OGH 7Ob14/64 (7Ob15/64)

OGH7Ob14/64 (7Ob15/64)22.1.1964

SZ 37/17

Normen

ABGB §906
ABGB §918
ABGB §920
ABGB §921
ABGB §906
ABGB §918
ABGB §920
ABGB §921

 

Spruch:

Durch Einbringung der Klage auf Erfüllung verliert der vertragstreue Teil nicht die Möglichkeit vom Vertrage zurückzutreten und Schadenersatz nach § 921 ABGB. zu verlangen.

Entscheidung vom 22. Jänner 1964, 7 Ob 14, 15/64. I. Instanz:

Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Beklagte kaufte im Jahre 1961 von der klagenden Partei einen LKW. einer bestimmten Type zum Preis von 188.000 S. Er sollte eine Anzahlung von 20.000 S leisten, während der Rest durch einen Kredit der A. bei Übernahme des Fahrzeuges beglichen werden sollte. Falls der Kredit nicht gewährt werden sollte, sollte der Kaufvertrag gegenstandslos sein. Im Falle des Zahlungs- und Übernahmsverzugs war die klagende Partei berechtigt, Erfüllung des Vertrages zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten und eine Stornogebühr von mindestens 10% des Kaufpreises zu begehren. Da der Beklagte den bereitstehenden Wagen trotz wiederholter Mahnungen nicht übernahm, brachte die klagende Partei am 25. Jänner 1963 die vorliegende Klage ein, worin sie Zuhaltung des Kaufvertrages und Zahlung des Kaufpreises samt Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges begehrte. Im Laufe des Rechtsstreites erklärte die klagende Partei am 22. April 1963 ihren Rücktritt vom Vertrag, weil der Beklagte weder in der Lage noch willens sei, den Kaufvertrag zuzuhalten und änderte ihr Klagebegehren am 21. Mai 1963 auf Zahlung der Stornogebühr von 18.800 S ab. Die beklagte Partei bestritt in Verzug zu sein und brachte vor, die klagende Partei habe den Vertrag nicht erfüllt, weil sie die Vereinbarung, dem Beklagten den Kredit von der A. zu verschaffen, nicht eingehalten habe. Sie beantragte auch, die Klagsänderung nicht zuzulassen.

Das Erstgericht ließ mit Beschluß die Klagsänderung zu und wies gleichzeitig mit Urteil das geänderte Klagebegehren ab. Es stellte fest, die A. sei bereit gewesen, dem Beklagten den beantragten Kredit zu gewähren, jedoch hätte er wegen der Höhe der Kreditsumme eine Bilanz vorlegen müssen. Das habe der Beklagte trotz wiederholter Aufforderungen nicht getan, sondern nach längerer Hinauszögerung am 30. November 1961 den Kreditantrag storniert. Er habe durch die Nichtvorlage der Bilanz oder einer Vermögensaufstellung bewußt die Kreditgewährung vereitelt und damit schuldhaft den Kaufvertrag nicht erfüllt. Der klagenden Partei sei daher das Recht zugestanden, entweder Erfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten. Sie habe zunächst das erste gewählt, damit aber ihr Wahlrecht erschöpft. Von der einmal getroffenen Wahl könne sie nicht mehr abgehen. Dem geänderten Klagebegehren fehle daher der Rechtsgrund, weshalb es abgewiesen werden müsse.

