OGH 5Ob334/63

OGH5Ob334/6312.12.1963

SZ 36/158

Normen

Allgemeine österreichische Spediteurbedingungen §34
HGB §410
Allgemeine österreichische Spediteurbedingungen §34
HGB §410

 

Spruch:

Aus § 34 AÖSp. läßt sich nicht eine allgemeine und unbedingte Zahlungspflicht des Empfängers ohne Rücksicht auf bestehende - oder nicht bestehende - vertragliche Verpflichtungen ableiten. Es handelt sich hier vielmehr um eine Erweiterung des gesetzlichen Pfandrechtes der Spediteure gemäß § 410 HGB.

Entscheidung vom 12. Dezember 1963, 5 Ob 334/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Feldkirch; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.

Text

Nach den Feststellungen des Prozeßgerichtes, die im Berufungsverfahren nicht bekämpft wurden, erfuhr der Beklagte Anfang September 1961 von der Firma F. in K., daß er auf der Innsbrucker Messe eine Lufterhitzerattrappe ausstellen könne, die sich bei der Firma X. in Graz befinde. Hierauf setzte sich der Beklagte als Vertreter der Firma F. mit der Firma X. in Graz in Verbindung und ersuchte sie um Veranlassung, daß die Attrappe an ihn zur Innsbrucker Messe gesendet werde. Dabei vereinbarten der Beklagte und die Firma X., daß der Beklagte die Frachtkosten für den Transport von Graz nach Innsbruck und zurück zu tragen habe. Tatsächlich befand sich die Lufterhitzerattrappe jedoch in Wien, und die Firma X. veranlaßte deren Transport von Wien über Graz nach Innsbruck. Die Spedition A. beförderte die Attrappe von Wien nach Graz, von dort wurde sie durch die Spedition B. nach Innsbruck transportiert. In Innsbruck übernahm die Klägerin (ein Transportunternehmen), die von der Spedition B. mit den bis dahin aufgelaufenen Spesen in der Höhe von 1176 S 80 g belastet wurde, den weiteren Transport.

Sie beförderte die Attrappe - es war Ende September 1963 - zum Messegelände, wo sie von einem Angestellten des Beklagten übernommen wurde. Ein Frachtbrief oder ein Speditionsschein wurde an ihn nicht ausgefolgt. Es wurden ihm auch nicht die auf dem Frachtgut lastenden Spesen bekanntgegeben. Zwei Monate später wurde dem Beklagten von der Klägerin die Rechnung vom 21. November 1961 zugestellt. Aus ihr konnte der Beklagte erstmals entnehmen, daß in dem für den Attrappentransport in Rechnung gestellten Betrag zirka 800 S an Kosten für den Transport von Wien nach Graz enthalten waren. Schon vor Übermittlung dieser Rechnung war von der Klägerin im Auftrag des Beklagten die gegenständliche Attrappe wieder nach Graz zurückbefördert worden.

Da sich der Beklagte weigerte, den von der Klägerin in Rechnung gestellten Betrag von insgesamt 839 S 50 g samt Anhang für den Transport der Attrappe von Wien nach Graz zu bezahlen, klagte ihn die Klägerin auf Zahlung dieses Betrages samt Anhang ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der beklagten Partei das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren kostenpflichtig abwies.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Während das Prozeßgericht davon ausgegangen war, daß die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen als stillschweigend vereinbart anzusehen seien, da der Beklagte als Kaufmann ebenso wie sein Angestellter von diesen Geschäftsbedingungen sicherlich Kenntnis gehabt habe, ihre Anwendung nicht ausgeschlossen habe und sich ihnen somit unterworfen habe, ließ das Berufungsgericht dies dahingestellt; denn auch bei Anwendung der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen - wobei nicht nur der vom Erstgericht herangezogene 1. Absatz des § 34, sondern auch dessen 2. Absatz berücksichtigt werden müsse - ergebe sich eine zur Klagsabweisung führende Rechtslage. Nach den Feststellungen des Prozeßgerichtes - die im Berufungsverfahren nicht bekämpft wurden - sei bei Ablieferung des Frachtgutes (der Lufterhitzerattrappe) die Bezahlung der Kosten aus Versehen oder aus sonstigen Gründen unterblieben. An den Buchhalter des Beklagten, der das Frachtgut übernommen habe, sei weder ein Frachtbrief noch ein Speditionsschein übergeben worden. Er habe daher auch nicht den Frachtweg überprüfen können. Es seien ihm auch weder Frachtspesen bekanntgegeben noch von ihm verlangt worden. Nachdem nun die Bezahlung der Kosten durch die beklagte Partei unterblieben sei, habe sie als Empfängerin des Frachtgutes erst nach zwei Monaten die Rechnung der Klägerin vom 21. November 1961 erhalten. Der darin enthaltenen Zahlungsaufforderung habe der Beklagte nicht Folge geleistet. Im Sinne des 2. Absatzes des § 34 der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen wäre daher der Beklagte zunächst zur bedingungslosen Rückgabe des Gutes an den Spediteur verpflichtet gewesen. Abgesehen davon, daß die Rückgabe in der auf Zahlung lautenden Klage nicht verlangt worden sei, wäre eine Rückgabe des Gutes aber auch deshalb nicht möglich gewesen, weil die Klägerin selbst vor Übermittlung der Rechnung vom 21. November 1961 das Frachtgut im Auftrag des Beklagten nach Graz zurückbefördert habe. Bei diesem "Unvermögensfall" wäre daher der Beklagte nach Abs. 2 des § 34 der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen unter Umständen zum Schadenersatz an die Klägerin verpflichtet gewesen. Ob den Beklagten überhaupt ein Verschulden und damit eine Schadenersatzpflicht treffe, könne aber schon mangels einer diesbezüglichen Klagsbehauptung unerörtert bleiben.

