OGH 6Ob270/63

OGH6Ob270/634.12.1963

SZ 36/151

Normen

ABGB §837
ABGB §1012
ABGB §1014
ABGB §1440
Mietengesetz §19 (2) Z10
ABGB §837
ABGB §1012
ABGB §1014
ABGB §1440
Mietengesetz §19 (2) Z10

 

Spruch:

Die Kosten einer offenbar aussichtslosen Kündigung sind kein nützlicher Aufwand.

Der aus § 1012 ABGB. abgeleitete Ausschluß des § 1440 ABGB. gilt nur für das Bevollmächtigungsverhältnis, nicht aber für sonstige Rechtsbeziehungen zwischen Machtgeber und Machthaber.

Entscheidung vom 4. Dezember 1963, 6 Ob 270/63.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht gab dem ursprünglich auf 15.480 S 85 g lautenden, später auf 24.321 S 45 g s. A. erweiterten Klagebegehren mit folgender Begründung statt:

Die Liegenschaft EZ. 1360, GB. X, habe bis vor einigen Jahren zu 97/192 dem Erstbeklagten, zu 80/192 Henry P. und zu 15/192 einem gewissen Rudolf Pr. gehört. Im Jahre 1961 habe Pr. den Erstbeklagten aufgefordert, ihm seine Anteile abzukaufen, widrigens er eine Teilungsklage zu gewärtigen habe. Nachdem P. versichert habe, er werde seine Anteile behalten, hätten die Beklagten bei der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien ein Hypothekardarlehen von 80.000 S aufgenommen und die Zweitbeklagte habe die 15/192 P.s um 70.000 S erworben. Seit 1957 führten die Beklagten als Mehrheitseigentümer die Hausverwaltung mit Zustimmung der Minderheitseigentümer.

Mit Kaufvertrag vom 16. Dezember 1961 und 9. Februar 1962 habe P. seine Anteile dem Kläger verkauft. Laut Kaufvertrag habe der Kläger als Kaufpreis einen Betrag von 14.500 S in US-Dollars bezahlt und die Haftung für das Darlehen bei der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien in der Höhe von 30.000 S übernommen. Besitz und Genuß der verkauften Anteile gingen mit 30. Juni 1961 auf ihn über.

Dem Kläger stunde nach den Abrechnungen der Beklagten eine Forderung an anteilsmäßigen Erträgnissen des Hauses in der von ihm begehrten Höhe zu. Die Beklagten seien nicht berechtigt, dem Kläger die Anteilskosten eines verlorenen Kündigungsprozesses gegen einen Mieter des Hauses abzuziehen. Es sei gemäß § 19 (2) Z. 10 MietG. einem Friseurmeister gekundigt worden, der sein Unternehmen samt Einrichtung und Kundenstock gegen Leibrente abgegeben habe. Die Kündigung sei aufgehoben, das Urteil erster Instanz rechtskräftig geworden. Die Beklagten hätten diesen Prozeß bei sorgfältiger Prüfung der Tatsachen nicht führen dürfen, und der Kläger brauche sich die dadurch unnötigerweise verursachten Kosten nicht verrechnen lassen.

Im übrigen seien die Beklagten als stillschweigend bevollmächtigte Verwalter des Hauses hinsichtlich der dem Kläger bzw. seinem Rechtsvorgänger zustehenden Anteile an den Eingängen als Treuhänder anzusehen. Gemäß § 1440 ABGB. seien sie daher nicht berechtigt, die Mietzinsguthaben des Klägers wegen der von ihnen behaupteten Schadenersatzforderung gegen P. zurückzubehalten. Demnach sei dem Ausfolgungsbegehren der Kläger stattzugeben.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und führte abweichend vom Erstgericht hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung aus, es handle sich nicht um ein Verbot der Zurückbehaltung, sondern vielmehr um ein Kompensationsverbot. Gegen die Forderung auf Herausgabe vom Verwalter einkassierter und für den Miteigentümer verwahrter Gelder sei die Aufrechnung nur zugunsten von durch die Verwaltung selbst entstandenen Forderungen zulässig.

Die Beklagten fechten die Entscheidung des Berufungsgerichtes nur mehr hinsichtlich des Zuspruches von 17.585 S 52 g s. A. an.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 1440 ABGB. sind in Verwahrung genommene Sachen kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder Aufrechnung. Allerdings wird von der Lehre (vgl. Gschnitzer in Klang[2] VI S. 510 und 511 sowie Bettelheim in Klang[1] IV S. 523) die Ansicht vertreten, für reine Bevollmächtigungsverträge gelte dieser Ausschluß nicht. Auch die Rechtsprechung hat diese Ansicht vielfach in dieser allgemeinen Form unter Bezugnahme auf die angeführte Lehre übernommen, sie aber mit Rücksicht auf den jeweiligen sachverhalt in concreto für nicht anwendbar erklärt, weil sie infolge der besonderen Verhältnisse (z.

