OGH 4Ob67/64

OGH4Ob67/6422.9.1964

SZ 37/125

Normen

Gemeindevertragsbedienstetengesetz für Niederösterreich §1
Gemeindevertragsbedienstetengesetz für Niederösterreich §1

 

Spruch:

§ 1 GemeindevertragsbedienstetenG f. NÖ., LGBl. Nr. 463/1961, umfaßt nur Dienstnehmer, die bei einer mit behördlichen Aufgaben befaßten Dienststelle beschäftigt sind (daher nicht eine Wäscherin in einem Gemeindekrankenhaus).

Entscheidung vom 22. September 1964, 4 Ob 67/64. I. Instanz:

Arbeitsgericht Horn; II. Instanz: Kreisgericht Krems.

Text

Die fünf Klägerinnen sind zwischen den Jahren 1955 und 1960 von der beklagten Stadtgemeinde als Wäscherinnen des von ihr betriebenen öffentlichen Krankenhauses aufgenommen worden. Sie sind alle über 35 Jahre alt und begehren, gestützt auf die Bestimmungen des seit 1. Jänner 1962 in Geltung stehenden Gemeindevertragsbedienstetengesetzes für Niederösterreich (GVBG.), LGBl. 463/61 unter anderem die Feststellung, daß ihnen für das Urlaubsjahr 1963 ein Erholungsurlaub in der Dauer von je 28 Tagen zustehe. Die beklagte Partei verweigere zu Unrecht die Einstufung der Klägerinnen unter die Dienstnehmer, auf die das GVBG. Anwendung finde.

Das Erstgericht wies das gesamte, auch auf Verurteilung zur Bezahlung eines 14. Monatsbezuges gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht schränkte das Verfahren auf das Feststellungsbegehren ein und erkannte mit Teilurteil zu Recht, daß den Klägerinnen für das Urlaubsjahr 1963 gemäß den Bestimmungen des GVBG. ein Erholungsurlaub in der Dauer von je 28 Werktagen zustehe.

Hiezu führte das Berufungsgericht aus:

Gemäß § 1 GVBG. gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes für alle Personen, die zu einer Ortsgemeinde oder Stadt mit eigenem Statut des Landes Niederösterreich in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stunden und mit der Besorgung behördlicher Aufgaben betraut seien. Es sei zwar richtig, daß die in einem Gemeindespital beschäftigten Wäscherinnen nicht mit der Besorgung behördlicher Aufgaben betraut seien, das GVBG. sehe aber im § 9 bei der Aufgliederung der Besoldungsgruppe I in fünf Entlohnungsgruppen als letzte Entlohnungsgruppe einen Hilfsdienst vor. Bei Aufgliederung der Besoldungsgruppe II im § 11 des GVBG. sei eine Entlohnungsgruppe 7 für den einfachen Hilfsdienst vorgesehen. Die Angehörigen der Hilfsdienste könnten aber begrifflich nicht mehr als Träger eines Auftrages zur Besorgung behördlicher Aufgaben gewertet werden. Daraus folge, daß die Bestimmung des § 1 GVBG. dahin berichtigend auszulegen sei, das GVBG. gelte für alle Personen, die bei Gemeinden in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stunden und in einem Dienstzweig verwendet würden, der behördliche Aufgaben zu versehen habe. Nach der wissenschaftlichen Einteilung falle der Betrieb einer öffentlichen Krankenanstalt durch eine Gebietskörperschaft allerdings unter den Begriff der privatwirtschaftlichen Verwaltung, es könne aber nicht übersehen werden, daß die öffentlichen Krankenanstalten auch behördliche Aufgaben zu erfüllen hätten, da es ihr Zweck sei, die dem Staate gemäß Art. 10 (1) Z. 12 B.-VG. obliegende Obsorge um den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung zu gewährleisten. Sie seien zu diesem Zwecke auch mit vereinzelten obrigkeitlichen Befugnissen, wie z. B. mit der Handhabung der Anstaltspolizei ausgestattet. Es müsse daher auch der Betrieb eines öffentlichen Krankenhauses durch die Gemeinde als ein mit der Besorgung von behördlichen Aufgaben betrauter Verwaltungszweig gewertet werden, so daß auf alle in diesem Verwaltungszweig auf Grund eines privatrechtlichen Dienstvertrages verwendeten Personen die Bestimmungen des GVBG. anzuwenden seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und wies das Feststellungsbegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Entscheidend für die dienstrechtliche Einordnung der Klägerinnen unter die Bestimmungen des NÖ. Gemeindevertragsbedienstetengesetzes ist die Beantwortung der Frage, ob sie als Personen anzusehen sind, die mit der Besorgung behördlicher Aufgaben betraut sind. Zutreffend hat wohl das Berufungsgericht darauf hingewiesen, es lasse sich aus der Aufstellung von Entlohnungsgruppen für den Hilfsdienst, deren Angehörige nicht mehr als Träger behördlicher Aufgaben gewertet werden könnten, ableiten, daß es nach § 1 GVBG. nicht auf die Besorgung behördlicher Angelegenheiten durch den einzelnen Dienstnehmer ankommen könne. Entscheidend ist also, ob die Klägerinnen einer Dienststelle der beklagten Partei eingegliedert sind, die mit der Besorgung behördlicher Aufgaben betraut ist. Zur Auslegung des Begriffes "Besorgung (Vollziehung) behördlicher Aufgaben", der auch in der Bundesverfassung verwendet wird (Art. 12