Insofern in der Revision darzutun versucht wird, daß die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen in diesem Fall - entgegen dem Standpunkt des Beklagten - jedenfalls gegolten haben, ist darauf nicht näher einzugehen, weil das Berufungsgericht aus den oben wiedergegebenen Gründen mit Recht angenommen hat, daß auch im Falle der Geltung der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen das Klagebegehren nicht begrundet ist.

Entgegen der in der Revision vorgetragenen Ansicht läßt sich aus § 34 Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen nicht eine allgemeine und unbedingte Zahlungspflicht des Empfängers ohne Rücksicht auf bestehende - oder nicht bestehende - vertragliche Verpflichtungen ableiten. Es handelt sich hier vielmehr um eine Erweiterung des gesetzlichen Pfandrechtes des Spediteurs gemäß § 410 HGB. Es wäre aber Sache der Klägerin gewesen, zur Wahrung ihrer Rechte im Sinne des § 34 Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen das Frachtgut (die Attrappe) an den Beklagten nur gegen Bezahlung sämtlicher Kosten herauszugeben bzw. sogleich bei der Übergabe die Bezahlung dieser Kosten zu begehren und, falls sich der Beklagte nicht hiezu bereit erklärt hätte, das Gut im Sinne des § 34 (1) Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen sogleich wieder an sich zu nehmen. Die Klägerin hat dies nicht getan, sie hat aber auch in der Folge die Attrappe zwar wieder übernommen, jedoch im Auftrag des Beklagten nach Graz zurückbefördert und erst, nachdem weder der Beklagte noch sie mehr über das Gut verfügten, vom Beklagten Zahlung verlangt und ihn schließlich auf Zahlung des von ihm nicht berichtigten Teiles ihrer Rechnung geklagt. Nun hat der Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen niemals irgend jemand den Auftrag erteilt, das Gut von Wien nach Graz zu übersenden, er war vielmehr auf Grund seiner Verhandlungen mit der Firma X. in Graz mit Grund der Meinung, daß sich die Attrappe ohnehin in Graz befunden habe. Gegenüber der Klägerin selbst hat sich der Beklagte niemals zur Bezahlung der klagsgegenständlichen Frachtspesen verpflichtet, er konnte, solange er das Gut in seinen Händen hatte, auch noch gar nicht wissen, daß es nicht direkt von Graz nach Innsbruck, sondern zunächst noch von Wien nach Graz geschafft worden war. Daß er dies nicht wußte und auch nicht wissen konnte, ist darauf zurückzuführen, daß die Klägerin mit der Übergabe der Rechnung an den Beklagten so lange zugewartet hat, bis er - und auch die Klägerin selbst - das Gut nicht mehr zur Verfügung hatten. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenommen, daß der Klägerin, falls sie dem Beklagten irgendein Verschulden nachweisen könnte, ein Schadenersatzanspruch im Sinne des § 34 (2) Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen zustehen könnte, was aber im gegenständlichen Verfahren mangels entsprechender Klagsbehauptungen nicht zu erörtern gewesen ist. Eine Rückstellung des Gutes - die übrigens gar nicht begehrt wurde - wäre bei der gegebenen Sachlage unmöglich, und irgendeine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung der eingeklagten Frachtkosten liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat daher das Klagebegehren mit Recht abgewiesen.

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