B. wegen unerlaubten Inkassos: SZ. XXXIV 13, wegen Vorliegens eines Treuhandverhältnisses: SZ. XXVI 156, wegen der öffentlichrechtlichen Stellung des Machthabers: SZ. XVIII 156, wegen Übergabe mit besonderer Zweckbestimmung: SZ. XI 150 und ZBl. 1934, Nr. 397, oder wegen anderer Umstände: EvBl. 1961 Nr. 41, 1958 Nr. 114, JBl. 1931 S. 331 u. a.) das Vorliegen einer Verwahrungspflicht als Nebenverpflichtung annahm. Hieran wurde die Folgerung geknüpft, daß auch die Ausübung einer gegen diese neben der Hauptverpflichtung einherlaufende Verwahrpflicht verstoßenden Aufrechnung als Vertrauensmißbrauch empfunden würde (vgl. HHB. XXI. Session, 78 der Beilagen, S. 79) und daher trotz Vorliegens eines Bevollmächtigungsverhältnisses nach § 1440 ABGB. unzulässig sei.

Nach Ansicht des erkennenden Senates kann jedoch dem von Gschnitzer und Bettelheim aufgestellten und von der Rechtsprechung in der angeführten Weise modifizierten Rechtssatz in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Er wird nämlich von beiden Autoren wörtlich gleichlautend lediglich damit begrundet, daß die Rechnungslegung, zu der der Machthaber gemäß § 1012 ABGB. verpflichtet sei, geradezu auf eine Aufrechnung abziele und daß "daher" der Machthaber fällige und gleichartige Gegenforderungen jeder Art, nicht nur aus der Geschäftsbesorgung und wegen seiner Belohnung gegen die Forderung des Machthabers aus dem Bevollmächtigungsvertrag aufrechnen dürfe.

§ 1012 ABGB., der somit die einzige gesetzliche Stütze dieser Ansicht ist, besagt aber nur, daß der Gewalthaber schuldig sei, dem Machtgeber die bei dem Geschäfte vorkommenden Rechnungen, so oft dieser es verlangt, vorzulegen. Gewiß kann aus dieser Verpflichtung des Machthabers zur jederzeitigen Vorlage der Rechnungen eine allgemeine Pflicht, aber auch ein Recht des Machthabers zur Abrechnung und damit eine Ausnahme von dem Kompensationsausschluß des § 1440 ABGB. gefolgert werden. Da sich diese Ausnahme aber nur von diesem aus § 1012 ABGB. hervorgehenden Recht und der Pflicht zur Abrechnung ableitet, kann sie gleichfalls nur so weit reichen, als sich diese Abrechnung erstreckt, nämlich auf dieses Geschäft, somit auf das Auftrags- bzw. Bevollmächtigungsverhältnis. Hinsichtlich aller sonstigen Rechtsbeziehungen, die sich aus was immer für Ursachen zwischen den beiden Personen ergeben, gilt die Abrechnungspflicht des § 1012 ABGB. nicht und daher auch nicht der daraus gefolgerte Ausschluß des § 1440 ABGB. Der Machthaber darf Forderungen, die er aus sonstigen Rechtsbeziehungen mit dem Machtgeber gegen diesen behauptet, nicht mit dem kompensieren, was er nach Abrechnung des Bevollmächtigungsverhältnisses für den Machtgeber in Verwahrung hat.

Zum gleichen Ergebnis kommt man gemäß § 837 ABGB. für den hier vorliegenden Fall des verwaltenden Miteigentümers. Dieser ist nach der genannten Gesetzesstelle als Machthaber anzusehen und als solcher "einerseits verbunden, ordentliche Rechnung abzulegen, andererseits aber befugt, alle nützlich gemachten Auslagen in Abrechnung zu bringen". Auch aus dieser Formulierung ergibt sich, daß der verwaltende Miteigentümer als Machthaber der Minderheit seine Forderungen nur so weit verrechnen darf, als sie in den Rahmen der Verwaltung fallen und außerdem einen nützlichen Aufwand darstellen. Hinsichtlich eines sich sonach zugunsten der nicht verwaltenden Miteigentümer ergebenden Saldos trifft ihn eine Verwahrungspflicht, und es gilt daher insofern auch für ihn die Bestimmung des § 1440 ABGB.

