OGH 6Ob42/64

OGH6Ob42/642.4.1964

SZ 37/46

Normen

WRG 1959 §98
WRG 1959 §98

 

Spruch:

Über die Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis entscheidet die Wasserrechtsbehörde auch dann, wenn die Regelung über die Aufteilung der Kosten in die Form eines Vertrages gekleidet wurde.

Entscheidung vom 2. April 1964, 6 Ob 42/64. I. Instanz:

Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Am 10. Juni 1958 grundeten mehrere Liegenschaftseigentümer die Wasserwerksgenossenschaft G., der auch die Beklagten angehören, als Genossenschaft im Sinne des WRG. 1934. Mit Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 1. August 1958 wurden ihre Satzungen rechtskräftig genehmigt. Am 10. September 1959 beschloß eine außerordentliche Vollversammlung dazu eine Brunnenordnung.

Mit der Begründung, die Beklagten schuldeten an Anschlußgebühren 87.440 S begehrte die Klägerin ihre Eintreibung gemäß § 84 WRG. 1959. Mit dem Bescheid der BH. B. vom 25. April 1961 wurde diesem Antrage nicht stattgegeben. Ein Berufung der Klägerin an das Amt der Vorarlberger Landesregierung blieb erfolglos. Die Verwaltungsbehörde führte aus, die Klägerin habe von der für sie bestehenden Möglichkeit, das durch den Anschluß und die Wasserlieferung zu jedem einzelnen Abnehmer begrundete Rechtsverhältnis kraft Satzung durch die Festsetzung öffentlich-rechtliche Genossenschaftbeiträge zu regeln, keinen Gebrauch gemacht, sondern mit der Brunnenordnung zur Regelung dieses Rechtsverhältnisses die Form des privatrechtlichen Vertrages gewählt.

Die Klägerin macht nunmehr mit der vorliegenden Klage nach den Satzungen und der Brunnenordnung diese Forderung von 87.440 S sowie eine weitere von 60.000 S geltend, die sie damit begrundet, die Beklagten hätten die von der Klägerin hergestellten Gräben zur Verlegung eigener Leitungen benützt, wofür im Sinne der Brunnenordnung dieses Entgelt gebühre.

Die Beklagten erhoben die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges.

Das Erstgericht hat diese Einrede der Beklagten verworfen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten gegen diesen Beschluß Folge und änderte ihn dahin ab, daß das erstgerichtliche Verfahren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde. Die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen bezögen sich auf Kosten der Herstellung, der Erhaltung und des Betriebes der Anlage. Für Streitfälle aus dem Genossenschaftsverhältnis sei aber gemäß §§ 80 WRG. 1934, 85 WRG. 1959 die Wasserrechtsbehörde zwingend zuständig.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist nach dem Rechtsgrund zu beurteilen, den der Kläger in Anspruch nimmt (ZBl. 1922, Nr. 279, 280). Was nun den von der Klägerin bezogenen Rechtsgrund betrifft, ist wesentlich, daß sie als Wasserwerksgenossenschaft im Sinne des WRG. 1934 zum Zwecke des Baues und der Erhaltung einer Wasserversorgungsanlage im Ortsteil G. gegrundet wurde. Die Wasserrechtsnovelle 1959 kennt derartige Wasserwerksgenossenschaften nicht mehr. Das Gesetz enthält auch keine Übergangsbestimmungen für diese Wasserwerksgenossenschaften des WRG. 1934. Die erläuternden Bemerkungen führen dazu lediglich aus, daß die bisherigen Wasserwerksgenossenschaften diese Bezeichnung weiterführen können (Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, S. 296). Daß sie jedoch in Zukunft Wassergenossenschaften oder Wasserverbände (im Sinne des WRG. 1959) seien, ist weder dem Gesetz noch den erläuternden Bemerkungen zu entnehmen. Die Frage wird wohl dahin zu lösen sein, daß diese Körperschaften, falls sie unter der Geltung des WRG. 1959 gebildet worden wären, als Wassergenossenschaften oder als Wasserverbände zu genehmigen wären (Krzizek, a. a. O., S. 564). Im Hinblick auf den bei der Gründung der Klägerin beabsichtigten oben bezeichneten Zweck ist sie als Wassergenossenschaft im Sinne des § 73 (1) lit. b WRG. 1959 aufzufassen.

