OGH 8Ob175/64

OGH8Ob175/6426.5.1964

SZ 37/76

Normen

ABGB §870
ABGB §874
ABGB §870
ABGB §874

 

Spruch:

Mitverschulden des Betrogenen kann zu keiner Minderung der Ersatzpflicht nach § 874 ABGB. führen.

Entscheidung vom 26. Mai 1964, 8 Ob 175/64. I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Die Kläger begehrten Aufhebung des mit dem Beklagten am 13. März 1961 geschlossenen Kaufvertrages über das Grundstück Nr. 92/11 der KG. A. und Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 88.420.56 S samt Anhang Zug um Zug gegen Rückübertragung des Grundstückes.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren im wesentlichen stattgegeben.

Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich der Beklagte gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß er listig gehandelt habe. Es trifft zu, daß der Beklagte nach den Feststellungen der Untergerichte dem Erstkläger mitgeteilt hat, er habe den Gemeingebrauch am Seewasser wiederholt ohne Beanstandung durch die Forstverwaltung über deren Seeufer ausgeübt. Die Kläger konnten daher auf Grund dieser Angaben des Beklagten, die auch noch dadurch unterstützt wurden, daß der Beklagte das Grundstück als "Seegrundstück", d. h. als Grundstück, das am See liegt und daher Zugang zum See gestatte, zum Verkaufe angeboten hat, der - wie sich später herausstellte, irrigen - Meinung sein, daß es möglich sein werde, von dem Grundstücke aus im Traunsee zu baden. Hätte der Beklagte nicht mehr getan, wäre der Kaufvertrag zwar wegen eines vom Beklagten veranlaßten Irrtums über eine wesentliche Beschaffenheit des Grundstückes, worauf die Absicht vorzüglich gerichtet und erklärt wurde (§ 871 ABGB.), aufzuheben, der Beklagte wäre jedoch zu keiner weiteren Leistung zu verurteilen gewesen. Der Beklagte hat aber nach den Feststellungen der Untergerichte den Klägern bewußt die zwei Tage vor der Unterzeichnung des Kaufvertrages stattgefundene Unterredung mit dem Leiter der Forstverwaltung der österreichischen Bundesforste in Gmunden, Oberforstrat Dipl.-Ing. W., verschwiegen, in welcher Unterredung dieser dem Beklagten mitgeteilt hat, daß eine Kündigung der mit den Inhabern der Badehütten bestehenden Pachtverträge nicht in Frage komme und daß der Beklagte für das gegenständliche Grundstück niemals einen Zugang zum See bekommen könne. In diesem Stillschweigen des Beklagten, mit dem er den Irrtum der Kläger ausgenützt hat, um die Unterzeichnung des Kaufvertrages zu erreichen, liegt ein listiges Handeln, da der Beklagte nach den Anschauungen des redlichen Verkehres verpflichtet gewesen wäre, den Klägern von seiner Unterredung mit Oberforstrat W. Mitteilung zu machen (Gschnitzer in Klang[2], IV, zu § 870 ABGB., B I 2, vor Anm. 86, S. 111).

Der Beklagte meint ferner, der Vertrag könne von den Klägern wegen Irrtumes nicht angefochten werden, weil ihr Irrtum durch Einsichtnahme in das Grundbuch zu vermeiden gewesen wäre. Aus dem Grundbuch geht aber das von Ing. W. ausgesprochene Verbot des Zuganges zum See über das Grundstück der Forstverwaltung nicht hervor. Überdies ist der Umstand, ob die Kläger bei Einsichtnahme in das Grundbuch die Irreführung hätten rechtzeitig entdecken müssen, für die Anwendung des § 870 ABGB. ohne Bedeutung (JBl. 1936, S. 317 u. a., Gschnitzer, a. a. O. B II, vor Anm. 102, S. 113). Die Ausführungen der Revision in dieser Richtung sind daher nicht stichhältig.

Dasselbe gilt für das, was der Beklagte zur angeblichen Rettungspflicht der Kläger vorbringt. Wenn der Beklagte auf dem Standpunkt steht, der Vertrag sei wirksam und unanfechtbar, kann er den Klägern die unterlassene frühere Vertragsanfechtung nicht zum Vorwurf machen.

Aber auch soweit der Betrogene an dem gemäß § 874 ABGB. zu ersetzenden Schaden mitschuldig ist, weil er seinen Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermeiden können, kann ein solches Mitverschulden nicht zu einer Minderung der Ersatzpflicht führen (Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse[2], § 302, III vor Anm. 51, S. 63, Gschnitzer, a. a. O., zu § 874 ABGB., I 2, vor Anm. 9, S. 146).

Die Untergerichte haben daher den Beklagten mit Recht zum Ersatz sämtlicher den Klägern durch die Errichtung und Durchführung des Vertrages entstandenen Kosten verurteilt.

Was schließlich den Einwand anlangt, es stehe nicht fest, wieviel jeder Kläger vom Kaufpreis und von den mit dem Erwerbe des Grundstückes zusammenhängenden Kosten tatsächlich geleistet habe, liegt es bei den gemeinsam einschreitenden Klägern, die sich ja gegenseitig Anspruchsteile abtreten könnten ihre Forderung nach ihrem Belieben unter sich aufzuteilen. Überdies handelt es sich um eine neue Einwendung tatsächlicher Art, die der Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht hat und die im Revisionsverfahren nicht mehr zulässig ist.

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