Spruch:
Der Fonds kann bei Versteigerung von Liegenschaftsanteilen gegenüber dem betreibenden Gläubiger auch hinsichtlich des im Meistbot Deckung findenden Forderungsteils auf Barzahlung verzichten.
Entscheidung vom 14. Mai 1964, 6 Ob 88/64. I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht wies einen auf Zahlung von 2000 S samt Anhang gerichteten Teil des Klagebegehrens mit Beschluß zurück (diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft) und das auf Zahlung von 34.071.87 S samt Anhang gerichtete Restbegehren auf Grund folgender Feststellungen ab:
Der Kläger habe zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderung von 24.600 S s. A. gegen den Schuldner Walter E. verschiedene Exekutionen geführt, darunter auch eine solche durch Zwangsverwaltung der dem Walter E. gehörigen 182/1472-Anteile der Liegenschaft EZ. 1393 KG. L., mit denen das Wohnungseigentum an einem Geschäftslokal im Hause W., R.-Gasse 19, untrennbar verbunden ist. Da hieraus jährlich nur 1200 S zu erzielen waren, habe der Kläger die Zwangsversteigerung dieser Liegenschaftsanteile angestrebt.
Ob der Liegenschaft habe zugunsten der beklagten Partei seit dem Jahre 1954 ein Pfandrecht für eine Darlehensforderung von 1.614.900 S und seit 1956 ein bis 18. Oktober 1962 wirksam gewesenes Veräußerungsverbot gehaftet. Auf die Anfrage des Klagevertreters habe Ministerialrat Dr. P., der damalige Leiter der beklagten Partei erklärt, wenn sich die Lage des Fonds durch eine Versteigerung der Liegenschaft nicht verschlechtere, der Ersteher also die Pflichten des bisherigen Wohnungseigentümers übernehme, werde auf das Ergebnis der Meistbotsverteilung verzichtet werden. Ein daraufhin vom Kläger gestellter Zwangsversteigerungsantrag sei wegen des zugunsten der beklagten Partei einverleibten Veräußerungsverbotes abgewiesen worden.
Nunmehr sei dem Kläger auf sein Ansuchen vom Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau eine von Ministerialrat Dr. P. unterfertigte Erklärung vom 11. Dezember 1958, Beilage B, ausgestellt worden, daß die beklagte Partei der Versteigerung der Liegenschaftsanteile des Walter E. zur Hereinbringung der Forderung des Klägers zustimme, daß aber in die Versteigerungsbedingungen die Verpflichtung des Erstehers aufgenommen werden müsse, in den Darlehensvertrag des Walter E. mit der beklagten Partei einzutreten. Auch sei eine gleichlautende Erklärung vom Ersteher gerichtlich oder notariell beglaubigt zu unterfertigen und der beklagten Partei gemeinsam mit dem Beschluß über die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erstehers zu übersenden. Weder Ministerialrat Dr. P. noch Sektionsrat Dr. H., mit dem der Klagevertreter gleichfalls verhandelte, hätten jemals auch nur angedeutet, daß die beklagte Partei Barzahlung verlangen und daß daher die Exekutionsführung vergeblich sein werde.
Der Kläger habe dann am 3. Jänner 1959 die Zwangsversteigerung der Anteile des Walter E. beantragt und die der Erklärung der beklagten Partei entsprechenden Versteigerungsbedingungen vorgelegt. Zu der zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen anberaumten Tagsatzung sei für den Kläger niemand erschienen. Auf Antrag des Vertreters der beklagten Partei seien die Versteigerungsbedingungen mit dem Beisatz genehmigt worden, daß der Ersteher die Darlehensforderung der beklagten Partei, soweit sie nicht durch Barzahlung aus dem Meistbot berichtigt werde, ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen habe. Der Klagevertreter, dem der Genehmigungsbeschluß am 26. Jänner 1960 zugestellt wurde, habe dieser Änderung mit Rücksicht auf die mündlichen und schriftlichen Zusagen, daß keine Barzahlung verlangt werde, keine Bedeutung beigemessen.
Im weiteren Verlauf des Versteigerungsverfahrens habe die beklagte Partei Barzahlung ihrer Forderung begehrt und die nunmehr zuständigen Referenten hätten den Standpunkt vertreten, der Fonds sei gemäß § 19 (5) WWG. verpflichtet, dies zu tun. Trotz des Widerspruchs des Klägers sei demnach das ganze Meistbot von 34.200 S der beklagten Partei zugewiesen worden.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht dahin, die beklagte Partei hätte von der nicht zwingenden Vorschrift des § 19 (5) WWG. ebenso abgehen können, wie sie wiederholt und auch im vorliegenden Fall von dem Veräußerungsverbot nach § 31a WWG. abgegangen sei. Dir Erklärung Beilage B sei daher bindend gewesen, ihre Nichteinhaltung stelle eine rechtswidrige, schuldhafte Handlung dar.
