OGH 5Ob329/63

OGH5Ob329/6314.11.1963

SZ 36/147

Normen

KO §5 (1)
KO §5 (1)

 

Spruch:

Gemäß § 5 (1) KO. hat der Gemeinschuldner Anspruch auf den anständigen Unterhalt.

Entscheidung vom 14. November 1963, 5 Ob 329/63.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht.

Text

Der Gemeinschuldner bezieht als Vertreter ein regelmäßiges Arbeitseinkommen. Den das Existenzminimum nach den Vorschriften des Lohnpfändungsgesetzes 1955 übersteigenden Betrag nahm der Masseverwalter nach Einholung eines Beschlusses des Gläubigerausschusses für die Konkursmasse in Anspruch.

Das Erstgericht nahm gemäß § 95 (2) KO. die Entscheidung des Gläubigerausschusses, den Bericht des Masseverwalters vom 5. Juli 1963 zu genehmigen, zur Kenntnis und trug dem Gemeinschuldner und seiner gleichfalls im Konkurs befindlichen Gattin auf, den ihnen vom Masseverwalter nicht überlassenen Teil ihres Einkommens im Betrage von monatlich 1460 S ab 1. Jänner 1963 an die Konkursmasse abzuführen. Es ging von einem monatlichen Durchschnittseinkommen des Gemeinschuldners von 4500 S aus und ermittelte unter Berücksichtigung der Sorgepflicht des Gemeinschuldners für seine Ehegattin und zwei minderjährige Kinder das Existenzminimum mit 3040 S, sodaß 1460 S an die Masse auszufolgen seien.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Gemeinschuldners, soweit er sich gegen den Ausspruch des Erstgerichtes richtete, den Beschluß des Gläubigerausschusses zur Kenntnis zu nehmen, zurück. Soweit dem Gemeinschuldner aufgetragen wurde, einen monatlichen Betrag von 1460 S ab 1. Jänner 1963 an die Konkursmasse abzuführen, hob das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß auf und wies die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes zurück. Der von Amts wegen gefaßte Beschluß des Konkurskommissärs, von seinem Untersagungsrecht keinen Gebrauch zu machen, stelle - so führt das Rekursgericht aus - nur eine Mitteilung, nicht aber eine im Rechtsmittelweg bekämpfbare Entscheidung dar, sodaß ein Rekurs dagegen unzulässig sei. Gemäß § 5

(1) KO. sei dem Gemeinschuldner aber das, was er während des Konkurses durch eigene Tätigkeit erwerbe, vom Masseverwalter so weit zu überlassen, als es zum Unterhalt für ihn und seine Familie erforderlich sei. Diese Ansprüche werden erst durch die Überlassung, auf die der Gemeinschuldner nach § 5 (1) KO. Anspruch habe, konkursfreies Vermögen. Unter dem Unterhalt im Sinne des § 5 (1) KO. sei der anständige (standesgemäße) Unterhalt zu verstehen, der den Aufwand für Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse nach den bisherigen Lebensverhältnissen des Unterhaltsberechtigten umfasse. Da Feststellungen über das Ausmaß des bisherigen Aufwandes des Gemeinschuldners für Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse fehlen, sei die Sache noch nicht spruchreif.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Massewalters, den er gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhoben hatte, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zu Unrecht vermeint der Rekurswerber, schon die sprachliche Fassung des § 5 (1) KO. schließe es aus, dem Gemeinschuldner höhere Einkünfte als das Existenzminimum nach dem LohnpfändungsG. 1955 aus einem von ihm begrundeten Dienstverhältnisse zu überlassen. § 5 (1) KO. bestimmt: "Was der Gemeinschuldner durch eigene Tätigkeit erwirbt oder was ihm während des Konkurses unentgeltlich zugewendet wird, ist ihm so weit zu überlassen, als es zum Unterhalt für ihn und für diejenigen, die gegen ihn einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt haben, erforderlich ist." Was für den Gemeinschuldner und die gegen ihn nach dem Gesetz Anspruchsberechtigten "erforderlich" ist, ist mehr als die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse und der nach dem § 5 LohnpfändungsG. unpfändbaren Bezüge. Es findet diese schon im Gesetzestext begrundete Auffassung auch ihre Stütze in der rechtsgeschichtlichen Entwicklung der angeführten Gesetzesstelle. Die Vorschrift des § 5 der Konkursordnung vom 25. Dezember 1868 (in Wirksamkeit getreten am 1. April 1869) bestimmte, daß dem Gemeinschuldner dasjenige zu überlassen sei, was er durch eigenen Fleiß erwirbt, soweit es zum Unterhalt für ihn und für Personen, denen ihm gegenüber ein gesetzlicher Anspruch auf Unterhalt zusteht, erforderlich ist. Über die Alimentation des Kridatars bemerken die Motive des Referentenentwurfes: Die Rücksicht