Die klagende Partei bekämpfte den Beschluß über die Zulassung der Klagsänderung mit Rekurs und das Urteil mit Berufung. Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und wies den Rekurs als unzulässig zurück. Die klagende Partei könne sich durch die Zulassung der Klagsänderung nicht beschwert erachten, weil diese ihrem Antrag entsprochen habe. In der Rechtssache selbst übernahm es die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen Rechtsansicht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und änderte die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß dem geänderten Klagebegehren kostenpflichtig stattgegeben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Erwägungen der Untergerichte, die sich auf § 906 ABGB. stützen, können auf eine Wahlschuld zutreffen. Bei einer solchen soll die einmal getroffene Wahl nicht einseitig widerruflich sein, weil sonst eine Ungewißheit des Vertragspartners entstehen könnte, welche Leistung er zu erbringen hat. Aber auch dort ist, wie Gschnitzer (Klang[2] IV S. 374), ausführt, die Unwiderruflichkeit nicht für alle Fälle eine angemessene Lösung. Er will sie offenbar dann nicht gelten lassen, wenn die Rechtssicherheit des Gegners nicht beeinträchtigt wird. Er gibt daher zu erwägen, ob nicht auch in diesen Fällen der Wahlschuld zu beachten wäre, daß das ABGB. selbst im Falle des § 891 das Wiederabgehen von der getroffenen Wahl so lange gestattet bis der Gläubiger seine Forderung erfüllt sieht. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um eine Wahlschuld im Sinne des § 906 ABGB., sondern um ein Schuldverhältnis, bei dem auf beiden Seiten nur eine einzige bestimmte Leistung vereinbart wurde. Auf Seite des Beklagten bestand nie eine Ungewißheit, was er zu leisten hat, welche Ungewißheit etwa durch Ausübung des Wahlrechtes beseitigt werden müßte, denn er hat sowohl bei Erfüllung des Vertrages als auch dann, wenn der Vertragspartner vom Vertrag zurücktritt und Schadenersatz begehrt, nur Geld zu leisten, im letzteren Fall allerdings einen weitaus geringeren Betrag (SZ. V 265). Auch die Vereinbarung im Punkt III 2 des Vertrages schafft nicht eine Wahlschuld, sondern ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nichts anderes als eine Wiederholung der Bestimmungen des § 918 ABGB. und eine ergänzende Regelung in der Richtung, daß der Schaden, der bei Rücktritt vom Vertrag ersetzt verlangt werden kann, mit einem bestimmten Mindestbetrag fixiert wird.

Die klagende Partei übte daher nicht ein Wahlrecht im Sinne des § 906 ABGB. aus, wodurch dem Beklagten Verhaltensdirektiven gegeben werden sollten, wenn sie ursprünglich die Erfüllung des Vertrages begehrte. Ob dieses Begehren durch Mahnung oder durch die energischere Form der Klage geschah, ändert daran nichts. Auch wenn die klagende Partei zu diesem Zeitpunkt bereits vom Vertrag hätte zurücktreten können, muß ihr zugebilligt werden, zunächst die Aufrechterhaltung des Vertrages und dessen Erfüllung zu begehren, denn der favor contractus liegt dem Gesetz zugrunde. Wenn der Vertragspartner trotzdem weiterhin nicht erfüllt, kann dem vertragstreuen Teil nicht die ihm vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten, genommen werden. Das würde eine ungerechtfertigte Benachteiligung des vertragstreuen Teiles gegenüber dem vertragsuntreuen Teil bedeuten. Es kann daher den Ausführungen Gschnitzers (Klang[2] IV S. 460) und den gleichlautenden, von den Untergerichten zitierten Entscheidungen im vorliegenden Falle nicht gefolgt werden, wenn darin ausgeführt wird, in der Klage auf Erfüllung liege ein unbedingter Verzicht auf das Rücktrittsrecht.

2. Ehrenzweig (§ 320) führt aus, nach Eintritt des Verzuges könne der Gläubiger, solange der Verzug dauere, wann immer zurücktreten, auch wenn er zunächst Vertragserfüllung verlangt habe. Nur die Rücktrittserklärung sei unwiderruflich. Gschnitzer führt aus, daß das Rücktrittsrecht an keine Frist gebunden sei und so lange geltend gemacht werden könne, als der Verzug nicht behoben wurde. Der vertragstreue Teil verliere sein Rücktrittsrecht daher nicht dadurch, daß er nach Eintritt des Verzuges noch Erfüllung verlange oder mit der Klage auf Erfüllung drohe. Warum das Rücktrittsrecht aber dann mit der Einbringung der Klage verloren sein soll, ist nicht einzusehen, denn die Klage kann als qualifizierte Mahnung angesehen werden und verfolgt ebenso wie die Mahnung den Zweck, vom Gegner Erfüllung zu erlangen.