Dennoch sei dem Klagebegehren nicht Folge zu geben, weil der Kläger seinen Schaden nicht konkretisiert habe. Er sei nach wie vor Gläubiger des Walter E., eine nunmehrige Uneinbringlichkeit der Forderung sei nicht erwiesen, das Vermögen des Klägers habe somit keine Minderung erfahren. Für Verzögerungsschaden stehe ihm gegen den Schuldner ein Zinsenanspruch zu, einen darüber hinausgehenden Schaden habe er nicht behauptet. Aus der Beilage B ergebe sich keine Verpflichtung der beklagten Partei zur Herausgabe des ihr zugewiesenen Versteigerungserlöses.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, allerdings aus anderen rechtlichen Erwägungen. Es verneinte zunächst die Frage der Anwendbarkeit des Amtshaftungsgesetzes, da die beklagte Partei dem Kläger nicht "in Vollziehung der Gesetze" (§ 1 AHG.), sondern lediglich als Gläubiger desselben Schuldners gegenübergetreten sei.
Im Gegensatz zum Erstgericht erachtete es jedoch die exekutionsrechtliche Vorschrift des § 19 (5) WWG., weil dem öffentlichen Recht zugehörig, als der Parteidisposition entzogen. Im Gegensatz zu den Bestimmungen der §§ 147 und 150 bis 152 EO. sei für § 19 (5) WWG. im Gesetz nichts anderes vorgesehen. Die ursprünglichen, der Beilage B entsprechenden Versteigerungsbedingungen hätten daher nicht genehmigt werden dürfen. Die beklagte Partei habe vom Begehren auf Barzahlung nicht abgehen dürfen, entgegenstehende Erklärungen seien wirkungslos. Dies habe dem anwaltlich vertretenen Kläger vom Anfang an klar sein müssen, er habe daher die Versteigerung auf eigene Gefahr und Kosten geführt und könne von der beklagten Partei keinen Schadenersatz wegen Nichterfüllung einer gesetzwidrigen Zusage verlangen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
§ 19 (5) WWG. besagt, daß im Falle der Zwangsversteigerung einer Liegenschaft, die mit einem nach § 15 WWG. gewährten Darlehen belastet ist, pfandrechtlich sichergestellte Forderungen des Fonds, soweit sie in der Verteilungsmasse Deckung finden, durch Barzahlung zu berichtigen, andernfalls vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sind. Diese Bestimmung wurde dem Gesetz durch die Wohnhauswiederaufbaugesetznovelle 1952, BGBl. Nr. 106/1952, eingefügt. In dem Bericht und Antrag des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau (567 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, VI. GP.) wurde als Begründung hiefür angeführt:
"Im Falle der Zwangsversteigerung einer Liegenschaft gehen die auf dieser eingetragenen, pfandrechtlich sichergestellten Forderungen, soweit sie nicht im Meistbot Deckung finden, unter. Eine gesetzliche Vorschrift zur Übernahme dieser Forderungen aus einem Fondsdarlehen durch den Ersteher besteht derzeit nicht. Ebensowenig eine Verpflichtung zur Zahlung der Tilgungsbeiträge durch den Ersteher. Dieser unbefriedigende Zustand soll durch die vorliegende Ergänzung des Gesetzes beseitigt werden."
Aus dieser Begründung ergibt sich, daß der Zweck der Novellierung der war, abweichend von den sonst geltenden Bestimmungen der Exekutionsordnung eine Regelung zu treffen, nach der die Darlehensforderungen des Wohnhauswiederaufbaufonds auf jeden Fall zum Zuge kommen sollen. Es ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß durch diese Sonderbestimmung eine Last öffentlich-rechtlicher Natur geschaffen wurde, der der Ersteher auch dann nicht entgehen kann, wenn die Versteigerungsbedingungen eine entsprechende Bestimmung nicht enthalten (so auch JBl. 1957 S. 457 und MietSlg. 8358). Wie in der zweitzitierten Entscheidung hiezu noch ausgeführt wurde, stellt § 19 (5) WWG. nicht eine Schutzbestimmung für den Verpflichteten, sondern eine solche für den Wohnhauswiederaufbaufonds dar, um eine Schädigung der von ihm verwalteten öffentlichen Mittel, die dem Wohnhauswiederaufbau dienen, zu verhindern.
