OGH 1Ob4/64

OGH1Ob4/6417.1.1964

SZ 37/12

Normen

Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXXXIII
ZPO §72 (3)
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXXXIII
ZPO §72 (3)

 

Spruch:

Für einen schriftlichen Rekurs der armen Partei gegen Beschlüsse auf Enthebung des Armenvertreters und Erlöschen des Armenrechtes besteht kein Anwaltszwang.

Entscheidung vom 17. Jänner 1964, 1 Ob 4/64. I. Instanz:

Kreisgericht Krems; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Mit Beschluß vom 14. Oktober 1963 enthob das Prozeßgericht den für die Nebenintervenientin gemäß § 64 ZPO. bestellten Armenanwalt Dr. Franz H. seines Amtes und sprach aus, daß mit der rechtskräftigen Bewilligung der Enthebung des Armenanwaltes das Armenrecht gemäß Art. XXXIII (2) EGzZPO. erlösche.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Nebenintervenienten mit der Begründung zurück, daß schriftliche Rekurse gegen Beschlüsse auf Enthebung des Armenanwaltes sowie Rekurse gegen den Entzug des Armenrechtes der Unterschrift eines Rechtsanwaltes bedürfen, sofern sie nicht zu Protokoll gegeben werden; daß derartige Rekurse auch bei Gerichtshöfen mündlich zu Protokoll gegeben werden können, besage noch nicht, daß schriftliche Rekurse nicht der Anwaltsfertigung bedürfen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Nebenintervenientin Folge, hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die von Amts wegen wahrzunehmende Frage der Zulässigkeit des Rekurses anlangt, so ist sie zu bejahen, da nach der Absicht des Gesetzgebers unter den im § 528 ZPO. genannten bestätigenden Beschlüssen nicht auch die den Rekurs aus formalen Gründen zurückzuweisenden Beschlüsse anzusehen sind (SZ. XIII 278, SZ. XVIII 54 u. a.).

Der Oberste Gerichtshof vermag der Auffassung, daß Rekurse gegen Beschlüsse auf Enthebung des Armenanwaltes und Erlöschen des Armenrechtes (Art. XXXIII EGzZPO.), sofern sie nicht zu Protokoll gegeben werden, die Unterschrift eines Rechtsanwaltes erfordern, nicht beizupflichten. Nach dem ersten Satz des § 72 (3) ZPO. bedürfen die Parteien bei den nach den Vorschriften des Titels "Armenrecht" (§§ 63 - 73) bei Gericht vorzunehmenden Handlungen einer Vertretung durch Rechtsanwälte auch dann nicht, wenn ein Gerichtshof als Prozeßgericht erster Instanz einschreitet. Daraus ergibt sich, daß das Zwischenverfahren zur Erlangung des Armenrechtes sowie eines Armenvertreters, wozu der Natur der Sache nach auch das Verfahren nach Art. XXXIII EGzZPO. zählt, in jeder Hinsicht frei vom Anwaltszwang sein soll und auch für schriftliche Rekurse der Parteien die Befreiung vom Anwaltszwang gilt. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum überwiegend vertreten (Fasching, Komm. zu den Zivilprozeßgesetzen, II S. 80, 454, Neumann[4], I S. 363, 606, Petschek - Stagel, Das österr. Zivilprozeßrecht, Manz 1963, S. 282 Pkt. III, Wolff, Grundriß des österr.

Zivilprozeßrechtes[2], S. 27, Sperl, Lehrbuch, S. 219).

Dem steht der zweite Satz des Art. XXXIII EGzZPO., wonach die arme Partei einen Rekurs gegen den Beschluß auf Enthebung eines Armenvertreters auch bei Gerichtshöfen mündlich zu Protokoll erheben kann, ebenfalls nicht entgegen. Dadurch wird wie im zweiten Satz des § 72 (3) ZPO. nur zum Ausdruck gebracht, daß nicht bloß die Einbringung eines schriftlichen Rekurses durch die Partei, sondern auch im Gerichtshofverfahren die Anbringung eines Protokollarrekurses zulässig erscheint. Die Auffassung, daß § 72 (3) ZPO. im ersten Satz das erstinstanzliche Verfahren und in seinem zweiten Satz das Rekursverfahren im Auge habe und für das Rekursverfahren n u r die Erleichterung der Rekurserhebung zu Protokoll auch vor Gerichtshöfen zulasse (vgl. Wahle, die Weiterentwicklung des neuen Zivilprozeßkommentars, JBl. 1961 S. 451) entspricht nicht der Absicht des Gesetzgebers, nach der das Zwischenverfahren betreffend das Armenrecht und die Bestellung des Armenvertreters in jeder Hinsicht frei vom Anwaltszwang sein soll.

Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden ergibt sich auch die Zweckmäßigkeit der Befreiung des schriftlichen Rekurses vom Anwaltszwang, weil doch einerseits eine sachgemäße Vertretung der Partei durch eben jenen Anwalt, der seine Enthebung selbst beantragt hat und auch das Vertrauen derselben nicht genießt, schwerlich zu erwarten ist und es andererseits nicht Sinn der gesetzlichen Regelung sein kann, noch einen anderen Armenvertreter zu bestellen, wenn die Voraussetzungen für die Belassung des Armenrechtes wirklich nicht gegeben wären. Lägen sie aber vor, hat die arme Partei schließlich doch einen Anspruch darauf, nicht unter Honorarpflichtfolgen einen Anwalt selbst zu bevollmächtigen. Die Befugnis der Partei, sich in diesem Rahmen auch bei einem Schriftsatz selbst zu vertreten, wird auch durch § 68 (3) ZPO. nicht ausgeschlossen.

Ebensowenig läßt sich für die Auffassung des Rekursgerichtes aus den Bestimmungen der §§ 348 ZPO. und 520 ZPO. etwas gewinnen. § 348 ZPO. hat ein ganz anders geartetes Verfahren, nämlich das bezüglich der Ansprüche der Zeugen, zum Gegenstand. § 520 (1) letzter Satz ZPO. hingegen kommt deshalb nicht zur Anwendung, weil für das Zwischenverfahren über das Armenrecht durch die Bestimmungen des Art. XXXIII EGzZPO. und § 72 (3) ZPO. eine von der allgemeinen Norm abweichende Sonderregelung geschaffen wurde. Der gegenteiligen Auffassung (Stagel - Michlmayr[12], Anm. 1 zu Art. XXXIII EGzZPO., Stagel, Buchbeisprechung, NotZtg. 1960, S. 63) kann daher nicht gefolgt werden.

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