3. Selbst Pisko (Lehrbuch des österr. Handelsrechtes, S. 191), der grundsätzlich das Wahlrecht des vertragstreuen Teiles durch die Klage auf Zahlung oder Lieferung für erloschen erklärt, billigt dem Käufer, wenn die von ihm gewährte Erfüllung nachträglich unmöglich oder infolge weiterer Verzögerung für ihn wertlos geworden ist, zu, die sich aus den §§ 920, 921, 1447 ABGB. ergebenden Rechtsfolgen (also des Rücktrittes vom Vertrag) geltend zu machen und zwar auch dann, wenn er sogar bereits ein Urteil auf Lieferung erwirkt hat. Was dem Käufer einer Ware zugebilligt wird, muß aber auch dem Verkäufer, der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises hat, zugebilligt werden. So wird auch in der nichtveröffentlichten Entscheidung 5 Ob 578/58 ausgeführt, daß der vertragstreue Teil seines Rücktrittsrecht nicht dadurch verliere, daß er nach Eintritt des Verzugs noch Erfüllung verlange und auf Erfüllung klage. Allerdings soll er darnach das durch die Klage zunächst verlorene Rücktrittsrecht neuerlich dadurch erlangen, daß der Schuldner die ihm mit Urteil auferlegte Leistungspflicht nicht einhält. Es ist nicht einzusehen, warum der vertragstreue Teil gezwungen werden sollte, einen kostspieligen Rechtsstreit auf Erfüllung vielleicht durch Jahre bis zur Entscheidung zu führen, wenn er schon während des Rechtsstreites zur Überzeugung kommt, daß die beklagte Partei den Vertrag auf keinen Fall erfüllen kann (wie in der Revisionsbeantwortung zugegeben wird) oder will und auch eine Exekutionsführung nur zeitraubend wäre. Das kann ihm besonders dann nicht zugemutet werden, wenn die Ware, die er selbst zur Erfüllung des Vertrages bereithalten muß, durch den Ablauf der Zeit ständig an Wert verliert, wie das bei einem Kraftfahrzeug einer bestimmten Type und eines bestimmten Baujahres der Fall ist.

In diesem Sinne haben für den deutschen Rechtsbereich die Entscheidungen des deutschen Reichsgerichts vom 23. September 1914 und vom 14. November 1924 (RGZ., Bd. 85, S. 280 ff., Bd. 109, S. 184 ff.) ausgeführt, daß zwar die Erklärung vom Vertrag zurückzutreten, eine Willenserklärung sei, die den Vertrag zum Erlöschen bringe, weshalb nachher nicht mehr ein Begehren gestellt werden könne, das das Bestehen des Vertrages voraussetze (Schadenersatz wegen Nichterfüllung), daß hingegen die Erklärung, Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, keine solche Erklärung sei, welche eine Änderung der Rechtslage zur Folge habe. Sie könne daher für sich allein nicht die Wirkung haben, daß das Recht auf Rücktritt vom Vertrag erloschen sei. Es hält die Bestimmungen über die Wahlschuld hiefür überhaupt nicht für anwendbar, weil das Recht, Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten, nicht ein aus dem Schuldverhältnis sich ergebendes Recht auf eine von mehreren wahlweise geschuldeten Leistungen sei. Nur wer von mehreren ihm wahlweise geschuldeten Leistungen die eine wähle, erkläre damit, daß er diese und nicht die andere wolle. Wenn dagegen der nicht säumige Vertragsteil Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlange, bringe er damit nicht zum Ausdruck, daß er sich des Rechtes auf Rücktritt vom Vertrag begeben wolle. Er mache vielmehr nur von zweien ihm wahlweise zustehenden Rechten vorderhand das eine Recht geltend, ohne sich hinsichtlich der Nichtverfolgung des anderen Rechtes zu binden. Daher könne in der Erklärung, Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen (auch wenn das durch Klage geltend gemacht worden sei), nicht ein Verzicht auf das Rücktrittsrecht erblickt werden. Nur wenn der andere Teil den geforderten Schadenersatz geleistet und der nicht säumige Teil die Erfüllung seines Anspruches angenommen habe, müsse ein solcher Verzicht angenommen werden.

Der Oberste Gerichtshof ist daher der Meinung, daß hier, wo es nicht notwendig ist, dem vertragsuntreuen Teil durch eine getroffene Wahl Gewißheit zu verschaffen, worauf er sich einzustellen habe, der vertragstreue Teil die Möglichkeit, vom Vertrage zurückzutreten und Schadenersatz nach § 921 ABGB. zu verlangen, durch die Einbringung der Klage auf Erfüllung nicht verloren hat. Da nach den Feststellungen der Untergerichte der Beklagte aus Verschulden den Vertrag nicht erfüllt hat, kann die klagende Partei den Ersatz des ihr dadurch entstandenen Schadens begehren, dessen Höhe vereinbarungsgemäß mit mindestens 10% des Kaufpreises festgesetzt wurde. Da die klagende Partei nur diesen Mindestbetrag begehrt, war er ihr ohne weitere Beweisaufnahmen zuzusprechen.

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