungen abzugeben, ist nicht einzugehen, weil es nicht auf die Abgabe rechtsverbindlicher Erklärungen durch Frau S. bei dem in Frage stehenden Ferngespräch ankommt. Solche hat sie telefonisch gar nicht abgegeben. Die Beklagte muß aber deshalb, weil sie ihrer Angestellten Elfriede S. die Entgegennahme von Telefongesprächen in ihrem geschäftlichen Betriebe überlassen hat, gegen sich gelten lassen, daß die Klägerin auf die Übermittlung des telefonisch Bestellten an ein vertretungsbefugtes Organ der Beklagten vertraute (Gschnitzer in Klang[2], IV, S. 69, Stanzl a. a. O., S.781, 782). Die Beklagte muß also das ihrer Angestellten Bestellte so gelten lassen, wie wenn es einem ihrer vertretungsbefugten Organe bestellt worden wäre. Die Untergerichte haben deshalb auch mit Recht zur Erläuterung der Tragweite und des Sinnes des Fernschreiben8 der Klägerin vom 23. Februar 1962 sowie des Antwortschreibens der Beklagten vom gleichen Tage das dazwischen geführte Telefongespräch verwertet.

Es geht auch nicht an, aus dem Fernschreiben vom 23. Feber 1962 das darin enthaltene Ersuchen um Mitteilung des Zurechtbestehens der drei zedierten Forderungen isoliert vom deutlich bekannt gegebenen Zweck des Fernschreibens zu betrachten und daraus eine Zweideutigkeit seines Inhaltes abzuleiten. Auch für das Zustandekommen des vorliegenden Anerkenntnisvertrages gilt die Auslegungsregel des § 914 ABGB., wonach der Vertrag so zu verstehen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehres entspricht. Darnach konnte es für die Beklagte gar nicht zweifelhaft sein, daß es der Klägerin nicht auf eine Anerkennung der Zession als solcher ankomme, - davon war ja im Fernschreiben sowie dem Ferngespräch als unstreitig gar nicht die Rede - sondern darauf, daß die zedierten Forderungen in der angegebenen Höhe als richtig anerkannt werden. Nur ein solches Anerkenntnis konnte der Klägerin genügende Sicherheit geben, auf die abgetretenen Forderungen dem Zedenten Vorschüsse zu gewähren. Der im Fernschreiben enthaltene Beisatz:

"Ohne Rücksicht auf die Form und Zeit der vereinbarten Zahlung" konnte daher nicht anders verstanden werden, als daß es der Klägerin nicht darauf ankomme, wann die abgetretene Forderung fällig ist und ob Barzahlung oder Zahlung in anderer Form (Akzept, Aufrechnung u. s. w.) erfolgt. Daß ein Anerkenntnis von durch hingegebene Akzepte vielleicht schon getilgten Forderungen verlangt werde, wird schon durch den Wortlaut des Fernschreibens, wonach "das Zurechtbestehen" dieser Forderungen anerkannt werden solle, widerlegt. Demnach ist die von der Beklagten mit Fernschreiben noch am gleichen Tage abgegebene Erklärung: "Zession über 90.860 S von uns anerkannt" als Anerkenntnis nicht der bloßen Zession, sondern des Zurechtbestehens der Forderungen selbst aufzufassen, womit die Wirkungen der Anerkennung im Sinne des § 1396 Satz 2 ABGB. verbunden sind. Durch dieses Anerkenntnis ist für die Ansprüche der Klägerin ein selbständiger Verpflichtungsgrund unabhängig von der behaupteten Tilgung der Forderungen vor Bekanntgabe der Abtretung an den Schuldner entstanden (SZ. XX 125, Wolff in Klang[2], VI, S. 319, Ehrenzweig[6] II/1 S. 267). Wenn die Beklagte nach dem Anerkenntnis mit Schreiben vom 1. März 1962 der Klägerin eine Aufstellung der Liefertermine und eine Zusammenstellung der Fakturen übermittelte, so ist daraus nicht ohne weiteres erkennbar, daß damit eine Auslegung der Tragweite des Anerkenntnisses gegeben werden sollte. Die Nichtbeachtung dieses Schreibens ist für die Klägerin unschädlich, zumal ja eine Anfechtung des Anerkenntnisses wegen Irrtums nicht versucht worden ist.

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