Wassergenossenschaften sind Selbstverwaltungskörper, sie regeln ihre inneren Angelegenheiten selbst (Krzizek, a. a. O., S. 298). Hinsichtlich der hier in Betracht kommenden Aufteilung der Herstellungs-, Erhaltungs- und Betriebskosten bestimmt § 78 (2) WRG. 1959, daß, soweit die Kosten, die der Genossenschaft aus der Erfüllung ihrer Aufgaben erwachsen, nicht anderweitig gedeckt werden können, nach dem durch die Satzungen oder durch besondere Übereinkommen festgesetzten Maßstab auf die Mitglieder umzulegen sind. Die Satzungen der Klägerin wurden noch zur Zeit der Geltung des WRG. 1934 genehmigt. § 141 WRG. 1959 bestimmt nun, daß, sofern die Satzungen der nach den bisherigen Bestimmungen gebildeten Wassergenossenschaften und Wasserverbände mit diesem Bundesgesetz in Widerspruch stehen, binnen 3 Jahren nach seinem Inkrafttreten entsprechend geänderte Satzungen der zuständigen Wasserrechtsbehörde zur Genehmigung vorzulegen sind. Nach Ablauf dieser Frist und fruchtloser Mahnung sind die erforderlichen Abänderungen von Amts wegen vorzunehmen. Diese Bestimmungen über die Notwendigkeit und Möglichkeit, die Satzungen zu ändern, gelten sinngemäß auch für die früheren Wasserwerksgenossenschaften (Krzizek, a. a. O., S. 564). Aus diesen folgt aber, daß bis zu einer Änderung der Satzungen, sei es durch die Genossenschaft selbst, sei es von Amts wegen, die früheren in Geltung bleiben. Die Bedenken der Beklagten gegen ihre Weitergeltung sind daher nicht berechtigt. Sie bestimmen nun im § 11 lit. c, daß in den Wirkungskreis der Vollversammlung u. a. auch die Beschlußfassung über die von den einzelnen Mitgliedern zu entrichtenden Zahlungen ..... fällt.

Nach den Behauptungen der Klage beschloß dazu am 10. September 1959 eine außerordentliche Vollversammlung eine Brunnenordnung.

Diese enthält, soweit es für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung ist, insbesondere Bestimmungen über die Begründung eines Wasserversorgungsverhältnisses durch Abschluß eines Versorgungsvertrages (§ 1) und über das Entgelt im Falle der Verlegung eigener Wasser-, Strom- oder Telephonleitungen durch einen Anschlußnehmer im Leitungsgraben der genossenschaftlichen Wasserleitung (§ 3 Z. 6). Die Anlage A zu dieser Brunnenordnung bestimmt u. a. einen einmaligen Kostenbeitrag für den Anschluß an die allgemeine Wasserversorgungsanlage (Punkt 1). Aus den Satzungen der Klägerin selbst ist somit für die Frage der Aufteilung der Kosten nichts zu gewinnen. Sie enthalten im § 11 lit. c lediglich die Bestimmung des für die Erlassung dieser Regelung zuständigen Organs. Die Regelung wurde in der Brunnenordnung und in der Anlage dazu getroffen. Auf diese Bestimmungen grunden sich die Forderungen der Klägerin, und zwar auf die des § 3 Z. 6 der Anspruch auf 60.000 S für die Inanspruchnahme der von ihr hergestellten Gräben durch die Beklagten, und auf die Anlage A die Forderung von 87.440 S an Anschlußgebühren. Diese Brunnenordnung und die Anlage dazu sind nun kein Bestandteil der Satzungen, da sie zum Unterschied von diesen die behördliche Genehmigung nicht erhalten haben. Sie müssen aber als ein besonderes Übereinkommen im Sinne des § 78 VVRG. 1959 aufgefaßt werden, dessen Regelung der Kosten der in Satzungen enthaltenen gleichgestellt ist. Streitigkeiten über die Höhe der Mitgliedsbeiträge, und zwar sowohl über den Aufteilungsschlüssel als auch über die Beitragsvorschreibung, um die es sich hier handelt, sind aber Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis (Krzizek, a. a. O., S. 334). Gründet die Klägerin ihr Begehren auf diese Bestimmungen, so handelt es sich um Ansprüche der Wassergenossenschaft gegen ihre Mitglieder, für die gemäß §§ 85, 98 WRG. 1959 die Wasserrechtsbehörde zuständig ist (Krzizek, a. a. O., S. 388, VwGH. vom 31. März 1914, Slg. 10.172/A).

Dagegen sprechen auch nicht die Bestimmungen der Brunnenordnung, daß ein Versorgungsvertrag begrundet werde, dies schon deswegen nicht, weil einer Genossenschaft nicht zugebilligt werden könnte, durch die bloße Bezeichnung eines Verhältnisses als zivilrechtlichen Vertrages die Aufsicht der Wasserrechtsbehörde, in deren Aufgabenkreis, soweit sie für dieses Verfahren von Bedeutung ist, insbesondere auch die Entscheidung über Einwendungen gegen den Aufteilungsschlüssel, da er der gegebenen Interessenlage nicht entspreche, gehört (Krzizek, a. a. O., S. 314), auszuschließen.

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