Untersucht man die beiden hier strittigen Abrechnungsposten unten diesen rechtlichen Gesichtspunkten, so muß hinsichtlich der Schadenersatzforderung, die die Beklagten darauf grunden, daß Henry P. ihnen angeblich zugesichert habe, seine 80/192 Hausanteile nicht zu verkaufen, wodurch er die Beklagten bewogen habe, einen Kredit aufzunehmen, um die 15/192 Anteile des Rudolf Pr. zu erwerben, jedenfalls gesagt werden, daß sie mit der Verwaltung des Hauses und demnach mit dem Bevollmächtigungsverhältnis in keinem wie immer gearteten Zusammenhang stehen. Die Untergerichte sind daher mit Recht darauf, ob und in welcher Höhe den Beklagten hiedurch eine Schadenersatzforderung gegen Henry P. erwuchs, nicht eingegangen, da die Beklagten keinesfalls berechtigt wären, eine solche Forderung gegen die unbestrittene Forderung des P. bzw. seines Rechtsnachfolgers, des Klägers, auf Ausfolgung des Saldos aus der Hausabrechnung aufzurechnen.

Was die anteiligen Kosten des Kündigungsprozesses betrifft, so würden diese allerdings, falls es sich um nützliche Kosten handelte, einen Aufwand aus der Hausverwaltung und damit aus dem Bevollmächtigungsverhältnis darstellen, den die Beklagten nach §§ 837, 1014 ABGB. gegen die Forderung des Klägers auf Ausfolgung des Mietzinssaldos aufrechnen dürften.

Ob der Aufwand nützlich war, muß nach den Verhältnissen beurteilt werden, wie sie sich dem Beauftragten zur Zeit darstellten, als er ihn machte, und nach den Maßstäben, wie sie die Verkehrssitte bietet. Zum nützlichen Aufwand gehören auch die - wenn auch vergeblich - aufgewendeten Rechtsanwalts- und sonstigen Prozeßkosten, die dem Machthaber infolge eines verständigerweise gegen den Dritten angestrengten Prozesses entstanden sind. Er wird allerdings, bevor er die Klage erhebt, regelmäßig das Einvernehmen mit dem Auftraggeber herstellen müssen, da Rechtsverhältnisse verkehrsüblicherweise auch ohne Prozeß geordnet werden können (Stanzl in Klang[2] IV S. 848).

Es muß den Vorinstanzen beigepflichtet werden, daß die Kosten des Kündigungsprozesses unter diesen Gesichtspunkten nicht als nützlicher Aufwand angesehen werden können. Nicht nur daß die Beklagten vor Einbringung der Kündigung mit Henry P. kein Einvernehmen gepflogen haben, da sie mit ihm nicht gut standen, wurde ihnen durch den Anwalt des Gekundigten mitgeteilt, daß dieser nicht bloß die Geschäftsräume, sondern das ganze Unternehmen gegen eine Leibrente weitergegeben habe. Daß in einem solchen Falle eine Kündigung nach § 19 (2) Z. 10 MietG. nicht erfolgreich sein kann, ist einheitliche Lehre und Rechtsprechung. Die Beklagten haben es auch beim abweislichen Urteil erster Instanz bewenden lassen und kein Rechtsmittel dagegen ergriffen. Gewiß gehört die Einbringung einer Aufkündigung zu den Maßnahmen einer ordentlichen Verwaltung, zu denen die Mehrheitseigentümer allein berechtigt sind. Da sie dem Minderheitseigentümer aber nur den nützlichen Aufwand verrechnen dürfen, können sie von ihm den Ersatz der Kosten eines von vornherein aussichtslosen Prozesses auch nicht anteilsmäßig begehren.

Das Revisionsvorbringen, zwischen den Beklagten und Henry P. habe noch ein zweites Bevollmächtigungsverhältnis bestanden, auf Grund dessen sie für P. die Vermögensverwaltung geführt hätten und in dessen Rahmen die beiden Forderungen der Beklagten aufrechenbar seien, stellt eine im Revisionsverfahren unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung dar.

Auch der Rechtsgrund des § 1409 ABGB. wird in der Revision erstmals geltend gemacht und zu seiner Begründung ausgeführt, die Beklagten hätten den Kläger vor Erwerb der Liegenschaft darauf hingewiesen, daß sie Forderungen gegen Henry P. haben. Ob dies zutrifft oder nicht, braucht aber nicht untersucht zu werden, da es im vorliegenden Rechtsstreit nur darum geht, ob die Beklagten berechtigt sind, solche allfällige Forderungen gegen die P. und ihres Rechtsnachfolgers, des Klägers, aufzurechnen. Diese Frage ist aber zu verneinen.

Da somit die Rechtsrüge nicht begrundet ist, ist auch der Mängelrüge, die nur das Fehlen für die Rechtsansicht der Beklagten notwendiger Feststellungen geltend macht, der Boden entzogen.

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