auf das Bestehende haben dahin geführt, den Gemeinschuldner ... wie

jeden Vermögenslosen auf die Früchte seiner Arbeit... zu verweisen

(siehe hiezu Kaserer, Comm. zur österr. Concurs-Ordnung, S. 36, 37). Die Kaiserliche Verordnung vom 10. Dezember 1914, RGBl. Nr. 337, enthält lediglich eine Erweiterung des schon in Geltung gestandenen § 5 (1) KO., in dem sie den Unterhaltsanspruch nicht auf den Arbeitsverdienst beschränkt, sondern auf Geschenke und Vermächtnisse an den Gemeinschuldner erstreckt. Sonst sollte es beim bestandenen Rechtszustand und damit nicht bei der Beschränkung des Gemeinschuldners auf das Existenzminimum verbleiben. Auch beim Erwerb durch Zuwendungen Dritter sollte jedoch eine Begrenzung durch das Maß des Erforderlichen eintreten (siehe hiezu Denkschrift zur Einführung einer Konkursordnung, S. 15, 16). In Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Gesetzes lehnt daher die Rechtsprechung die Beschränkung des Gemeinschuldners und der gegen ihn nach dem Gesetz Unterhaltsberechtigten auf den aus einem Arbeitseinkommen unpfändbaren Unterhalt ab (SZ. X 172, EvBl. 1935 Nr. 878). Die gegenteilige Auffassung vertritt im Schrifttum Lehmann, Kommentar zur österr. Konkursordnung, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, Manz 1916, S. 61, wonach für den Gemeinschuldner nur das auch der Spezialexekution nicht unterworfene Existenzminimum erhalten bleiben soll. Kissling, Die österr. Concurs-Ordnung, S. 22, nimmt gleichfalls den Standpunkt ein, daß, falls sich der Kridatar mehr als für den Unterhalt "notwendig" erscheint, erwirbt, der Überschuß in die Masse fällt. Ebenso führt Riehl, Die Concurs-Ordnung, Manz 1882, S. 23, aus, auf Grund der §§ 1 und 5 KO. folge, daß, wenn sich der Gemeinschuldner mehr erwirbt, als für den Unterhalt im Sinne des § 5 (1) KO. "notwendig" erscheint, der Überschuß in die Konkursmasse fällt. Doch finden diese Ausführungen, wie bereits dargetan wurde, im Begriffe des erforderlichen Unterhaltes des § 5 (1) KO. keine Stütze.

Es war nun zu prüfen, in welchem Ausmaß das Gesetz dem Gemeinschuldner und seinen gesetzlich unterhaltsberechtigten Angehörigen den Unterhalt belassen will; ob dem Gemeinschuldner nicht nur der notwendige, sondern der anständige Unterhalt zu belassen sei. Das Gesetz bestimmt jedoch auch das Ausmaß des Erfordernisses. Was für diejenigen, die gegen ihn einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt haben, erforderlich ist, ergibt sich, abgesehen von der Sonderregelung bei den unehelichen Kindern, aus den Bestimmungen der §§ 91 und 139 ABGB. Sowohl die Ehegattin als auch die ehelichen Kinder des Gemeinschuldners haben Anspruch auf den anständigen Unterhalt. Desgleichen räumt § 154 ABGB. den dürftigen Eltern des Gemeinschuldners einen Anspruch auf den anständigen Unterhalt ein. Das Schrifttum (Bartsch - Pollak, Konkursordnung 1937, S. 64, Anm. 9) und die (Rechtsprechung JBl. 1936 S. 236) bejahen auch den Anspruch des Gemeinschuldners auf den anständigen Unterhalt. Entgegen den Ausführungen des Rekurswerbers findet der Oberste Gerichtshof keine Veranlassung, von der von ihm in mehrfachen Entscheidungen vertretenen Ansicht abzugehen. Dem Gemeinschuldner soll, ohne gerade einen Überfluß zu gestatten, die anständige Verpflegung und Lebenshaltung gewahrt bleiben. Der Sinn und Zweck der Bestimmung des § 5 (1) KO. geht dahin, daß die Arbeitskraft des Gemeinschuldners im Interesse der Gläubiger erhalten bleiben und ihm nicht der Erwerb verleidet oder gar unmöglich gemacht werden soll (vgl. hiezu Zugschwerdt, Praktisches Handbuch zur Concurs-Ordnung, S. 19).

Sofern der Rekurswerber vermeint, der Gemeinschuldner könne nicht besser gestellt werden als im Exekutionsverfahren, wo die betreibenden Gläubiger von vornherein im Gegensatz zum Konkursverfahren keine Einbuße an ihrem Vermögen erleiden müssen, kann ihm nicht gefolgt werden. Der Konkurs stellt, wie der Oberste Gerichtshof bereits dargetan hat (EvBl. 1935 Nr. 878), eine Generalexekution dar. Im Gegensatz dazu bezweckt das Exekutionsverfahren in der Regel nur die Hereinbringung einzelner Forderungen. Dem Gemeinschuldner kann vorübergehend bis zur Befriedigung dieser Forderungen die Beschränkung auf die notwendigsten Lebensbedürfnisse zugemutet werden. Nach einer nicht allzu langen Zeitspanne soll er wieder in der Lage sein, in den Genuß seines vollen Arbeitseinkommens zu gelangen.

Der Rekurswerber ist im Recht, daß die durch eigene Tätigkeit des Gemeinschuldners erworbenen Ansprüche im Sinne des § 5 (1) KO. grundsätzlich zur Masse gehören und erst dann ausscheiden, wenn sie vom Masseverwalter dem Gemeinschuldner überlassen wurden (Bartsch - Pollak, Konkursordnung, 1937, S. 63, SZ. XXVIII 86). Die Höhe der zu überlassenden Ansprüche ist aber strittig und deshalb zu bestimmen.

Da hinreichende Feststellungen über die Einkünfte des Gemeinschuldners aus seiner unselbständigen Erwerbstätigkeit während der einzelnen Zeitabschnitte und das Ausmaß des bisherigen Aufwandes des Gemeinschuldners für Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse (§ 672 ABGB.) fehlen, kann der anständige Unterhalt derzeit nicht bestimmt werden. Der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes erweist sich daher frei von Rechtsirrtum, sodaß dem Rekurs der Erfolg versagt bleiben mußte.

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