(1) Z. 8, Art. 21 (1) und (3)) und offenbar aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Bestimmung des vom GVBG. umfaßten Personenkreises verwendet wurde, kann auf die einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ. XXVI 119, XXVII 256, Arb. 6570, 7734 u. a.) hingewiesen werden. Es kommt darauf an, ob die von Gemeinden betriebenen öffentlichen Krankenanstalten, wenn auch nur im beschränkten Umfange, Aufgaben der Hoheitsverwaltung erfüllen. Wie die Revision zutreffend anführt, überträgt das NÖ. Krankenanstaltengesetz, LGBl. 109/1957 (vgl. auch Krankenanstaltengesetz vom 18. Dezember 1956, BGBl. Nr. 1/1957) keine behördlichen Aufgaben an die öffentlichen Krankenanstalten. So ist z. B. auch bei der Einbringung der Verpflegungsgebühren (§ 48 leg. cit.) die Verwaltungsexekution nur auf Grund eines von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde bestätigten Rückstandsausweises der Krankenanstalt zulässig. Auch die Anstaltsordnungen übertragen der Krankenanstalt keine polizeilichen Befugnisse (vgl. auch SZ. XI 97). Das Berufungsgericht meint zwar, daß der Betrieb einer öffentlichen Krankenanstalt durch eine Gebietskörperschaft der privatwirtschaftlichen Verwaltung angehöre, glaubt aber, daß die dem Staate gemäß Art 10 (11 Z. 12 B.-VG. obliegende Obsorge um den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung durch den Betrieb von Krankenanstalten gewährleistet werde, weshalb sie insofern behördliche Aufgaben erfüllten. Mit diesem Hinweis ist aber deswegen nichts gewonnen, weil die Kompetenzartikel der Bundesverfassung lediglich dazu bestimmt sind, die Zuständigkeitsbereiche der Gesetzgeber (Bund und Länder) voneinander zu scheiden, ohne etwas darüber auszusagen, ob die dort angeführten Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung zuzuzählen seien.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerinnen kann mangels einer Beschäftigung bei einer obrigkeitlichen Dienststelle nicht den Bestimmungen des NÖ. Gemeindevertragsbedienstetengesetzes unterstellt werden. Daraus ergibt sich aber, daß das Feststellungsbegehren der Klägerinnen unberechtigt ist.

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