OGH 2Ob219/64

OGH2Ob219/6417.9.1964

SZ 37/119

Normen

ABGB §863
HGB §346
ABGB §863
HGB §346

 

Spruch:

Stillschweigen als Zustimmung, wo Gesetz, Verkehrssitte oder Treu und Glauben eine Pflicht zum Handeln auferlegen.

Entscheidung vom 17. September 1964, 2 Ob 219/64. I. Instanz:

Bezirksgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die beklagte Partei - die prot. Firma Brüder B. Kfz.-Werkstätte bezog seit etwa 1956 von der klagenden Partei - der Firma E.-E. Elektrodenfabrik - Waren und zwar in der Zeit vom 5. November 1959 bis 30. Oktober 1960 um 6686.25 S. Dieser fällige Betrag wurde bisher nicht bezahlt. Für die klagende Partei war bis Anfang 1959 in Kärnten Heinrich S. als Vertreter tätig. Als Angestellter benützte er einen firmeneigenen PKW., Marke VW., mit Vorarlberger Kennzeichen. Das Fahrzeug wurde laufend bei der beklagten Partei repariert. Die Reparaturrechnungen wurden jeweils unmittelbar an die klagende Partei gerichtet und die Forderungen der beklagten Partei ihr von der klagenden Partei gutgeschrieben. Anfang 1959 übernahm Anton D. die Vertretung der klagenden Partei in Kärnten. Er war selbständiger Handelsvertreter und benützte einen eigenen PKW. Marke Borgward, mit einem Kärntner Kennzeichen. Er war bis Februar 1960 für die klagende Partei tätig. S. führte D. bei der beklagten Partei ein. Eine Vereinbarung über die Bezahlung von Kosten für Reparaturen des Borgward oder darüber, ob diese Kosten mit Forderungen der klagenden Partei verrechnet werden sollten, wurde nicht getroffen. D. ließ seinen Wagen bei der beklagten Partei wiederholt reparieren. Hierüber wurden zwischen dem 28. Februar 1959 und dem 30. November 1959 Rechnungen über zusammen 12.963.44 S erstellt. Die Rechnung vom 28. Februar 1959 über 70.60 S übergab D. der klagenden Partei mit der Bitte, sie der beklagten Partei gutzuschreiben und den Betrag von seinem Provisionsguthaben abzuziehen, was auch geschah. Die übrigen Rechnungen sandte die beklagte Partei an die klagende Partei in der Annahme, es werde bei D. so wie bei S. verrechnet werden. Die klagende Partei reagierte gegenüber der beklagten Partei hierauf zunächst nicht, sondern leitete zumindest die Rechnung vom 31. August 1959 über 6258.54 S und noch eine weitere Rechnung an D. mit dem Beifügen weiter, daß eine Verrechnung nicht möglich sei. Die Rechnungen vom 31. Oktober 1959 und vom 30. November 1959 über zusammen 3075.20 S sandte die klagende Partei der beklagten Partei mit dem Beifügen zurück, daß das betreffende Fahrzeug Eigentum des D. sei und die Reparaturen auf seine Kosten gingen. Die beklagte Partei akzeptierte dies und entlastete das Konto der klagenden Partei um diesen Betrag. Sämtliche Rechnungen über Reparaturen am Wagen des D. - ausgenommen jene über 70.60 S sind noch offen. D. wurde vom Landesgericht Feldkirch wegen Betruges u. a. gemäß § 369 StPO. zur Zahlung von 3075.20 S an die beklagte Partei verurteilt. Heinrich E., der Inhaber der Klagsfirma, hat im Strafverfahren gegen D. nicht erklärt, daß die klagende Partei verpflichtet sei, die Kosten der Reparaturen des Wagens des D. zu tragen.

Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei für die gelieferten Waren einen noch offenen Betrag von 6547.85 S samt stufenweisen Zinsen.

Die beklagte Partei machte bis zur Höhe dieser ziffernmäßig nicht mehr bestrittenen Forderung aufrechnungsweise eine Gegenforderung von 9888.24 S geltend, die ihr für Reparaturen an Kraftfahrzeugen der Vertreter der klagenden Partei zustehe.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung des Klagsbetrages samt stufenweisen Zinsen. Es vertrat den Standpunkt, daß sich die beklagte Partei mit ihren Forderungen mangels Vereinbarung mit der klagenden Partei nur an D. halten könne.

Der Berufung der beklagten Partei gab das Berufungsgericht dahin Folge, daß es das Zurechtbestehen der Klagsforderung, aber auch der Gegenforderung mit 6547.85 S aussprach und die Klage abwies.

Nach Ansicht des Berufungsgerichtes hafte die klagende Partei, weil sie angesichts der mehrjährigen Geschäftsverbindung durch ihr Verhalten den Anschein einer Bestellung der Reparaturen erweckt habe und die beklagte Partei nach Treu und Glauben mit einem Beibehalten der bisherigen Übung habe rechnen können.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit der Rechtsrüge wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß im Hinblick auf die jahrelang bestehende Geschäftsverbindung zwischen den Streitteilen die klagende Partei den ihr zugegangenen Rechnungen hätte widersprechen müssen, um das Entstehen einer Verbindlichkeit zu verhindern. Was sie dagegen ins Treffen führt, ist jedoch nicht stichhältig.