Im Gegensatz zur Meinung des Berufungsgerichtes ergibt sich aber aus diesen Erwägungen nur, daß weder der Verpflichtete noch der Ersteher oder sonstige am Versteigerungsverfahren Beteiligte ein von der Bestimmung des § 19 (5) WWG. abweichendes Vorgehen des Fonds oder der Gerichte verlangen können, es ist aber daraus nicht zu folgern, daß auch der Fonds selbst nicht berechtigt wäre, einer anderen Regelung zuzustimmen, wenn seine finanzielle Stellung hiedurch nicht verschlechtert wird und die von ihm verwalteten Mittel demnach nicht gefährdet werden. Daß das Wohnhauswiederaufbaugesetz keine den §§ 152, 171 (2 und 223 EO. entsprechenden Bestimmungen enthält, steht dem nicht entgegen, da sich schon aus der Natur des § 19 (5) WWG. als einer Schutzvorschrift zugunsten des Fonds dessen Berechtigung ergibt, eine davon abweichende Vereinbarung zu treffen, die seinen Aufgaben in gleicher Weise gerecht wird.
Mit dieser Ansicht steht es auch im Einklang, daß Ministerialrat Dr. P. als Zeuge ausgesagt hat, während seiner Tätigkeit als Leiter des Fonds sei im Falle einer Versteigerung von Liegenschaftsanteilen niemals Barzahlung begehrt worden. Hiefür spricht weiter die Erwägung, daß bei Gewährung von Wiederaufbaudarlehen von vornherein mit einer langfristigen Tilgung gerechnet wird, sodaß kein Grund für eine vorzeitige Teilrückzahlung im Falle der Versteigerung von Anteilen besteht. Schließlich fällt auch - wie ebenfalls Ministerialrat Dr. P. hervorgehoben hat - der bei solchen Versteigerungen erzielte Erlös gegenüber den Milliardenbeträgen, die der Fonds zu verwalten hat, nicht ins Gewicht. Dies zeigt sich auch im vorliegenden Fall, wo es bei einer aushaftenden Schuld von 1.614.900 S für den Fonds wohl ohne Bedeutung ist, ob 34.200 S schon jetzt oder erst im Zuge der planmäßigen Tilgung eingehen.
Der Oberste Gerichtshof ist somit der Ansicht, daß die beklagte Partei durch die Bestimmung des § 19 (5) WWG. nicht gehindert war, gegenüber dem Kläger die Erklärung Beilage B abzugeben und auf Barzahlung zu verzichten, und daß der Kläger berechtigt war, sich auf diese Erklärungen zu verlassen. Darin, daß die beklagte Partei dann entgegen den gegebenen Zusagen doch Barzahlung begehrt und die ihr zugewiesenen Beträge auch angenommen hat, liegt somit - wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat - ein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten, das die beklagte Partei grundsätzlich zum Ersatz des dem Kläger hiedurch verursachten Schadens verpflichtet.
Zutreffend sind die Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß es sich dabei um einen privatrechtlichen Schadenersatzanspruch und nicht um einen solchen nach dem Amtshaftungsgesetz handelt. Abgesehen davon, daß letzteres von keiner Seite behauptet wurde, was allerdings die Gerichte nicht der amtswegigen Prüfung enthebt, wurden die maßgeblichen Erklärungen der beklagten Partei gegenüber dem Kläger nicht im Rahmen der Hoheitsverwaltung abgegeben. Die beklagte Partei war dem Kläger bei diesen Verhandlungen nicht übergeordnet, sondern es bestand die rechtliche Gleichordnung zwischen zwei Gläubigern desselben Schuldners, ohne daß der beklagten Partei gegenüber dem Kläger irgendeine Befehls- oder Zwangsgewalt zugestanden wäre (Loebenstein - Kaniak, Komm. S. 44, Melichar in JBl. 1956 S. 429, SZ. XXVII 256, ZVR. 1961 Nr. 179 S. 139 u. a.).
Nicht stichhältig sind die Revisionsausführungen, daß der Klagsanspruch auch ex contractu begrundet sei, weil aus den von der beklagten Partei abgegebenen Erklärungen deren Verpflichtung folge, das empfangene Meistbot herauszugeben. Eine solche Verpflichtung ist - wie auch schon das Erstgericht ausgesprochen hat - den festgestellten Erklärungen der beklagten Partei nicht zu entnehmen, da diese niemals eine Leistung versprochen, sondern nur zugesagt hat, statt Barzahlung zu begehren, mit der Übernahme ihrer Forderung durch den Ersteher einverstanden zu sein.
Da das Berufungsgericht von seinem durch den Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsstandpunkt aus sich mit der Beweisrüge der Berufung, die sich gegen die dem erstrichterlichen Abweisungsgrund zugrunde liegenden Feststellungen richtet, nicht befaßt hat, mußte die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
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