Keineswegs spricht es gegen die Annahme einer regelmäßigen Geschäftsverbindung, daß die klagende Partei laufend Waren lieferte, Kfz.-Reparaturen durch die beklagte Partei aber nur fallweise stattfanden. Dies liegt in der Natur der gegenseitigen Leistungen. Der Zeuge S. hat bekundet, er habe den von ihm benützten firmeneigenen Wagen häufig bei der beklagten Partei auf Firmenkosten reparieren lassen. Daß er vermutlich gelegentlich auch anderweitig Reparaturen ausführen ließ, fällt nicht ins Gewicht. Den Tatsachenfeststellungen der Untergerichte kann nicht entnommen werden, daß die beklagte Partei wußte, daß der PKW Marke Borgward Eigentum des D. und nicht der klagenden Partei sei. Das Argument der Revision, es sei ungewöhnlich, daß Reisende ihre eigenen Wagen auf Firmenrechnung reparieren lassen, geht daher ins Leere. Wenn die Revision weiter geltend macht, daß für die klagende Partei keine Aufklärungspflicht gegenüber der beklagten Partei bestanden habe, weil der Schluß nahe liege, daß die beklagte Partei nicht nur die erste Rechnung, sondern auch mehrere folgende Rechnungen an D. übergeben und nicht der klagenden Partei übersendet habe, so geht sie nicht von dem für das Revisionsverfahren bindend festgestellten Sachverhalt aus und kann daher insoweit nicht beachtet werden. Es ist aber auch nicht gerechtfertigt, aus der Tatsache, daß die beklagte Partei die erste Rechnung über eine Reparatur am Wagen des D. diesem persönlich übergab, zwingend auf die mangelnde Gutgläubigkeit der beklagten Partei zu schließen. Es kann nicht übersehen werden, daß es sich diesfalls um einen verhältnismäßig geringfügigen Betrag handelte. Wenn die Revision auch in diesem Zusammenhang behauptet, daß "offenbar" noch weitere Rechnungen an D. persönlich übergeben worden seien, so genügt es auf die bereits erwähnte gegenteilige Feststellung der Vorinstanzen zu verweisen.

Das Berufungsgericht hat mit Recht seiner Entscheidung die in Lehre und Rechtsprechung vertretene Ansicht zugrunde gelegt, wonach zwar keine allgemeine Verkehrssitte besteht, die dem Schweigen ganz allgemein die Bedeutung der Zustimmung beilegt, jedoch das Stillschweigen unter besonderen Umständen als Annahme gewertet werden kann, wenn der Nichtzustimmende nach der Verkehrssitte, nach dem Gesetz oder nach Treu und Glauben sich hätte äußern müssen, wenn solche Umstände im redlichen Verkehr keine andere Deutung des Schweigens denn als Genehmigung, zulassen. Solche besonderen Umstände im Sinn des letzterwähnten Falles liegen hier vor. Die von S. in Auftrag gegebenen Reparaturen wurden seit Jahren durch Verrechnung mit Lieferungen der klagenden Partei bezahlt. Die beklagte Partei stellte nach dem Vertreterwechsel die erste und alle folgenden Rechnungen, denen eindeutig zu entnehmen war, daß sie Reparaturen am Borgward betrafen, auf die Firma der klagenden Partei aus. Mit Ausnahme der ersten, geringfügigen Rechnung übersandte sie auch sämtliche Rechnungen an die klagende Partei. Diese wäre nach Erhalt der ersten ihr zugesandten Rechnung verpflichtet gewesen, die beklagte Partei zu verständigen, daß es sich bei dem Wagen Marke Borgward nicht um ein firmeneigenes Fahrzeug handle. Treu und Glauben hätten eine Entgegnung erfordert. Sie hat jedoch während eines halben Jahres mehrere Rechnungen stillschweigend entgegengenommen und sie, ohne jegliche Verständigung der beklagten Partei, lediglich an D. weitergesendet. Auf Grund der jahrelang gehandhabten Übung und mangels Vorliegens von Umständen, die die Möglichkeit einer Sinnesänderung der klagenden Partei nahegelegt hätten, durfte die beklagte Partei annehmen, daß sich durch den Vertreterwechsel hinsichtlich der Verrechnung der Reparaturen nichts geändert habe. Ihr kann unter diesen Umständen nicht vorgeworfen werden, eine bestehende Erkundungspflicht verletzt zu haben. Daß sie sich - zeitlich viel später (1960) - wegen zweier Rechnungsbeträge dem Strafverfahren gegen D. angeschlossen hat, ist nicht von Belang, weil inzwischen die klagende Partei nach Eingang der Reparaturrechnungen vom 31. Oktober 1959 und 30. November 1959 am 14. Dezember 1959 erstmalig eine Verrechnung, wie sie früher gehandhabt worden war, abgelehnt hat.

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